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True
Romance
Zwischen
„Reservoir
Dogs“
(1992) und „Pulp
Fiction“
(1994) legte Quentin Tarantino ein Drehbuch vor, aus dem Tony Scott („Enemy
of the State“, 1998; „Spy Game“, 2001) eine wahre Liebesromanze zauberte, so
wahr, dass man es kaum glauben kann. Da kämpft sich ein Paar durch die
Unbill des Lebens, zwischen Kugelhagel und Kokain, fast schon kindlich naiv
– und siegt am Schluss über alle Widrigkeiten und Widerstände, als
ob das Leben nichts anderes mit ihm vorgehabt hätte: true romance. Klischees
über Klischees begleiten Clarence (Christian Slater) und die Prostituierte
Alabama (Patricia Arquette) auf ihrem Weg zur glücklichen Familie, als
ob Hollywood die abgestandenen Standards seiner romantischen Komödien und
seiner Crime-Storys mit einer seltenen Form von Geschmacksverfeinerung zu einem
modernen Märchen gemixt hätte, das sehr wohl mundet, so dass – selten
genug der Fall – die hauseigenen Abziehbilder und gängigen Stereotypen
zu einem Gala-Diner der feinen Art modifiziert werden. Schmackhaft.
•
I N H A L T •
„They
try to tell us we're too young
Too
young to really be in love
They
say that love's a word
A word we've only heard
But
can't begin to know the meaning of.“ [1]
Scott
geht auf Nummer Sicher und trifft den Publikumsgeschmack, wenn er den Einzelgänger
Clarence, der auf Kung-Fu-Filme steht und Comics verkauft, auf die gerade mit
ihrer „Karriere“ als Call-Girl beginnende Alabama treffen lässt, als wenn
es nichts wäre, nichts als love at first sight. Sie kamen, sie sahen sich,
sie siegten – respektive ihre Liebe. Nicht nur das: Sie halten fortan zusammen
wie Pech und Schwefel, ohne sich gegenseitig in irgendeine Form von emotionaler
oder sonstiger Abhängigkeit gefangen zu halten. Glorious! Nichts kann den
beiden im Wege stehen, niemand kann ihnen etwas anhaben. Auch nicht Drexl Spivey
(Gary Oldman), Drexl the Pimp, Alabamas Zuhälter, den Oldman in bekannter
Manier spielt, mit langen Haaren, einem lila Hemdchen auf der Brust, gewalttätig,
eklig, zynisch – einfach genial. Allerdings muss er für seine egozentrische
Art, seine Umgebung voll und ganz in moderner Sklaverei zu halten, mit dem Leben
bezahlen. Denn Clarence, der Alabamas Sachen bei Drexl abholen will, kennt kein
Pardon. Er will Alabama auslösen – mit einem leeren Briefumschlag. Schon
jetzt ist Alabama für ihn unbezahlbar, und Drexl bleibt die Luft im Umschlag,
aber keine Luft mehr zum Leben. Clarence Worley hat sich Mut gemacht. Sein Alter
Ego, Elvis, sein Mentor (Val Kilmer), ein Geist, der ihm des öfteren leibhaftig
erscheint, hat ihm Mut gemacht: Töte Drexl, hat er ihm gesagt. Elvis kümmert
sich ...
Alabama
ist kurz entsetzt, doch dann entzückt, dass ein Mann für sie tötet.
Nicht nur das: Der Koffer, in dem Clarence Alabamas Habe vermutete, ist randvoll
mit Kokain im Wert von fünf Millionen Dollar. Was tun, sprach Zeus. Spuren
verwischen, was sonst. Und da Clarence Vater, ein Wachmann, früher Polizist,
noch immer Beziehungen zu seinen Ex-Kollegen hat, macht sich das Paar auf zu
Clifford Worley (Dennis Hopper), der seinen Sohn seit Jahren nicht mehr gesehen
hat. Clifford soll herausbekommen, ob die Polizei irgendeinen Verdacht gegen
das Paar hegt, was selbstverständlich nicht der Fall ist. Denn die Polizei
glaubt an eine Mafia-interne Auseinandersetzung. Was die beiden allerdings nicht
wissen: Der Mafiosi Vincenzo Coccotti (Christopher Walken), dem die wertvolle
Fracht gehört, hat neben der Leiche des Pimps Drexl Clarence Ausweis gefunden.
Schnell haben er und seine Lakaien Clifford gefunden, der ihnen verraten soll,
wohin sich Clarence und Alabama aus dem Staub gemacht haben. Die sind unterwegs
nach Los Angeles, um über Clarence alten Kumpel Dick Ritchie (Michael Rapaport)
das Kokain zu verkaufen. Der kennt nämlich einen Filmproduzenten (Saul
Rubinek) samt Angestelltem (Bronson Pinchot), der das Zeug möglicherweise
kaufen würde.
Inzwischen
allerdings sind auch die Cops Dimes und Nicholson (Chris Penn, Tom Sizemore)
dem wertvollen Stoff und seinen Besitzern auf die Spur bekommen. Und Coccottis
Leute, allen voran Virgil (James Gandolfini) treffen in Hollywood ein ...
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I N S Z E N I E R U N G •
„And
yet we're not too young to know
This
love will last though years may go
And
then some day they may recall
We
were not too young at all“ [1]
Je
näher sich die Geschichte Hollywood nähert, desto deutlicher werden
die Bezüge zum allseits bekannten Schmelztiegel der Filmbranche. Wir treffen
auf zwei Klischee-Cops, auf Brad Pitt, den faulen Freund Dicks namens Floyd,
der sich praktisch nur auf der Couch herum fläzt, auf Gangster, die den
Crime-Storys der 40er Jahre entsprungen zu sein scheinen, auf einen standardisierten
Mafioso, der von Christopher Walken – wenn auch nur in einem kurzen Auftritt,
bei dem Clarence’ Vater mit seinem Leben wegen seines Schweigens bezahlen muss
– grandios verkörpert wird, auf einen ebenso stereotypen Filmproduzenten
und seinen ängstlichen, leicht naiven Gehilfen. Und natürlich auf
einen entschlossenen Clarence, den Christian Slater als das verkörpert,
was er ist: als großen Jungen, der seine Träume endlich erfüllt.
„True
Romance“ – das sind die visualisierten Träume eines Heranwachsenden über
Heldenmut und Opfergeist, über Reichtum und Romantik, über Liebe und
Stärke, über Gut und Böse, wie sie eigentlich nur Quentin Tarantino
niederschreiben kann. Der Höhepunkt ist eine Szene, in der sich Gangster,
Cops, Clarence, Alabama, Donowitz, Blitzer und Dick in einem Hotelzimmer allesamt
gegenüberstehen. Die Polizisten schreien die Gangster an: „Waffen runter.“
Die Gangster schreien die Cops an. Alle schreien, alle haben Angst, alle wollen
siegen, keiner will sterben. Der Rest steht zwischen den Fronten. Dann kracht
es – und man rate, wer sich dem ganzen Spektakel mit heiler Haut entziehen kann
– true romance.
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F A Z I T •
„And
yet we're not too young to know
This
love will last though years may go
And
then some day they may recall
We
were not too young at all“ [1]
Scott
lässt keine Langeweile aufkommen. Spritzig, einfallsreich, agil, mit viel
Energie führt uns der Regisseur mit seiner Schauspielerschar zwei Stunden
durch eine komische, traurige, mal actionreiche, mal ruhige Geschichte, die
– was wir uns (fast) alle erträumen – mit einem Happyend schließt.
Christian Slater und Patricia Arquette sind die Helden unserer Träume.
Funny.
Wertung:
9 von 10 Punkten.
Ulrich
Behrens
[1]
„Too Young“ (Nat King Cole).
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Zu diesem Film gibt's im archiv mehrere Kritiken
True
Romance
(True
Romance)
USA
1993, 120 Minuten
Regie:
Tony Scott
Drehbuch:
Quentin Tarantino, Roger Avery
Musik:
Hans Zimmer
Director
of Photography: Jeffrey L. Kimball
Schnitt:
Michael Tronick, Christian Wagner
Produktionsdesign:
Benjamin Fernández, James J. Murakami, Thomas L. Roysden
Hauptdarsteller:
Christian Slater (Clarence Worley), Patricia Arquette (Alabama Whitman), Dennis
Hopper (Clifford Worley), Val Kilmer („Elvis“), Gary Oldman (Drexl Spivey),
Brad Pitt (Floyd), Christopher Walken (Vincenzo Coccotti), Bronson Pinchot (Elliot
Blitzer), Samuel L. Jackson (Big Don), Michael Rapaport (Dick Ritchie), Saul
Rubinek (Lee Donowitz), Conchata Ferrell (Mary Louise Ravencroft), James Gandolfini
(Virgil), Tom Sizemore (Cody Nicholson), Chris Penn (Nicky Dimes)
Internet
Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0108399
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