Die Truman Show
Das Leben als Show
Wenn ein Massenmedium über ein Massenmedium räsonniert, und
Manipulationstechniken beklagt, derer es sich selbst bedient, ist Skepsis
geboten.
Truman Burbank, der Held der TV-Show "Truman Show" ist auch der Held
des Films "Die Truman Show". Wir Filmzuschauer machen also im Kino genau
das, was die TV-Zuschauer im Film auch machen, und wofür sie von
Regisseur Peter Weir sanft eins auf die Finger kriegen. Woran
Poststrukturalisten ihre helle Freude haben, läßt uns erst einmal
nachdenklich die Stirn runzeln.
Darum der Reihe nach:
1.
"Der Wunsch den Mutterleib zu verlassen, war der Hauptgrund, warum er
ausgewählt wurde". Schnell ist klar, daß Truman Burbank (Jim Carrey),
über den dies irgendwann gesagt wird, nach wie vor in einem zweiten, viel größeren Mutterleib gefangen ist.
Truman, der schon all-american aussieht, lebt in Seahaven, einer
Küstenstadt, in der er ein in jeder Hinsicht vollkommenes
all-american-Spießerleben führt. "Pursuit of happiness", das in der
US-Verfassung versprochene Streben nach Glück, scheint gar nicht mehr
nötig zu sein - so happy sind alle in diesem "small town America", das so
perfekt ausgeleuchtet ist, dass nicht einmal der kleinste Schatten die
Idylle stört. Selbst die Sonnenuntergänge sind optimal wie auf der
schönsten Kitsch-Postkarte. Wäre nicht eines Tages ein Scheinwerfer vom
Himmel gekracht, vielleicht hätte Truman sein angepasstes
Konsumentenleben nie in Frage gestellt.
So aber beginnt er allmählich zu ahnen, dass etwas nicht stimmt. Der
Zuschauer weiß, warum: Alles ist Show. Bei seiner Geburt wurde Truman von
einer Vermarktungsfirma adoptiert, seitdem ist er der Hauptdarsteller
seines eigenen Lebens ("You were real. Thats it, what made you so good to
watch"), die als "Truman-Show" seit 30 Jahren non-stop in aller Welt
ausgestrahlt wird. Seahaven ist das größte TV-Studio der Welt, alle
Freunde, selbst seine Frau und seine Mutter sind nur Schauspieler. Noch
im intimsten Moment wird ihnen der neueste Dialog (inklusive kurzem
Product Placement) souffliert. Herr über diese Welt ist der Regisseur
Christof (Ed Harris), der als gottgleicher Übervater-Manipulator Tod und
Leben, Dialoge und Wetter kontrolliert.
Von diesem schrägen, diktatorengleichen und ein wenig
medientycoonhaften Papa ("In my world, you have nothing to fear") muß
Truman sich irgendwann lösen und Papa - im übertragenen Sinne, klar -
umbringen (Zu diesem Thema ein andermal mehr). Er bricht mit dem
Gehorsam, schön bibelmetaphorisch isst er vom Baum der Erkenntnis und ist
danach etwas weniger glücklich, aber dafür viel freier. Die Probe auf den
Ausbruch aus dem Garten Eden ("Seahaven is the way, the world should be")
geht zunächst einmal schief. Doch dann macht er's besser, nimmt ein
Schiff, das heißt wie das von Columbus, als er ausfuhr, und eine neue
Welt entdeckte. Und jetzt klappt es besser, obwohl Gott-Vater Christof
zeusmäßig alle Urgewalten entfesselt, Blitze schleudert, und beinahe den
Sohnemann umbringt - Wer mich nicht liebt, soll sterben. Der Wust
mythischer Bezüge ist kaum zu ordnen, wir arbeiten auch noch daran,
sinnvollen Sinn in alle Anspielungen zu bringen.
Jedenfalls: Auch Truman muß Amerika entdecken, und das tut er dann
auch.
2.
Der Australier Peter Weir ist einer der großen Erzähler des Kinos. Wie
in den meisten seiner früheren Geschichten (z.B.: "Der einzige Zeuge")
geht es auch hier um Selbsterfahrungsprozesse, um eine sehr
amerikanische, das heißt sehr individualistisch gedachte persönliche
Freiheit, die vom Einzelnen gegen die ganze Welt errungen werden muß.
Zugleich fragt "Die Truman-Show" auch danach, was das Ich in einer
manipulierten Massengesellschaft überhaupt sein kann. Denn Trumans
Geschichte kann man durchaus auch verstehen als Psycho-Studie über einen
Paranoiden, der nur glaubt, daß alles um ihn herum manipuliert werde, und
sein Leben eigentlich eine TV-Show sei. Vielleicht ist das sogar die
richtigere Erklärung, denn der Film ist so surreal wie ein Traum.
Mit derartigen Themen befindet sich Weir in guter Gesellschaft: Andrew
Niccol, der das Drehbuch schrieb, verfaßte schon "Gattaca". Und andere -
ansonsten ganz unterschiedliche - Hollywood-Filme fragen in diesem Jahr
nach der Identität in einer konformistischen, vor sich hin ratternden
Gesellschaftsmaschine.
Plötzlich, ganz unverhofft und in sehr unterschiedlicher Form stellen
viele US-amerikanische Filme die Frage: Was ist das Ich ?
Mit Truman Burbank wird allerdings einer zum Helden gemacht, der mit
"absoluter Nullchecker" noch höchst milde beschrieben ist. "Mit dem
sollen wir uns identifizieren ?" fragt man sich. Weir vergröbert ganz
gewaltig, sonst könnte er seine Geschichte gar nicht erzählen.
Zudem bewegt sich das alles nicht etwa in den Bahnen des klassischen
Bildungsromans, wie vorgegeben wird, denn Held Truman kann eigentlich
schon alles, weiß vieles, und das Herz sitzt sowieso auf dem rechten
Fleck. Was faul ist, ist der Staat Dänemark und der Rest der Welt.
Das ist zwar nicht richtig schlimm, aber doch mindestens so naiv, wie
Truman selbst.
Muss man hinzufügen, dass Weir teilweise brilliante Bilder setzt, die
die Relativität des Blicks deutlich machen, und dass dieser Film
ebenfalls sehr Weir-typisch viel gute, etwas intensive, etwas kitschige
Musik einsetzt?
3.
Satire- und medienkritikmäßig kommt das alles zunächst einmal natürlich
gut.
Weirs thematisch überreiche, gut unterhaltende Dialektik von Freiheit
und Glück ist in jeder Hinsicht herausragend. Am Ende steht allerdings
ein ambivalentes Happy-End: Denn dies inszeniert Weir genauso pathetisch
und mit genau den Tricks, die er zuvor ad absurdum geführt hatte.
Positiv könnte man auch tatsächlich sagen: Der Film hat uns vor der
Inszenierung schon seine eigenen Tricks erklärt, sie damit schon ad
absurdum geführt.
Aber auch das Gegenteil ist richtig: Am Ende fällt der Film hinter sein
eigenes Niveau zurück, macht er den eben aufgeklärten Zuschauer wieder
dumm und zum Gefangenen eines Kino-Mythos.
Oder populär gesprochen: Wer anderen eine Grube gräbt...
Oder gibt es doch ein Leben nach dem (TV-)Tod ?
4.
Jedenfalls lernen wir: Die richtige Welt ist hinter der falschen.
Aber die interessanteste Frage ist damit erst überhaupt angedeutet:
Baut Peter Weir hier nicht einen großen Trugschluss auf, eine riesige
platonische Lüge?
Der gute Wille zum Sein, wird gegen den bösen Schein gestellt. Fast ist
man versucht, ein Lob der Passivität zu singen, und zu sagen: Bleib doch
da, Truman, "Life is so fragile".
Es gibt kein richtiges Leben hinter dem falschen.
5.
Wo ist nur das verdammte TV-Programm ?
Rüdiger Suchsland
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.
Die Truman Show
USA 1998
Regie: Peter Weir
Kamera: Peter Biziou
Drehbuch: Andrew Niccol
Besetzung: Jim Carrey, Laura Linney, Noah Emmerich, Natascha McElhone u.a.