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Der Überfall
Roland Düringer als gescheiterter
Verbrecher, der einen Schneiderladen ausnehmen will - und dort mit Josef Hader
und Joachim Joachim Bissmeier als mißliebigen Geiseln festsitzt. Gelungene
Tragikomödie aus Österreich.
Als wäre die Lage für
Andreas Berger (Roland Düringer) - geschieden, arbeitslos, geduldete Unterkunft
bei der Familie seiner Schwester - nicht schon übel genug, steht auch noch
der Geburtstag seines Sohnes an. Um genug Geld für die fälligen Alimente
und ein paar schöne Stunden für seinen Sohn aufzutreiben, entschließt
er sich zum Überfall auf einen Supermarkt - aber dafür reichen die
Nerven nicht. Seine Panik verschlägt ihn in die Schneiderei nebenan, wo
der Inhaber Josef Böckl (Joachim Bissmeier) gerade an einer Hose für
Dauerkunde Werner Kopper (Josef Hader) herumschustert. Der entnervte Andreas
will eigentlich nur das bißchen Geld aus der Kasse und dann gleich verschwinden
- aber inzwischen ist der Supermarkt gegenüber tatsächlich überfallen
worden und die Polizei hat den Häuserblock abgesperrt. Und da sitzen die
drei Kleinbürger nun auf engstem Raum fest und machen sich alsbald das
Leben zur Hölle. Unter ständig wechselnden Allianzen und dem Druck
der Extremsituation versuchen sie durch den Tag zu kommen...
Ein Kammerspiel in Cinemascope
für drei Personen aus Österreich - Florian Flicker, bisher mit den
Achtungserfolgen Halbe
Welt und
Suzie Washington aufgefallen, setzt sich mit Der Überfall wieder vom provinziellen Kinobetrieb
des Landes ab. Zwei seiner Hauptdarsteller - Roland Düringer und Josef
Hader - zählen zu den erfolgreichsten Kabarettisten Österreichs, doch
dieser Film ist von der fernsehhaften Flapsigkeit und schludrigen Inszenierung
des üblichen Kabarettfilms weit entfernt. Hier werden auf engstem Raum
die drückende Intensivierung eines Theaterstücks und das komische
Potential der Schaupieler zusammengebracht, ohne alles an den einfachen Witz
zu verraten.
Schon in der Eröffnungssequenz
läuft nichts so wie es soll: Wie noch weitere Male im Verlauf des Films,
erweist sich ein versuchtes Verbrechen von Andreas (mit fatalem Ausgang) als
Alptraumvision des Konstantversagers. Flicker inszeniert, bevor es ans Eingemachte
geht, ein kleines Ballett laufender Turnschuhe zu Popmusik. Die Turnschuhe sind
abgetragen, und für ihren Träger sieht es auch nicht eben schick aus.
Roland Düringer verzichtet auf das Farcenhafte seiner Bühnenpräsenz
und lässt seinem Prolet aus dem zweiten Hieb einen letzten Rest trauriger
Würde: Sicher ist da die Clownnase fürs Überfallsinkognito und
die rote Perücke wirkt wie die letzte Verhöhnungsrequisite aus einem
De Palma-Film, aber an der ehrlichen Zuneigung zum Sohn besteht kein Zweifel.
Sonst hätte er ja auch nicht den lachhaften Spielzeugroboter für dessen
Geburtstag besorgt.
Als wären sein Versagerstatus
und die Bereitschaft zur Verzweiflungstat nicht schlimm genug, tut ihm das Drehbuch
aber das Ärgste an: Er wird mit Seinesgleichen zusammengesperrt. Bühnenveteran
Joachim Bißmeier etwa, der als Schneidermeister Böckl gleich mal
ein Vierterl zum Frühstück runterlässt, und eigentlich herzlich
wenig Interesse an seiner Arbeit zeigt (was wohl auch die strategisch versteckte
Pornosammlung in seiner beengten Kaschemme erklärt). Was dem Kunden Kopper
- einem wegen Herzbeschwerden pensionierten Postler - eigentlich ins Auge springen
müsste, hätte er nicht selbst zuviel Zeit. So hat er schon die Jause
mit, den Inhalator zur Hand und immer ein wenig den verschlagenen Unmut des
Kleinbürgers im Gesicht. Josef Hader spielt Kopper und trotz zweier kongenialer
Partner ist seine Darstellung die eindrücklichste des Films. Wo die anderen
beiden die harten Kanten der Unterschicht an der Oberfläche tragen, gibt
Hader den verweichlichten Kleinkrämer mit perfektionistischer Peinlichkeit:
Einmal reihert er ins Waschbecken und starrt dem langsam ablaufenden Sud nach
- als es dann doch zu lange dauert, kann er nicht widerstehen und stochert mit
dem Finger nach. Der Praktiker ohne Hemmungen vor der eigenen Unwürdigkeit.
Die bildet auch das eigentliche
Zentrum des Films - obwohl Flicker gelegentlich auf krimihafte Züge setzt
(und das gut, wenn auch nicht überragend macht), kreist Der Überfall um die seit Helmut Qualtinger
obligatorische Dekonstruktion des Kleinbürgers als Komödie (und präsentiert
sich damit auch als erfreuliches kommerzielles Gegenstück zum bisher besten
österreichischen Film des Jahres - der bezeichnenderweise kein Film ist,
sondern eine Videoarbeit namens Aufzeichnungen aus dem Tiefparterre: Ein Titel, der auch Flickers Werk nicht schlecht angestanden
wäre). Dabei läßt er seinen Darstellern genug Freiraum für
improvisatorische Glanzlichter, aber er läßt die Zügel nie soweit
schießen, dass es zum Schaden des Films wäre. In immer abartigeren
Wendungen umkreisen sich die drei Außenseiter (Düringers Status als
Bedrohung verpufft alsbald) und versuchen gegen die angespannte Stimmung zu
kommunizieren - mal vergeblich, mal mit schwachem Erfolg, mal aggressiv, manchmal
versöhnlich - und dabei kommen dann die dunklen Triebfedern durch. Der
verschüchterte Kopper horcht gleich auf, als das Gerede auf die Nazizeit
kommt - da kenne er sich aus, da habe er viel drüber gelesen - und in bester
Stammtischmanier bringt er die anderen mit aus dem Hut gezauberten Argumenten
zum Schweigen.
Solche Boshaftigkeit blitzt in
Der Überfall natürlich nur gelegentlich
auf - zum einen kann sich Flicker nicht der Sympathie für die Figuren entziehen,
kommt aber auch nie in Gefahr, sie zu romantisieren - dazwischen zeigt sich
seine Handlung als nicht eben originelle, aber souverän verfertigte Meditation
über die Ängste in den Randzonen der Vorstadt. Am Ende wird eine der
Hauptfiguren erschossen - und sie stirbt mit einem Lächeln im Gesicht:
Jetzt sind die Probleme vorbei, davor wälzt sich diese erfreuliche Kinoüberraschung
als verschlagenes Humorprodukt in ihren lächerlichen Möglichkeiten.
"Als eine spezielle Qualität des Films empfinde ich, dass darin so
unklar bleibt, ob es sich um eine sehr witzige Tragödie oder eine traurige,
brutale Komödie handelt", so Josef Hader. Er hat recht - bevor Der Überfall bei seinem etwas erwartbaren Ende
ankommt, schlüpft er schlanke 84 Minuten zwischen den beiden Polen hin
und her, gerade lange genug, um jegliche Plattheit zu vermeiden. Fazit: Krimikomödie
als Kleinbürgeralptraum - ein solide verfertigtes Dreipersonenstück,
das durch seine hervorragenden Schauspieler und die dazughörige nuancierte
Inszenierung gefällt.
Christoph Huber
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.allesfilm.com
Der Überfall
Österreich 2000 - Regie: Florian Flicker - Darsteller: Roland
Düringer, Josef Hader, Joachim Bißmeier, Ulrike Beimpold, Klaus Ortner,
Sonja Romei, Ina Halmagyi, Roswitha Soukup, Carmen Loley, Johanna Tomek, Thomas
Freudensprung - Länge: 84 min. - Start: 15.11.2001
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