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Über
Wasser
Der Dokumentarfilm "Über Wasser"
berichtet von sehr unterschiedlichen Wasserproblemen in Bangladesch, Kasachstan
und Kenia.
Der Titel verspricht nicht zu viel und auch
nicht zu wenig: "Über Wasser". Genau darum geht es, in Triptychon-Form.
Über Wasser eins: Bangladesch. Über Wasser zwei: Kasachstan. Über
Wasser drei: Kenia. Über Wasser eins, Bangladesch: Zu viel Wasser. Über
Wasser zwei, Kasachstan: Zu wenig Wasser. Über Wasser drei, Kenia: Zu teures
Wasser. Die Kamera nimmt uns mit auf die Reise.
Also sind wir in Bangladesch. Wasser frisst
das Land und Grund und Boden, von denen die Bewohner des am dichtesten bevölkerten
Landes der Erde leben. Beweglich sind alle Güter, die sie besitzen. Die
Häuser vor allem: Stange, Stange, Decke, Wand; alles komplett und schnell
zu verfrachten auf Boote und am anderen, nicht überschwemmten Ort umstandslos
wieder zu errichten. Die Männer, die Frauen hocken in der Mitte des Bildes
und schildern ihr Leben, ihr Schicksal, eine Ehefrau klagt auch über die
Faulheit der Ehemänner. Alle kämpfen sie gegen die Widrigkeiten der
Natur, aber die Ohnmacht gegenüber dem Wasser, das alles verschlingt, ist
groß.
Also sind wir in Kasachstan. Auf dem trockenen,
staubigen Land stehen Schiffe. Schiffe auf dem Trockenen, ein alter Mann wandert
etwas verloren zwischen ihnen herum, geht dann an Bord einer der rostigen Ruinen,
sagt: "Mein Schiff" und imitiert mit den Händen die Gischt, die
sich vorzustellen die Fantasie hier auf dem Trockenen für den Betrachter
kaum reicht. Hier war eine Hafenstadt vor wenigen Jahrzehnten, hier lebten einst
sechzigtausend Menschen, hier war, damals, der Aralsee und hier wurden Fische
gefangen und in die Welt geschickt. Ein Bewässerungsplan für die Wüste
am anderen Ort hat den Aralsee austrocknen lassen, fünfzig Prozent seiner
Fläche sind verschwunden, die einstige Hafenstadt ist verlassen und selber
nun Wüste, alle sind arbeitslos, die Ohnmacht ist groß.
Also sind wir in Kenia. In Kibera, genauer
gesagt, dem größten Slum des Landes, Teil von Nairobi, Lebensraum
für 1,4 Millionen Menschen. Es gibt hier nicht mehr als fünfzehn Wasserstellen,
offiziell, und viele weitere illegale, gegen die die Wasserverwaltung nichts
unternimmt. Das Wasser ist teuer, es fließt nicht immer, manchmal sind
die Bewohner stundenlang unterwegs mit ihren Kanistern. An den Leitungen sitzen
Männer, die bei ihren Kunden kassieren, sie leben davon, es scheint ein
einträgliches Geschäft. Ein anderer, der ein Restaurant betreibt,
träumt von der Zeit, die er hätte für andere Dinge, müsste
er nicht das Wasser besorgen auf langen Wegen durch Kibera, stundenlang. Er
erzählt auch, wie er einen Dieb ermordet hat, an einen Reifen gebunden
und angezündet und er erklärt, warum das die einzig richtige Art ist,
mit Dieben umzugehen.
Also waren wir in der ganzen Welt unterwegs.
Wir haben Bilder gesehen und Dinge gelernt. "Über Wasser" ist
Teil einer neuen Dokumentarfilmschule fürs Kino, die uns im Westen vor
Augen führt, wie es anderswo aussieht und zugeht. "Über Wasser"
ist weniger manipulativ als etwa Hubert Saupers "Darwins
Alptraum", er ist weniger
in seine schaurig-schönen Bilder verliebt als "Workingman's
Death" (dessen Regisseur
Michael Glawogger an der Konzeption von "Über Wasser" beteiligt
war). Es ist, wie auch Sigmar Gabriel und die Klima-Allianz meinen, die den
Film unterstützen, gegen eine solche Massierung des guten Willens rein
gar nichts zu sagen. Zitieren wir den Filmkritiker Gabriel: "Ich bin überzeugt,
dass dieser Film nicht nur das Verständnis vieler Menschen in Deutschland
für ein so fundamental wichtiges Thema vergrößert, sondern auch
die persönliche Haltung zu natürlichen Ressourcen nachhaltig verändert.
Dem Film gelingt es, sowohl emotional zu faszinieren als auch rationale Aufklärungsarbeit
zu leisten."
In Wahrheit ist es aber so, dass all diese
Filme in blindem - strukturblindem, ökonomievergessenem - Glauben an die
Evidenz ihrer Bilder und die Dignität ihrer Anliegen niemandem wehtun.
Sie sind die ökologische Bewirtschaftung unseres schlechten Gewissens.
Sie sind die Schlechtfühl-Feelgood-Movies der westlichen Postmaterialisten.
In ihrer Angst, es sich und dem Betrachter - durch Denkanstrengung, unschöne
Empörung, konsequentes Fragen nach Verantwortlichkeiten - allzu unbequem
zu machen, sind sie im Grunde sogar zum Kotzen.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 18.06.2008 bei: www.perlentaucher.de
Über
Wasser
Österreich / Luxemburg 2007 - Regie: Udo Maurer - Darsteller: Dokumentation - FSK: ohne Altersbeschränkung - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 85 min. - Start: 19.6.2008
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