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Undercover
Blues
Wenn
ein Film unterhalten will und nichts als unterhalten und wenn er hierfür
die Klischees des Genres nicht benutzt, sondern lustvoll kenntlich macht, und
wenn hierbei kein Auge trocken und kein Wunsch unerfüllt bleibt, dann sprechen
wir von UNDERCOVER BLUES und applaudieren dem Drehbuchdebütanten lan Abrams
und selbstredend allen anderen, vor allem aber der Familie Blue, und zwar als
erster der kleinen Jane Louise, gespielt von dem zweieinhalbjährigen Star
Michelle Schuelke, sowie den glücklichen - und vorsätzlich dem Ideal
entsprechenden - Eltern Jane (Kathleen Turner) und Jeff (Dennis Quaid). "Ich
bin stolz auf meine Familie", sagt Jeff zu Jane strahlend, und Jane Louise
gluckst vor Vergnügen.
Plakativer
geht's nimmer, und deshalb ist UNDERCOVER BLUES ein gespielter Comic, auch geht
ihm jeder Ernst ab, - obwohl die zärtlichen Eltern auf unangenehme, ja
brutale Weise von ihrer Vergangenheit eingeholt werden. Den beiden Blues, zuvor
verdeckte Ermittler im Osteinsatz, wird am Urlaubsort New Orleans die dort beheimatete
Musik vorgeblasen. Aber auch die tschechoslowakische Top-terroristin Novacek
(Fiona Shaw) bläst zum Angriff, und da die Shaw ihre begnadete osteuropäische
Extravaganz bis zum Anschlag ausreizt, gelingt es ihr, die Standardklischees
der unamerikanisch-fatalen Widersacher-Frau aufs Witzigste und hoffentlich auch
Nachhaltigste zu knacken. Wir verstehen daher, und billigen dies, daß
die Blues-Eltern, nunmehr dienstlich verwickelt, das Kleinkind Jane Louise zu
diesen Knackpunkten mitnehmen, damit dieses etwas zu sehen bekommt und sich
freuen kann und glucksen vor Vergnügen, auch wenn der Film gar nicht für
Kinder freigegeben ist, weil die Mediengewalt von UNDERCOVER BLUES nicht altersgerecht
und daher politisch nicht korrekt ist.
Mit
diesen, die argumentativen Ebenen unzulässig wechselnden Sätzen, soll
versuchsweise zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Film wie UNDERCOVER
BLUES auf begrüßenswerte Weise die Klischees der Rezeption, Bewertung
und Kritik bedroht. Zum Beispiel könnte man sich unschwer vorstellen, daß
der Film selbst in der Filmbewertungsstelle kein Prädikat bekommt ("unkorrekt")
oder im Gegenteil gleich ein besonders wertvolles (mit der gleichen Begründung,
aber jetzt im positiven Sinne: "unkorrekt"). Da die Darstellung des
Unkorrekten mehr zum Lachen gibt als das Gegenteil, blamiert sich im Film der
jugendliche Macho-Streetfighter-Typ namens Muerte (Stanley Tucci) bis auf die
Knochen, womit das Klischee des jungen Sylvester Stallone, des ernsthaften,
von sich so überaus erfüllten Im-Namen-von-was-weiß-ich Handelnden,
in Tuccis Darstellung zu dem kenntlich gemacht wird, was wir schon damals in
den ersten Stallone-Filmen hätten sehen sollen: einen Comic-Popanz.
Also
gibt es in UNDERCOVER BLUES etwas zu lachen (was heißt: etwas? - unablässig
zu lachen:) nicht (nur) über andere, sondern fleißig über den
Filmklischee-Rezipienten, also über uns. Somit haben all die, die so etwas
brauchen, die Erlaubnis, an diesem Film Spaß zu haben. Und sie werden
bemerken, hoffe ich, daß der Film ein geradezu sinnliches Vergnügen
ist: Leicht und mühelos geschnitten, in den Dialogen pointiert bis frivol
(die Dialogkunst unseres Traumpaares vom DÜNNEN MANN, William Powell/Myrna
Loy ist nicht fern), in der Aktion ebenso überraschend wie erleichternd
den dramaturgisch vorgezeichneten Pfad des Genres verlassend und deskriptiv
verweilend, nur um die Spannung wieder anzuziehen und in den nächsten Galopp
zu verfallen. Wer hier die korrekten Regeln der sogenannten
Dietrich
Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
UNDERCOVER
BLUES
USA
1993. R: Herbert Ross. B: lan Abrams. P: Mike Lobell.
K:
Donald E. Thorin. Sch: Priscilla Nedd-Friendly. M: David
Newman.
T:
Dennis L. Maitland. A: Ken Adam, William J.
Durell
Jr. Ko: Wayne Finkelman. Pg:
MGM. V: UIP. L:
89 Min.
FSK:
12, ffr. St:
2D.1.1994. D: Kathleen Turner (Jane Blue),
Dennis
Quaid (Jeff Blue), Fiona Shaw (Novacek), Stanley Tucci
(Muerte),
Larry Miller (Halsey), Obba Babatunde (Sawyer), Tom
Arnold
(Ven Newman), Park Overall (Bonnie Newman).
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