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Der
unglaubliche Hulk
Alles,
nur kein Kassenflop
Der Comickonzern Marvel geht mit der
Neuverfilmung von "Der unglaubliche Hulk" auf Nummer sicher - Action-Regisseur Louis Leterrier setzt
auf schnörkelloses Actionkino.
An keinem Filmgenre lässt sich die
schleichende Konvergenz von Form und Vermarktung besser exemplifizieren als
an der Comic-Verfilmung. Comic-Adaptionen sind gemäß ihrer ökonomischen
Logik die kongeniale Umsetzung des Blockbuster-Prinzips: Sie besitzen hohen
Wiedererkennungswert, garantieren eine enge Publikumsbindung, gewährleisten
endlose Wiederholbarkeit und setzen monetäre Synergien frei. Kein Wunder
also, dass sich die lahmende Filmindustrie mit aller Kraft an diesen Strohhalm
klammert. Der neueste Marvel-Film gehört neben der obligaten Bestsellerverfilmung
längst zum Sommer-Repertoire der großen Studios. Das
Franchise ist die einzige sichere Größe, mit der die amerikanische
Filmindustrie momentan kalkulieren kann. Geht in der Verwertungskette dann mal
etwas schief, läuten in Hollywood die Alarmglocken.
Die Marvel-Verfilmung "Der unglaubliche
Hulk" des französischen Action-Regisseurs Louis Leterrier kommt unter
diesen Umständen nicht überraschend, wenn sie auch ein Novum darstellt.
Denn der zweite Hulk-Film in fünf Jahren ist nicht als Sequel zu Ang Lees Version von 2003 angelegt; Leterrier hat mit
allem gebrochen, was Lee seinem Hulk mit auf den Weg gegeben hat. So war es
nur konsequent, dass man sich bei Marvel dazu entschloss, die Hauptdarsteller
gleich mit auszuwechseln. Edward Norton übernimmt in "Der unglaubliche
Hulk" die Rolle des Wissenschaftlers Bruce Banner, des Mannes also, der
seit einem missglückten Selbstversuch zu einem grünen Riesen wird,
sobald sein Blutdruck steigt. In Ang Lees Film spielte Eric Bana den Hulk. Ein
gleichwertiger Tausch ist es allemal; Norton wie Bana verfügen über
die schauspielerische Intelligenz, einer eindimensionalen Comicfigur wie dem
Hulk etwas Leben einzuhauchen. Trotzdem ist der Schritt bemerkenswert, deutet
er doch auf einen Paradigmenwechsel im Hause Marvel hin.
Für Marvel kam Ang Lees Hulk-Verfilmung
vor einigen Jahren einem Super-GAU gleich. Ursprünglich war der Hulk neben
Spiderman und den X-Men als drittes großes
Franchise unter dem Marvel-Logo gedacht. Dem jedoch stand die künstlerische
Hybris Lees im Weg, der etwas Neues versuchen wollte: einen Comic-Helden mit
Gewissensbissen, einen brütenden, komplexbeladenen Kopfmenschen, der an
seinen unkontrollierten Superkräften schier verzweifelt. Rückblickend
zählt Ang Lees "Hulk" sicher zu den bizarrsten Blockbustern der
vergangenen Jahren. Der Film pendelt so hoffnungslos
unentschlossen zwischen menschlichem Drama und Comic-Ästhetik hin und her,
dass der Kassenflop programmiert war. Ang Lee gelang ein Kunststück, das
in Hollywood eigentlich mit Berufsverbot bestraft wird: Er hatte ein hundertprozentig
sicheres Franchise gekillt, bevor es überhaupt in Schwung gekommen war.
Leterriers "Der unglaubliche Hulk"
macht hier reinen Tisch, als hätte es Ang Lees Versuch nie gegeben. Der
direkte Vergleich beider Filme zeigt dann auch, wo die Prioritäten zukünftiger
"Hulk"-Sequels liegen werden: im schnörkellosen, kinetischen
Actionkino mit konventionell dreiteiligem Aufbau, wie Leterrier es von seinen
"Transporter"-Filmen gelernt hat, eine sehr erfolgreiche Action-Film-Trilogie.
Etwas instinktlos zwar, aber durchaus unterhaltsam. Natürlich war Lees
Adaption in ihrem Scheitern immer noch um Längen interessanter, doch man
merkte dem Film auch den grundsätzlichen Unwillen seines Regisseurs an,
sich auf ein selbstreferenzielles Popcorn-Spektakel einzulassen.
Lees "Hulk" wirkte seltsam geschichtslos.
Dieses Manko ist mit "Der unglaubliche Hulk" nun behoben. Leterrier
hat den großen Grünen wieder in den Gesamtzusammenhang einer immer
auch etwas piefigen, popkulturellen Erfahrung zurückgeholt, die sich interessanterweise
mehr aus der gleichnamigen Fernsehserie mit Lou Ferrigno als aus den Comics
speist (die Titelsequenz zum Beispiel ist ein direktes Zitat der Serie). Der
Bezug auf eine verbindendes und verbindliches
Element hat zunächst strategische Gründe, denn es geht um nicht weniger,
als das "Hulk"-Franchise für die Zukunft zu wappnen.
"Der unglaubliche Hulk" ist
nach "Iron
Man" die zweite Produktion
der neu gegründeten Marvel-Studios. Dieser Schritt war nur folgerichtig,
weil er dem Konzern zukünftig mehr Entscheidungsgewalt über die eigenen
Stoffe verschafft, damit ein Fauxpas wie die Verfilmung von Lee so schnell nicht
wieder passiert. Zudem liegt es im Interesse Marvels, weiteren Superhelden-Filmen
ein einheitlicheres Profil zu verschaffen. ("The Avengers" und "Nick
Fury" sollen sich bereits in der Entwicklungsphase befinden.) Das Cameo
von "Iron Man" Tony Stark (Robert Downey jr.) am Ende von "Der
unglaubliche Hulk" ist in diesem Zusammenhang wohl richtungsweisend.
Es ist ein deutliches Signal, dass Marvel
in den kommenden Jahren seine Marktanteile gern weiter ausbauen möchte
- möglicherweise auch mit Super-Franchises: Hulk versus Iron Man. Insofern
ist es für Marvel eine gute Nachricht, dass der Launch der "Hulk"-Verwertungskette
im zweiten Anlauf doch noch geglückt ist.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Der
unglaubliche Hulk
USA
2008 - Originaltitel: The Incredible Hulk - Regie: Louis Leterrier - Darsteller:
Edward Norton, Liv Tyler, Tim Roth, Tim Blake Nelson, Ty Burrell, William Hurt,
Christina Cabot, Peter Mensah, Paul Soles - FSK: ab 12 / ab 16 (ungeschnFs)
- Länge: 110 min. - Start: 10.7.2008
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