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Unkenrufe
Robert Glinski
verfilmt eine Erzählung von Günter Grass
Es ist ein überall sich ausbreitendes
Phänomen: Das Fernsehen wird zum wichtigsten Koproduzenten für Kinofilme,
die dann für beide Zwecke zugeschnitten sein müssen - sowohl für
den für deutsche Filme nicht einfachen Kinostart als auch für die
TV-Ausstrahlung. Nicht immer bekommt das Multitasking dem Produkt. Im Fall der
Unkenrufe sieht es gar wie eine verpasste
Chance aus. Der Film passt so perfekt ins öffentlich-rechtliche Fernsehen,
mit den etwas reiferen Hauptpersonen und dem humorvoll abgehandelten Zeitgeschichts-Thema,
dass man im Kino zwangsläufig um ihn fürchtet.
Das ist nicht abschätzig
gemeint. Der Film zeigt eindrücklich, was das Fernsehen dem deutschen Kino
oft voraus hat. Während dort erwachsene Figuren entweder nur in Nebenrollen
oder als Extreme besetzt werden, ist der Fernsehfilm in ARD und ZDF das letzte
Refugium, in dem erfahrene Schauspieler alltägliche Charaktere darstellen.
Mit der Besetzung von Matthias Habich und Krystyna Janda in den Hauptrollen
ist den Produzenten der Unkenrufe dazu noch ein regelrechter Coup gelungen. Sie ergeben auf dem
Bildschirm ein wundervolles Paar.
So macht die bodenständige
Romanze zwischen den beiden den Film bereits sehenswert. Sie beginnt auf dem
Marktplatz von Danzig, es ist 1989, der Fall der Mauer steht noch bevor. Alexander
Reschke (Habich) ist in seine Geburtsstadt zurückgekehrt, um nach Kunstdenkmälern
zu suchen. Der Anblick eines zu Boden gefallenen Pilzes versetzt ihn in eine
Art Erinnerungstrance; mit jungenhafter Zerstörungslust tritt er ihn zu
Brei. Das ist keine nette Geste für einen älteren Herrn, und dementsprechend
ungehalten reagiert die Restauratorin Aleksandra Piatkowska (Janda). Das einsetzende
Geplänkel, oberflächlich ein Austausch feindseliger Scharfzüngigkeiten,
verrät jedoch sehr schnell: Die beiden mögen sich.
Sie haben auch eine Menge gemeinsam:
den Vornamen, den verwitweten Familienstand und dass sie beide aus dem Osten
Vertriebene sind: Aleksandra aus Wilna nach Danzig; Alexander aus Danzig nach
Westdeutschland. Mit vollendeter Leichtigkeit unterspielen die Darsteller, was
die literarische Vorlage ihnen da an Doppelsinn alles aufgeladen hat. Wenn sie
sich vom innigsten Wunsch ihrer Eltern erzählen, scheint ihre Überraschung
über die Übereinstimmung vollkommen natürlich. In der Heimaterde
wollten sie begraben sein! Als die spröde Aleksandra und der sperrige Alexander
sich zuprosten, ist die Idee geboren: ein deutsch-polnischer, nein - "Ihr
habt den Krieg begonnen!" - besser polnisch-deutscher Versöhnungsfriedhof
muss her. Nonchalant liefert der Film auf diese Weise gleich die Etymologie
des Wortes Schnapsidee mit.
Man weiß, auch ohne die
dazwischen geschnittenen Aufnahmen einer Unke, dass das nicht gut gehen kann.
In flott geschnittenen Szenen wird zunächst vorgeführt, wie schnell
sich geeignete Investoren im Westen und kooperationswillige Beamte im Osten
finden. Als das Geschäft läuft, kommt der Film jedoch zunehmend aus
dem Tritt. Die hochkarätig besetzten Nebenfiguren (darunter Udo Samel und
Joachim Król) erhalten nie genügend Raum, um übers Karikieren
hinauszukommen. Griffig satirisch und deshalb allzu gefällig handelt der
Film die fatale Begegnung von reaktionärem deutschem Vertriebenentum und
polnischen Empfindsamkeiten ab. Von Regisseur Robert Glinski, der zuletzt mit
einem tief düsteren Film über eine gewalttätige Jugendliche,
Hi, Tereska, Furore machte, hätte man
da etwas weniger Fernsehgerechtes erwartet.
Barbara Schweizerhof
Robert Glinski
nähert sich auf satirische Art dem Grass-Thema der deutsch-polnischen Beziehungen.
Ein leider etwas zu gefälliger Film, der allerdings durch seine Besetzung
- ein wunderbares Paar: Habich und Janda - besticht.
Dieser Text ist zuerst
erschienen in: epd Film
Unkenrufe
Deutschland/Polen 2005. R: Robert Glinski. B: Klaus Richter, Cezary Harasimowicz, Pawel Huelle (nach der gleichnamigen Erzählung von Günter Grass). P: Regina Ziegler, Henryk Romanowsi. K: Jacik Petrycki. Sch: Krzysztof Szeptmanski. A: Jochen Schumacher, Robert Czesak. Ko: Bea Gossmann, Anja Kilianska. Pg: Ziegler/Filmcontract/ Film and Music Entertainment/Degeto/Telewizja. V: NFP. L: 90 Min. FSK: 6, ff. FBW: besonders wertvoll. Da: Krystyna Janda (Aleksandra Piatkowska), Matthias Habich (Alexander Reschke), Dorothea Walda (Erna Brakup), Bhasker Patel (Chatterjee), Udo Samel (Vielbrand), Joachim Król (Karau).
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