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Untersuchung
an Mädeln
Ein Film aus Österreich und ein ziemlich schräger
dazu. Ein Glück für uns, dass es Regisseur Peter Payer, der den gleichnamigen
Roman von Albert Drach verfilmte, verstanden hat, einen Justizfall als süffisante
Abrechnung mit den Vorurteilen über Männer und Frauen zu inszenieren.
Um es gleich zu sagen: So wünschte man sich,
dass Filme wären. Zwar gibt es einen Text als Vorgabe, gar einen richtig
guten Roman gleichen Titels, also eine Literaturverfilmung? Und das eben nicht,
denn den Off-Monologen des genialen Autors Albert Drach wird in diesem aufregend-munteren
Film eine Rolle zugewiesen: eine neben anderen.
Wir hören die quarzende Stimme des verbiesterten Untersuchungsrichters
(Otto Sander); ihr steht gegenüber alles, was filmisch ist: Bilder, Montagen,
Farb- und Stimmungswechsel, Töne, Musik, Leichtigkeit, Gutdraufsein-gegen-alles,
die Gedanken sind frei. Die Freiheit, die Fröhlichkeit, die Unbekümmertheit
- schön verkörpert durch die beiden Mädchen (Anna Thalbach und
Elke Winkens), die allerdings im Gefängnis einsitzen, wo aber die angenehmen
Rückblenden aufblitzen.
Frauen, die ein Sexleben haben, sind auch des Mordes verdächtig.
Das ist so im Land der Backhendlkultur. Ja, Regisseur Peter Payer weiß,
was Rollenspiel ist. Und Theatralik. In seinem Fall ist das ein großes
Plus. Denn die Frauen spielen sich ganz nach vorn. Sie sind quicklebendig. Auch
wenn sie in der Zelle sitzen. And the Winners are Anna Thalbach und Elke Winkens.
Ihr geil-verkorkster Richter flüchtet sich in Maso-Phantasien: "Ich
muss einen Prozess führen gegen mich selbst, und das Ergebnis steht fest".
Häftling Anna Thalbach kommentiert: "Die Welt gehört Männern.
Frauen sind nur so dabei. Es bleibt die schwache Erinnerung an Samenerguss und
ein Gerichtsurteil".
Der Film macht Wut; einerseits. Andererseits hört sich das Schlusswort
(es ist eins!) auf unbegreifliche, eventuell filmische Weise, munter und zuversichtlich
an. Das Text- und Justizsystem, in seiner verklemmten Amtssprache, ist, wenn
man die Frauen sieht, ausgehöhlt und kurz vor dem Kollaps. Ohne dass dies
noch extra ausgesprochen werden müsste. Die besonders dicke Vollzugsbeamtin,
von der man dachte, dass sie supereklig sein müsste, schenkt der angeblichen
Mörderin ein Zigarette und gibt ihr Feuer, dann stimmt sie in das Lied
ein, das die Häftlingsfrauen singen, mit satter Stimme. Das ist stark.
Das tut gut.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen: bei kino kino (Bayerisches Fernsehen)
Untersuchung
an Mädeln
(Österreich,
1999)
Regie:
Peter Payer; Darsteller: Otto Sander, Anna Thalbach, Elke Winkens, Max Tidof
Kinostart:
05.04.2001
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