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Das
Urteil - Jeder ist käuflich
John
Grisham gehört - noch - zu jenen Autoren, deren Bücher eins nach dem
anderen zu Filmen werden. Sein neues Buch, „Das Urteil“, ist erst seit einigen
Wochen in deutscher Sprache auf dem Markt, da wird bereits der passende Film
nachgeliefert. Als Regisseur wurde ausgerechnet Gary Fleder engagiert, der nach
Don't
say a Word
nicht gerade in bester Erinnerung ist. Mit Don't
say a word gelang
es Fleder vor einigen Jahren, einen Film zu drehen, der zugleich an einem unsäglich
schlechte Drehbuch zu leiden hatte, und keinerlei inszenatorische Spannung bot.
Die Chancen standen also gut, mit ihm als Regisseur alles zu verlieren, was
die Vorlage an Spannung möglicherweise geboten hätte.
Ganz
so schlimm ist es dann doch nicht geworden, die Geschichte um die beiden Anwälte
Wendall Rohr (Dustin Hoffman) und Rankin Fitch (Gene Hackman) ist solide inszeniert
und bietet Hausmannskost für Grisham-gewohnte Gemüter: Rohr vertritt
eine Witwe, deren Mann bereits in den ersten Filmminuten sein Leben lassen musste
in ihrer Klage gegen den Waffenhersteller, dessen Waffe der Mörder ihres
Mannes für seinen Amoklauf benutzte. Auf der Gegenseite steht Fitch mit
einer ganzen Horde von Experten, die den Gerichtsprozess fern jeder Realität
in einem hochtechnologischen Labor, das Mission:
Impossible
alle Ehre machen würde, verfolgen. Mittendrin im Prozess hingegen sitzt
John Cusack als Nick Easter: Ein Mitglied der Jury ist er, und kurz nach Prozessbeginn läßt er beiden Anwälten
das Angebot zuspielen, für 10 Millionen Dollar das Gerichtsurteil bei ihm
einzukaufen.
Die
Urmutter aller Geschworenenfilme, Twelve
Angry Men (Die zwölf Geschworenen),
baute ihre Spannung auf, indem sie den Raum kaum verließ, in dem die Geschworenen
um Henry Fonda brüteten, der versuchte, die Unschuld eines jungen Mannes
zu beweisen, dessen Verurteilung zunächst als sicher schien. Twelve
Angry Men
war spannend, weil der Ausgang des Prozesses tatsächlich nicht von der
ersten Sekunde an fest stand, während Das
Urteil
an einem Problem krankt, das wohl eher der Vorlage von Grisham zuzuschreiben
ist (in der es übrigens nicht um Waffen, sondern um einen Tabakkonzern
geht): Grishams Universum glaubt viel zu sehr an das Gute im Menschen, als dass
es wirklich jene ernst zu nehmende Kritik am Justizapparat üben könnte,
die der Film einem vorzugaukeln versucht.
Es
ist keine echte Kritik, wenn ein korrupter Apparat gezeigt wird, der aber nie
wirklich gefährlich werden kann, weil die Menschen, aus denen er zusammengesetzt
sind, letzten Endes doch die Gerechtigkeit über den Kommerz stellen. Sicherlich
gibt es die Bösen bei Grisham, die Korrupten und Verlogenen, aber sie schaffen
es letztendlich nicht, den Apparat zu überlisten, in dem sie bereits geglaubt
hatten, sich einnisten zu können. Und weil dies von vorneherein fest steht,
weil man keinen Augenblick daran zweifelt, wer in Das
Urteil
das letzte Wort haben wird, und weil schließlich auch der Justizapparat
niemals so viel Macht akkumuliert, dass er den einzelnen Menschen einschüchtern
könnte, deshalb wird Das
Urteil
auch nie zu einem wirklich spannenden Film.
Das
zweite große Problem, das der Film mit sich herumschleppt, ist die Verlagerung
der Handlung hauptsächlich auf Orte außerhalb des Gerichts: Fleder
versucht, die ob des jederzeit offensichtlichen Ausgangs fehlende Spannung zu
kompensieren, indem er Verfolgungsjagden und Einbrüche inszeniert, aber
das ist der falsche Weg. Man hätte lieber weniger von den actionreichen
Szenen außerhalb des Gerichtssaales gesehen, die zur Entwicklung im Prozess
ohnehin kaum etwas beitragen, und sich statt dessen wie seinerzeit mit den zwölf
Geschworenen im Sitzungsraum aufgehalten. Das eigentliche Potential der Geschichte
wären die Handlungen Nick Easters gewesen, der sich durch sein Angebot
die Entscheidung der Jury zu kaufen zum manipulativen Mitentscheider macht.
Statt Wohnungen in Flammen aufgehen zu lassen und Easter durch die Straßen
der Stadt zu jagen, hätte man sicherlich mehr Spannung erzeugt, man hätte
ihm bei den Sitzungen der Geschworenen bleiben lassen und hätte dabei zugesehen,
wie eine Entscheidung manipuliert wird. So bleibt eine gradlinige, wenig spannende
Grisham-Verfilmung, deren dramatisches Potential weitgehend ungenutzt verpufft.
Benjamin
Happel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Das
Urteil - Jeder ist käuflich
(Runaway
Jury)
Regie:
Gary Fleder
USA,
2003
Kinostart:
25. März 2004
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