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Van
Helsing
Klassentreffen
der Filmmonster
Die
Geschichte des modernen Horror-Films beginnt 1931; in diesem Jahr brachten die
Universal Studios mit Dracula
und Frankenstein
zwei Filme heraus, die das Genre für Jahrzehnte prägen und ihre jeweiligen
Stars Bela Lugosi und Boris Karloff zu Ikonen der Filmgeschichte machen sollten.
Die beiden Gruselstreifen waren so erfolgreich, dass das Studio schon bald eine
Reihe von Fortsetzungen und ähnlich gelagerten Filmen nachschob: Dracula’s
Daughter, The Bride of Frankenstein, The Wolf Man
und wie sie alle hiessen. Und als den Studiobossen gar nichts mehr einfiel,
liessen sie die verschiedenen Monster gegeneinander antreten, das Ergebnis waren
Streifen wie Frankenstein
Meets the Wolf Man.
Gut
70 Jahre später scheint man bei Universal nicht sehr viel einfallsreicher
geworden zu sein: Was uns das Studio mit Van
Helsing
auftischt, ist lediglich ein High-Tech-Aufguss des altbekannten Gebräus.
Mit Dracula, Frankensteins Kreatur und dem Wolf Man gibt es gleich der Monster
aufs Mal; gejagt werden sie von Van Helsing, einer Figur, die ursprünglich
Bram Stokers originalem Dracula-Roman entstammt, mit dem viktorianischen James
Bond des Films aber nur noch den Namen gemeinsam hat.
Mit
der Vorlagentreue nimmt es das Drehbuch ohnehin nicht so genau. Frankenstein
– in Mary Shelleys Original noch am Genfersee beheimatet – geht neuerdings in
Transsylvanien seinen gottlosen Experimenten nach; im Auftrag von Dracula persönlich
notabene. Der blutsaugende Graf will mit Frankensteins Hilfe Kinder zeugen –
der Horrorfilm als Plädoyer gegen die Fortpflanzungstechnologie?
Aber
Dracula hat die Rechnung ohne Van Helsing gemacht, der im Namen einer ökumenischen
Geheimorganisation mit Sitz im Petersdom Jagd auf das Böse macht. Der Film
setzt ein, als Van Helsing – dargestellt von Hugh Jackman, der dank seiner Rolle
in X-Men
ja Erfahrung mit Monstern aller Art hat – in Paris Mr. Hyde zur Strecke bringt
(wie der von London nach Paris gekommen ist, wissen die Götter). In Begleitung
des ängstlichen Mönchs Carl (David Wenham), einer Mischung aus Q und
Dr. Watson, der ihn fortlaufend mit Wunderwaffen und guten Ratschlägen
versorgt, geht es nach Transsylvanien, wo die Zigeunerprinzessin Anna (Kate
Beckinsale) wartet.
Van
Helsing
ist ein weiterer Versuch, das Horrorgenre mit einer tüchtigen Dosis Action
und viel Computergraphik fit fürs 21. Jahrhundert zu machen, ein Unterfangen,
das Regisseur Stephen Sommers bereits bei The
Mummy
und The
Mummy Returns
grossen Publikumserfolg beschert hat. Schon bei diesen beiden Filmen galt, dass
Lärm Logik jederzeit ersetzen kann, und Van
Helsing
gerät endgültig zur filmischen Leichenfledderei; den Anspruch, eine
kohärente, halbwegs intelligente Geschichte zu erzählen, hat man definitiv
aufgegeben. Hugh Jackman darf ein bisschen grimmig dreinschauen, Kate Beckinsale
muss wie im ähnlich gestrickten Underworld
vor allem ihre extravagante Garderobe vorführen, den Rest machen die Computergraphiker.
Spezialeffekte allein – diese Erkenntnis ist nun wirklich nicht neu – tragen
aber keinen Film, und so herrscht statt wohl dosiertem Gruseln bald einmal nur
dröhnende Langeweile. Richtig lustig wird’s nur, wenn der Film seine Prüderie
zur Schau stellt, etwa bei Draculas fliegenden Vampirbräuten, deren Brustwarzen
fein säuberlich wegretuschiert wurden.
Simon
Spiegel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Van
Helsing
USA
2004 - Regie: Stephen Sommers - Darsteller: Hugh Jackman, Kate Beckinsale, David
Wenham, Richard Roxburgh, Shuler Hensley, Elena Anaya, Kevin J. O'Connor, Silvia
Colloca, Will Kemp, Robbie Coltrane - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 -
Länge: 131 min. - Start: 6.5.2004
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