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Vanity
Fair - Jahrmarkt der Eitelkeit
Ringelpiez
Weder
existiert noch die Gesellschaft, die Thackerays Werk kritisierte und karikierte,
noch ihre literarischen Äquivalente, deren festgelegte Rollenmuster im
Roman auf recht einfache Weise unterwandert werden. Nach Kindlers Literaturlexikon
ging es dem Autor vor allem "um die ironisch-skeptisch gebrochene Entlarvung
menschlicher Schwächen", wobei "entlarven" ja ein Lieblingswort
bürgerlicher Kunstkritik ist, mit dem sie das Provozierende genießbar
macht, indem sie ihm eine aufklärerische Funktion zuweist. Wie auch immer,
entsprechende Larven tummeln sich heute auf anderen Jahrmärkten als um
1848, beispielsweise in Hollywood, wo sie in Filmen wie "Legally Blonde"
mitspielen.
Mira
Nairs Adaption der wegen ihres als geflügeltes Wort berühmten Titels
(und vermutlich nur deswegen) bekannten Vorlage ist neben allem anderen ein
Starvehikel für Reese Witherspoon, und es trifft sich gut, daß der
Roman, laut Untertitel "A Novel without a Hero", ein vielfiguriges
Panorama samt ereignisreichem Handlungsablauf entwirft, in dessen Fülle
Miss Witherspoon nicht allzuviel falsch machen kann; jede Menge film- und theatererprobter
Kostümträger stehen ihr allzeit zur Seite. Jonathan Rhys Meyers Frisur
beispielsweise sieht ein wenig nach verunglücktem David Beckham aus, ansonsten
aber ist alles brav und hermetisch abgedichtetes Historienkino, mit einigen
Pfützen, durch die Kutschenräder rollen, Schlachten- und Ballszenen
und Bob Hoskins fettigen Haaren quasi authentisch "damals" sagend.
Nichts
anderes als Kitsch also, und es drängt sich die Frage auf, was eine Frau
mit Kinoreputation dazu treibt, solchen herzustellen. Eine platte Analogie besteht
darin, daß William Makepeace Thackeray ebenso in Indien geboren ist wie
Mira Nair, und die Regisseurin bastelt mit kleinen Änderungen an der Geschichte
und dem, was man so farbenprächtig und üppig zu nennen von nahezu
jedem Kostümfilm gewohnt ist, eine gewisse indische Note in ihren Film,
so daß unter anderem das "zynische Schlußsignal" (Kindler)
der Vorlage zu einem fröhlichen Ende mit Tanz und Musik wird. Fast so,
als wären verwickelte Liebeshändel nur noch mit Bollywood-Anstrich
unters Volk zu bringen.
Es
mag einfach sein, einen Film einzig an seiner literarischen Vorlage zu messen,
aber jenseits dessen ist "Vanity Fair" nichts als solides Kostümgenre,
das zeigt, daß Reese Witherspoon nicht so viel mehr kann, als sie in ihren
bisherigen Filmen zeigen durfte, und daß Mira Nair aus mehreren Schauspielern,
Schauplätzen und Episoden einen leidlich unterhaltsamen Bilderbogen inszenieren
kann, zugegeben mit einer gewissen eigenen Handschrift. Aber viel witzigere
Verfilmungen von hundertfünfzig Jahre alten Büchern sind z.B. Richard
Lesters Musketier-Filme.
Thomas
Warnecke
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im:
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mehrere Kritiken
Vanity
Fair - Jahrmarkt der Eitelkeit
Vanity
Fair. GB,USA 2004. R:
Mira Nair. B:
Matthew Faulk, Mark Sheet, Julian Fellowes. K: Declan Quinn. S: Allyson C. Johnson.
P:
Janette Day, Donna Gigliotti, Lydia Dean Pilcher. D:
Reese Witherspoon, Eileen Atkins, Jim Broadbent, Gabriel Byrne, Bob Hoskins
u.a. 138 Min. Universum ab 31.3.05
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