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Die
verborgene Festung
Verborgenes kommt
zutage
"Zünde
dein Leben an Mensch
und brenn es
aus. Zerstöre deine
Sorgen im Feuer.
Die Welt ist
düster
durch Sünden und Hass.
Das Leben ist
nur ein leerer Traum.
Lebe dein Leben
wie ein brennendes
Feuer. Zerstöre
deine Sorgen darin."
(Lied, gesungen
von Yuki)
Eine verwüstete Landschaft.
Zwei verarmte Bauern, die in den Krieg gezogen sind, um ihr Glück zu versuchen,
um an Geld zu kommen, streiten wie die Kesselflicker. Denn sie hatten kein Glück.
Zerlumpt, enttäuscht, wütend geben sie sich gegenseitig die Schuld
an ihrer Misere.
"Die verborgene Festung"
von Akira Kurosawa ist so etwas wie ein Lernprozess, kein Lehrstück, versteht
sich, sondern tatsächlich eine Art Lernprozess, durch den verschiedene
Akteure der Geschichte hindurchgehen. Dabei ist auch diese Geschichte im Grunde
sehr einfach gestrickt. Ein geschlagener General will eine junge Prinzessin
samt Gold vor dem Zugriff der Feinde retten. Das ist schon die ganze Geschichte.
Oder doch nicht?
Unsere beiden Bauern jedenfalls,
Tahei (Minoru Chiaki) mit seinem rundlichen Gesicht und der kleine, dünne
Matakishi (Kamatari Fujiwara), werden gefangen genommen, können aber entfliehen
und finden in der Wildnis in den Bergen Gold, versteckt in Holzstöckchen.
Plötzlich taucht ein Fremder auf, ein Bär von einem Mann (Toshirô
Mifune). Ihm erzählen die beiden Bauern, sie wollten in ihre Heimat, das
Hayakawaland, zurück. Doch da die Grenze zwischen Akisukiland und Hayakawaland
von Soldaten dicht gemacht worden sei, wollten sie versuchen, über das
Yamanaland in ihre Heimat zu gelangen. Der Fremde engagiert die beiden und erzählt
ihnen, er wolle 1.600 Pfund Gold über die Grenze transportieren und benötige
dafür vertrauensvolle Personen. Er führt sie zu einer geheimen, einsam
gelegenen Festung in den Bergen und erzählt ihnen, er sei General Rokurota.
Doch das glauben unsere beiden etwas einfältigen Bauern nicht. So sieht
doch kein General aus! Was sie auch nicht wissen: Ganz in der Nähe der
Festung versteckt sich die Prinzessin Yuki (Misa Uehara) mit einer Bediensteten
(Eiko Miyoshi) und einem alten General (Takashi Shimura). Sie und Rokurota sind
die einzigen Überlebenden der Herrscherschicht des Akisukilandes. Und Rokurota
sucht nach einem Weg, die Prinzessin vor dem Zugriff des Feindes zu schützen
und sie in Sicherheit zu bringen, um die Herrschaft über das Akisukiland
wieder zu errichten. Dazu benötigt er das Gold, um Krieger und Samurai
zum Schutz anzuheuern.
Von alldem ahnen die beiden Bauern
zunächst nichts. Sie haben nur eins im Kopf: das Gold. Und sie vermuten
(fälschlicherweise), was alle sagen: Yuki sei längst getötet
worden. In Wirklichkeit haben die Feinde versehentlich die Schwester Rokurotas,
die sich für die Prinzessin ausgab, hingerichtet.
Rokurota steht vor einer schwierigen
Aufgabe. Der Weg ist gefährlich, obwohl man das ganze Gold in Brennholz
versteckt hat. Er braucht die beiden Bauern, doch er weiß, dass die beiden
eigentlich nur ihren materiellen Vorteil im Sinn haben. Er muss ständig
auf der Hut sein. Und er hat einen fähigen Gegner, den General Hyoe (Susumu
Fujita), einen schlauen Fuchs, dem er nicht so leicht entkommen wird.
Man lädt das Gold auf Pferde,
später auf einen Karren, die Prinzessin muss sich als stumme Frau ausgeben,
damit niemand sie an der Stimme erkennt - und unsere beiden Bauern müssen
den Karren ziehen - immer das Gold im Kopf und die Frage, wie sie zumindest
mit einem Teil des Schatzes entkommen könnten ...
Die Geschichte spielt in einer
Zeit der Kriege, der Verwüstung, der Armut und der bitteren Not der Masse
der Bevölkerung. Horden von Samurai, anderen Kriegern, Plünderern,
Wegelagerern und Sklavenhändlern übervölkern das Land, ein schönes
Land, zumindest war es das einmal. In diese Situation "setzt" Kurosawa
einen schlauen Fuchs, Rokurota, den General, der weder um sein Leben fürchtet,
noch sonst Angst kennt, und der nur ein Ziel hat: Prinzessin Yuki zu schützen
und wieder in ihre Herrschaftsposition zu setzen. Mifune spielt diesen Rokurota
- wie immer überzeugend - als einen ruhigen, meist gelassenen General,
der genau weiß, was er will.
Das genaue Gegenteil Rokurotas
sind die beiden Bauern Tahei und Matakishi, zwei durchaus nicht unsympathische
Männer, deren Egoismus - aus der Not und ihrer sozialen Situation geboren
- ihnen jeglichen Überblick über die Lage, in der sie sich befinden,
verwehrt. Sie sind freundlich und zuvorkommend, aber letztlich denken sie nur
an ihren eigenen Vorteil. Mal sind sie dicke Freunde, mal gehen sie aufeinander
los und streiten um das Gold, an das sie sowieso nicht herankommen. Aus solchen
Situationen, Wechselbädern ergeben sich teilweise auch die komischen Szenen
des Films. Und man kann verstehen, dass George Lucas diese beiden Akteure dazu
animiert hat, für "Star Wars" die beiden Figuren R2-D2 und C-3PO zu schaffen. Auch die
Geschichte selbst um die Rettung einer Prinzessin (dort Prinzessin Leia Organa)
hat Lucas wohl für "Star Wars" genutzt.
Zwischen dem General und den Bauern
steht die stolze Prinzessin Yuki, die verzweifelt darüber ist, dass Rokurotas
Schwester sich für sie geopfert hat. Auch Yuki wird als furchtlose Frau
präsentiert, die im Laufe der Handlung zu einer Erkenntnis kommt, die sich
in dem anfangs zitierten Lied, das Menschen anlässlich eines Feuerfestes
singen, manifestiert: Yuki drückt dies in Worten gegenüber Rokurota
so aus, nachdem sie und der General gefangen genommen wurden: "Es ist für
mich eine gute Zeit gewesen. In den vergangenen Tagen ist mir ein großes
Glück widerfahren. Auf der Burg wäre es mir niemals zuteil geworden.
Jetzt weiß ich, wie die Menschen wirklich sind. Ich habe ihre Schönheit
und ihre Hässlichkeit mit eigenen Augen betrachten können."
Der Weg ist das Ziel, könnte
man hier einmal zurecht äußern. Aus einer unwissenden absoluten Herrscherin
wird eine Art aufgeklärte Herrscherin, die den Tod nun nicht mehr fürchtet.
Doch was für Yuki gilt, gilt
auch für General Hyoe. Zu den schönsten Szenen des Films gehört
der Zweikampf zwischen ihm und Rokurota, als letzterer bei der Verfolgung von
Feinden in das Lager Hyoes gerät. Rokurota gewinnt das Duell mit Speeren,
lässt Hyoe aber am Leben. Als Hyoe Rokurota und die Prinzessin später
gefangen nehmen kann, ist er von einer tiefen Narbe im Gesicht gezeichnet. Er
ist wütend, weil er von seinem Fürsten bestraft wurde, da er sich
von Rokurota nicht habe töten lassen. Das sei eine Schande. Doch Yuki erwidert
ihm, das sei keine Schande, sondern Ausdruck von Freundschaft zwischen Feinden.
Am nächsten Tag, als Rokurota und Yuki hingerichtet werden sollen, geschieht
etwas Überraschendes. Hyoe lässt beide frei, riskiert sein Leben dabei,
und folgt den beiden, um die Herrschaft der Prinzessin wiederherzustellen.
Wie in anderen Filmen auch durchlaufen
die Hauptakteure von "Die verborgene Festung" eben genau diese Lernprozesse.
Obwohl die Handlung in der Zeit der Samurai und der Fürstenherrschaft,
der Kriege zwischen den Herrschern, also einer dem Absolutismus ähnlichen
sozialen Konstellation, spielt, durchbrechen Rokurota, Yuki und Hyoe die Maßstäbe
und Regeln dieser Ordnung. Hyoe begeht Verrat an seinem Fürsten. Doch dieser
Verrat wird begangen aufgrund einer Art höheren Gerechtigkeit und Menschlichkeit,
die - wenn auch vielleicht in Grenzen - die neue Herrschaft der Prinzessin auszeichnen
sollen.
Selbst für unsere beiden
Bauern endet die Geschichte mit etwas, wovon sie bislang nur geredet hatten:
mit Freundschaft. Sie erhalten von Prinzessin Yuki ein Geschenk für ihre
Dienste. Für Yuki spielt die Hässlichkeit der beiden, ihr Verrat und ihr Egoismus
nicht die entscheidende Rolle. Sie lässt sie gehen, weil sie ihr trotzdem
geholfen haben. Die beiden gehen die Treppe vor dem Palast Yukis hinunter. Und
das erste Mal streiten sie nicht, wem das Geschenk nun zustehe. Sie werden nun
Freunde, lachen und gehen nach Hause.
Wieder einmal desavouiert Kurosawa
falsche Ehrbegriffe eines überkommenen Systems, jedoch nicht ohne dabei
den Aktualitätsbezug zu verlieren. Der Verrat Hyoes ist im Grund kein Verrat,
sondern das Loslassen von diesen falschen Ehrbegriffen und der Übergang
zu einer wirklichen Treue - zu Menschlichkeit und Gerechtigkeit.
Trotz seiner Länge von über
zwei Stunden fesselt "Die verborgene Festung" in jeder Minute, nicht
zuletzt durch die exzellenten schauspielerischen Leistungen, das Produktionsdesign
und die überwältigenden Bilder von der japanischen Landschaft.
DVD
Die
von KS Multimedia und Pegasus Home Entertainment editierte DVD wurde - wie alle
Kurosawa-Filme der Reihe "Meisterwerke" - direkt vom Original-Master
der japanischen Firma Toho gezogen und liefert den Film in Originallänge:
in japanischer und deutscher Sprache, mit deutschen Untertiteln. Teile des Films
sind nicht synchronisiert, weil die bisherige Synchronisation nur für eine
gekürzte Fassung des Films erstellt wurde. Obwohl auch diese DVD (außer
einer Slideshow) kein Bonusmaterial enthält, ist sie für alle Fans
des Regisseurs empfehlenswert.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen
in:
Die
verborgene Festung
(Kakushi-toride
no san-akunin)
Japan
1958, 139 Minuten
Regie:
Akira Kurosawa
Drehbuch:
Shinobu Hashimoto, Ryuzo Kikushima, Akira Kurosawa, Hideo Oguni
Musik:
Masaru Satô
Kamera:
Kazuo Yamasaki
Schnitt:
Akira Kurosawa
Ausstattung:
Yoshirô Muraki
Darsteller:
Toshirô Mifune (General Makabe Rokurota), Misa Uehara (Prinzessin Yuki),
Minoru Chiaki (Tahei), Kamatari Fujiwara (Matakishi), Takashi Shimura (General
Nagakura Izumi), Susumu Fujita (General Tadokoro Hyoe), Eiko Miyoshi (alte Frau),
Toshiko Higuchi (Bauernmädchen)
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