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Vergiss
mein nicht!
Eine
phantastische Liebesgeschichte von Michel Gondry
Manchmal
freut man sich einfach, einen Film zu sehen, der halbwegs intelligent, phantasievoll,
menschenfreundlich und handwerklich akzeptabel ist. Eternal
Sunshine of the Spotless Mind
von Michel Gondry ist so einer. Eine
Fantasy-Love-Story nach dem „Was wäre wenn …"-Prinzip, in der Jim
Carrey und Kate Winslet bemerkenswert diszipliniert normale Menschen in einer
nicht ganz so normalen Situation spielen. Und auch Gondry, der besonders in
seinen Video-Clips für Beck und die White Stripes ein Gespür für
die vertrackte Mischung von Naivität und sophistication
gezeigt hat, hält sich zurück, als hätte über seiner zweiten
Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Charlie Kaufman (Being
John Malkovich)
ein mahnender Gedanke von François Truffaut gestanden: Die filmischen
Mittel stehen im Dienst der Personen. Und der Regisseur soll nicht zeigen wollen,
wie toll er das Kino beherrscht. So sieht man einem Film zu, der vor kaum etwas
Angst hat (auch vor dem Kitsch nicht), außer davor, zu kühn, zu virtuos,
zu postmodern zu sein.
Der
Teil vor den Credits erzählt den Beginn einer heiter-melancholischen Liebesgeschichte
um zwei Menschen, denen im Leben wohl bislang nicht allzu viel leicht gefallen
ist. Joel hat sich gerade von seiner Freundin Naomi getrennt, und Clementine
entkommt dem Alltagsfrust mit Schnaps und Haarfärbemittel. Joel ist heute
statt zur Arbeit an den kalten Strand gefahren. Sand ist auch eine überschätzte
Sache, so in diese Richtung gehen seine Gedanken, als ihm eine Frau begegnet,
die genauso einsam und ratlos scheint wie er. Dann macht Joel ziemlich alles
falsch, was man falsch machen kann, wenn man gerade jemanden kennen gelernt
hat. Aber es hilft nichts. Der Liebe kann man nicht einmal durch Ungeschicklichkeit
entgehen.
Bald
jedoch nimmt die Sache eine ganz andere Wendung. Clementine scheint Joel ganz
einfach nicht mehr zu kennen und hat einen neuen Lover. Freunde bringen Joel
auf die mysteriöse Firma des Dr. Mierzwiak, der ein Verfahren entwickelt
hat, unliebsame Erinnerungen im Kopf seiner Patienten zu eliminieren. Es wird
klar, dass Clementine ihn aus ihren Gedanken hat löschen lassen. Und nun
will sich auch Joel Barish Clementine Kruczynski aus dem Sinn streichen lassen.
Dazu muss er sich all die Dinge ansehen, die ihn an seine Geliebte erinnern,
und der Computer verfolgt die Gehirnbahnen, um die Erinnerungsknoten zu zerstören.
Während Joel im Tiefschlaf seine Liebesgeschichte rückwärts noch
einmal erlebt, von der Trostlosigkeit der Streitereien in den letzten Tagen
bis zum Glück der ersten Stunden, verschwinden die Details der gemeinsamen
Geschichte. Zwar geht einiges schief, aber Joel und die Clementine in seinem
Kopf versuchen, sich der „Säuberung" zu entziehen. Doch das Programm
wird schließlich durchgezogen: Joel hat Clementine vergessen. Am nächsten
Morgen fährt er statt zur Arbeit an den kalten Strand. Und da ist eine
Frau, die genauso ratlos scheint wie er selbst.
Aber
so vorbestimmt ist dann doch nichts im Reich der Liebe. Dass es der Film am
Ende nicht bei der Schleifen-Pointe bewenden lässt, sondern sein Paar noch
durch die Prüfung einer wahren Ernüchterung schickt, zeigt vielleicht
am deutlichsten, dass ihm nicht die Fantasy-Konstruktion, die ungefähr
fünfte große Variante der Kopf- und Identitätsspiele von Drehbuchautor
Charlie Kaufman, das Wichtigste ist. Er interessiert sich auch für die
Menschen, mehr für die Fehler als für das System. Und für ein
Problem: Ist die Liebe Schicksal oder ist sie das Ergebnis von Gefühlsarbeit?
Die Antwort: Was weiß man schon! Es ist eine ziemlich komplizierte Mischung,
und ohne eigenes Zutun geht es nicht. Und ganz einfach wiederholen tut sich
auch nichts, im Kino, im Kopf und im Leben.
Georg
Seeßlen
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
der filmzentrale mehrere Texte
Eine
sympathische, gut gespielte und intelligente Fantasy-Love-Story mit ein paar
Momenten, die überraschend tief reichen, ohne dass es mit der cineastischen
Virtuosität übertrieben würde.
Vergiss
mein nicht!
Eternal
Sunshine of the Spotless Mind
USA
2004. R: Michael Gondry. B:
Charlie Kaufman. P:
Steve Golin, Anthony Bregman. K:
Ellen Kuras. Sch: Vadis Oskarsdottir. M: Jon Brion. T: Thomas Nelson. A: Dan
Leigh, David Stein. Ko:
Melissa Thoth. Pg:
Focus Features/Anonymous Content. V: Constantin. L: 108 Min. Da: Jim Carrey
(Joel Barish), Kate Winslet (Clementine Kruczynski), Kirsten Dunst (Mary), Mark
Ruffalo (Stan), Elijah Wood (Patrick), Tom Wilkinson (Dr. Howard Mierzwiak),
Jane Adams (Carrie).
Dieser Film ist als DVD erhältlich bei: http://www.highlightvideo.de
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