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Der
Verleger
Verfilmt
Springer! (aus
der taz Nr. 6569 vom 9.10.2001)
Mit
ihrem gefühligen TV-Zweiteiler "Der Verleger" (voraussichtlich
heute und morgen, jeweils 20.15 Uhr) will die ARD niemandem wehtun - und verpasst
damit die Chance, sich durch Doku-Kompetenz von den Privatsendern abzugrenzen
Selbst
auf Nachfrage wollte der - mit dem WDR koproduzierende - NDR die Höhe der
Produktionskosten nicht nennen. Intendant Professor Jobst Plog fand das sogar
"natürlich", was gerade bei einer öffentlich-rechtlichen
Anstalt verwundert. Denn es handelt sich schließlich um die - zumindest
zeitlich - zweimal abendfüllende TV-Verfilmung der wichtigsten Lebensjahre
Axel Springers, dem seinerzeit größten Verleger Deutschlands und
Europas.
Immerhin
verständlich wird der Vorgang nach Ansicht der 170 Filmminuten: Plog muss
befürchten, Kritiker könnten dem NDR wegen dieser Produktion fehlinvestierte
Gebührengelder vorwerfen. Die TV-Verfilmung beschränkt sich auf die
Jahre 1945 bis 1980 - anders als die Buchvorlage von Michael Jürgs ("Der
Fall Axel Springer", 1995), die das gesamte Leben Springers behandelt.
Mit Heiner Lauterbach in der Hauptrolle bezieht sich "Der Verleger"
zwar eindeutig auf den Gründer des Axel Springer Verlages, vermeidet jedoch
tunlichst die Nennung seines Nachnamens. So soll eventuellen Verletzungen von
Persönlichkeitsrechten mit entsprechenden juristischen Konsequenzen vorgebeugt
werden.
Scheidungen
als Gag
Der
"unpolitische" Verleger wolle die Welt verändern, nicht als "Realist"
Realitäten schlicht verwalten! Durch diese Überzeugung gelangt er
zum Versuch der direkten politischen Einflussnahme, er will die deutsche Teilung
aufheben. Allerdings rät ihm Adenauer sogar persönlich davon ab, Chruschtschow
aufzusuchen. Das hindert ihn überhaupt nicht. Doch hat er damit keinen
Erfolg beim russischen Oberhaupt und wird brüsk abgewiesen. Seine vier
Scheidungen übrigens werden im Film gar zum Running-Gag.
Zu
wenig echte Überraschungen bietet "Der Verleger", nur dürr
skizziert wird beispielsweise die langjährige Freundschaft Axel C. Springers
mit Willy Brandt. Andere Details seines Lebens, wie die offensichtliche Neigung
zu außerehelichen Affären, werden, ohne Bemühungen um ihre Hintergründe,
einfach nur vorgeführt.
Der
Film ist insgesamt zwar nicht schlecht, die ersten 85 Minuten sind sicherlich
etwas zu episodenhaft geraten, aber das gleicht der zweite Teil mit größerer
Dichte und fesselnden Szenen wieder aus. Auch die Leistung Heiner Lauterbachs
als Axel Springer ist für Schwächen der Verfilmung nicht verantwortlich,
denn sie kann - im Rahmen des Drehbuchs - überzeugen.
Wesentlich
problematischer dagegen ist die unkritische oder zumindest wenig überraschende
Auswahl und Inszenierung der Stationen des Verlegerlebens. Regisseur Bernd Böhlich
(u. a. "Mobbing - Die lieben Kollegen", 1995) setzt nicht auf die
kritisch-distanzierte Form der Dokumentation, sondern einen gefühligen
TV-Spielfilm, der sich angesichts des ergiebigen Themas aber weit unter Wert
präsentiert.
Vor
allem die häufigen Gesangseinlagen berühren peinlich - sie sind fast
eines volkstümlichen Musicals würdig, stehen aber ohne jeden Bezug
zum Leben der Hauptperson. War Springer ein Liebhaber solchen Liedguts - "Der
Verleger" enthält sich einer Antwort.
ARD
verpasst Chance
Und
so könnte dieser Zweiteiler auch auf Sat.1 laufen, ohne allzu sehr aufzufallen.
Vielleicht hätten sich die Macher doch besser für eine Dokumentation
oder - als Kompromiss - wenigstens für ein Doku-Drama entscheiden sollen.
Warum denn nicht mit so prominenter Hauptfigur und wichtigen Ereignissen der
jüngeren deutschen Geschichte eine unterhaltsam ernsthafte Dokumentation
mit Spielfilm-Elementen "wagen"? Eine bessere Gelegenheit gibt es
gar nicht! Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender nicht einmal eine solche
Chance zur inhaltlichen Abgrenzung gegenüber den privaten Sendern nutzen,
welche dann?
Zumal
ein Etat der Größenordnung mehrerer "Tatort"-Folgen zur
Verfügung gestanden habe, wie Intendant Plog am Ende immerhin einräumt.
Bei allem Verständnis für den NDR, anstrengenden Diskussionen zur
Verwendung von Gebühren ausweichen zu wollen: Die Interessenlage der zahlenden
Zuschauer erfordert es, in manchen Fällen Programmkosten hartnäckig
zu hinterfragen und eine Veröffentlichung zu fordern. "Der Verleger"
ist ein solcher.
Jörg
Peter
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der: taz Nr. 6569 vom 9.10.2001
Der
Verleger
Deutschland
2000,
Regie:
Bernd Böhlich, Buch: Bernd Böhlich, Kamera: Eberhard Geick, Musik:
Tamás Kahane, Produzent: Regina Ziegler. Mit: Heiner Lauterbach, Susanna
Simon, Sylvester Groth, Anica Dobra, Jürgen Hentsch, Lisa Martinek, Arndt
Schwering-Sohnrey, Tatjana Blacher, Claude-Oliver Rudolph.
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