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Verlorene Liebesmüh’
Kenneth
Branaghs neueste Shakespeare-Adaption: diesmal als Musical mit Songs von Cole
Porter und anderen.
1939. Der König von Navarra
(Alessandro Nivola) hat den öffentlichen Eid abgelegt, sich für die
nächsten zwei Jahre nur seinen Studien zu widmen: Keine Frau soll seinen
Weg kreuzen, einmal die Woche wird gefastet und drei Stunden Schlaf am Tag müssen
genügen. Nur widerstrebend lassen sich seine Freunde Biron (Kenneth Branagh),
Dumain (Adrian Lester) und Longaville (Matthew Lillard) dazu überreden.
Verschlimmert wird die Sache allerdings, als die Prinzessin von Frankreich (Alicia
Silverstone) mit drei Freundinnen (Carmen Ejogo, Natascha McElhone, Emily Mortimer)
in diplomatischer Mission an den Hof von Navarra kommt. Wegen des Gelübdes
dürfen sie zwar das Schloss nicht betreten, aber im Interesse der Staatsräson
kommt es zu einem Zusammentreffen vor den Toren - und alsbald sind die vier
männlichen Tore Hals über Kopf verliebt. Das führt zu Komplikationen,
suchen die vier Freunde doch, dies voreinander zu verbergen und werden
zusätzlich noch von den eleganten Damen mit so manchem Spielchen hinters
Licht geführt. Dennoch entspinnt sich ein Liebesgeflecht, doch der Ausbruch
des 2. Weltkriegs legt noch einmal eine Hürde zwischen die Turteltäubchen.
Man muss gleich einmal die positivste
Eigenschafts dieses Films herausstreichen: er ist kurz. Branagh, der sich sonst
gerne in überlangen Shakespeare-Adaptionen versucht, hat sich hier auf
eineinhalb Stunden beschränkt. Das liegt natürlich auch daran, dass
er die hochoriginelle Idee hatte, die Komödie Shakespeares zu kürzen
und diverse Teile durch Musicalnummern zu ersetzen, die zu Jazz-Standards abgewickelt
werden. Cole Porte, George Gershwin, Irving Berlin und noch andere sind mit
Klassikern aus ihrem Schaffen auf dem Soundtrack vertreten und werden von den
Darstellern mit ihren Stimmen dargebracht.
Hauptzweck dieses Unternehmens
scheint zu sein, uns zu zeigen, was für ein kluger Kopf Herr Branagh doch
ist. Folgerichtig eröffnet der Film mit einer fiktiven Wochenschau, die
den Schwur des Königs erläutert und in parodistischem Stil (ganz auf
den Spuren des Anfangs von Citizen Kane) die Handlung einführt. Und Wochenschauen kehren immer wieder,
um die Handlungslöcher zu überbrücken: letztendlich ist Verlorene Liebesmüh’ nämlich dann doch weder Shakespeare-Verfilmung
noch Musical (beide benötigen in etwa jeweils die halbe Laufzeit des Films),
sondern ein unglücklicher Bastard aus beidem. Man sieht dem Film ganz deutlich
an, wie sein Regisseur bestimmte Werke der 30er und 40er bewundert, nur scheitert
der Musicalteil an seiner antiseptischen Umsetzung. Jede Nummer steht für
sich allein da draußen und will manchmal so gar nicht in den Film passen,
manche sind einfach nur peinlich (etwa die entsetzlich einfallslose Visualisierung
von "I Get A Kick Out Of You", die sich sklavisch an den Text hält),
andere überfordern offensichtlich das Team - anstelle eindrucksvoller Kamerabewegungen
oder Choreographien, die die Musik umsetzen würden, bleibt da nur noch
die Flucht in schnelle Schnitte. Zwar bietet sich ausreichend Gelegenheit, Branaghs
Lieblingseinstellung (er selbst in frontaler Nahaufnahme) einzufügen, aber
nur wenige der Schauspieler werden den musikalischen Anforderungen gerecht (neben
Branagh sind dies vor allem Adrian Lester und Natascha McElhone). Die anderen
haben keine Stimme und tanzen auch sonst nicht zu graziös - während
dies in einem Film wie Woody Allens Everyone Says I Love You durchaus charmant wirken konnte, weil man dem Regisseur ansah,
dass er hier eine Herzensangelegenheit (seine Liebe für alte Musicals)
ohne Rücksicht auf Verluste verfolgte, wirkt dies in Branaghs selbstgefälligem
"Wagnis" nur peinlich.
Nicht nur an Mut fehlt es hier
(etwa die Songauswahl, die sich nur absolute Klassiker im Genre erlaubt), auch
an Können. Die Slapstickszenen etwa, die Branagh offensichtlich in Erinnerung
an den Erfolg von Viel
Lärm um Nichts
eingebaut hat, scheitern an schlechter Ausführung (nur Nathan Lane, der
eine kleine Rolle hat, vermag das richtige Maß an Dummheit und Timing
souverän zu halten); und während man Alicia Silverstone etwa noch
das Singen verzeihen mag, so gibt es hier keinen Moment, in dem man sich nicht
wünschen würde, dass Matthew Lillard hinausgeschnitten worden wäre.
Bei aller Wichtigtuerei (die augenzwinkernde
Selbstbewunderung geht so weit, dass die Schauspieler in regelmäßigen
Abständen durch Starren in die Kamera und ähnliches Getändel
zu erkennen geben, dass sie den "Witz" des ganzen Unternehmens verstanden
haben), wäre das Resultat immer noch ein einigermaßen amüsanter
Fehlschlag. Aber am Schluss kommt es noch mal knüppeldick: Hat man Branagh
noch verziehen, dass die Überreste eines Shakespeare-Stückes sozusagen
als Schnelldurchlauf absolviert werden (und von der vom Regisseur vielgerühmten
"romantischen Liebe" nicht viel zu merken ist), gönnt er sich
nämlich noch einen letzten "ironischen" Einfall. Als letzte Wochenschau
bekommen wir den 2. Weltkrieg als Zweiminutentränendrücker vor dem
Casablanca-Happyend serviert - und hier wird das Ganze zu einem beleidigenden
Fehlschlag.
Christoph Huber
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.allesfilm.com
Verlorene Liebesmüh'
LOVE'S LABOUR'S LOST
Regie: Kenneth Branagh
Buch: Kenneth Branagh
Vorlage: nach dem Bühnenstück "Love's Labour's
Lost" von William Shakespeare
Kamera:
Alex Thomson
Musik:
Patrick Doyle
Schnitt: Neil Farrell, Dan Farrell
Darsteller:
Kenneth Branagh (Biron)
Alessandro Nivola (König von Navarra)
Alicia Silverstone (Prinzessin von Frankreich)
Natascha McElhone (Rosaline)
Matthew
Lillard (Longaville)
Adrian
Lester (Dumain)
Emily
Mortimer (Katharine)
Carmen Ejogo (Maria)
Timothy Spall (Don Armado)
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