zur startseite
zum archiv
Viva Zapata!
Die
Legende von der Gerechtigkeit
Kein Geringerer als der große
John Steinbeck schrieb Elia Kazan 1952 das Drehbuch zu der Geschichte und den
in Mexiko auch heute noch verehrten Emiliano Zapata, einen Volkshelden der mexikanischen
Revolution zwischen 1911 und etwa 1926. Auch wenn "Viva Zapata!" gemessen
an den historischen Fakten nicht immer korrekt sein mochte, so ist Kazans Film
doch ein Meisterwerk der Filmkunst geworden, vom Aufbau her vergleichbar mit
einer klassischen Tragödie: Wir haben einen herausragenden tragischen Helden,
wir erleben Verrat, Brudermord, das, was wir heute Dogmatisierung oder Ideologisierung
nennen würden, und last but not least das tragische Ende eines Helden.
Angesiedelt ist die Geschichte
Zapatas in den Wirren der mexikanischen Revolution im Kampf der verschiedenen
politischen Lager - dem Großbürgertum und Großgrundbesitzern,
die sich unter dem diktatorisch regierenden Präsidenten Diaz zusammengeschlossen
hatten, der aufkommenden (zumeist sozialistisch orientierten) Arbeiterbewegung,
den landlosen Bauern und verarmten Indios sowie der intellektuellen und bürgerlich-demokratisch orientierten Mittelschicht. Vor Ausbruch der Unruhen und Erhebungen 1910 verfügten
1% der mexikanischen Bevölkerung über 96% des Bodens, während
nahezu 97% der ländlichen Bevölkerung keinen Grundbesitz hatte. Diaz
hatte über die Jahre hinweg diesen Verarmungsprozess forciert und insbesondere
durch die Öffnung Mexikos für US-amerikanische Firmen den industriellen
Sektor Mexikos einer ausländischen Macht mehr oder weniger übereignet.
In dieser Situation schlossen
sich 1910 Francisco Villa (Pancho Villa) und der Bauernführer Zapata dem
reichen Landbesitzer Francisco Madero an, der im Gegensatz zu anderen Mitgliedern
seiner Schicht die Diktatur Diaz stürzen wollte und für freie Wahlen,
Liberalismus und Theosophie eintrat. Diese verschiedenen Kräfte stürzten
1911 Diaz und Madero wurde zum Präsidenten gewählt. Doch schon bald
zerriss dieses Bündnis, weil die Führer der ländlichen Bevölkerung
die sofortige Rückgabe des geraubten Landes an die Bauern verlangten und
andererseits Madero sich mit den strukturell unveränderten Militärs
verbündete bzw. von diesen und ihrem Führer Huerta abhängig machen
ließ und im Gegensatz zu seinen Schriften die Rückgabe des Landes
auf den St.-Nimmerleinstag verschob.
Vor diesem Hintergrund erzählt
Kazan die Geschichte Emiliano Zapatas.
• I N H A L T •
1909. Bei einer Audienz bei Präsident
Diaz verlangen Bauern und Landarbeiter die Rückgabe des ihnen von Großgrundbesitzern
geraubten Landes. Emiliano Zapata (Marlon Brando) bezweifelt, dass man den Vorschlag
von Diaz umsetzen könne, die Grenzsteine auf den inzwischen zusammengelegten
Parzellen, auf denen Zuckerrohr angebaut wird, zu markieren. Man würde
sie mit Gewalt von den Feldern vertreiben. Genau dies geschieht - und zwar auf
Anordnung von Diaz selbst. Zapata und sein Bruder Eufemio (Anthony Quinn) sowie
einige andere Männer verstecken sich daraufhin in den Bergen. Über
Fernando (Joseph Wiseman) erreicht sie die Botschaft Maderos (Harold Gordon),
der wolle mit Zapata und einem anderen Bauernführer namens Pancho Villa
(Alan Reed) eine gemeinsame Front zum Sturz Diaz aufbauen.
Zapata wird kurze Zeit nach der
Aufnahme des Widerstands gegen das Regime von Diaz von Soldaten festgenommen.
An einem um den Hals gebundenen Seil führen die berittenen Soldaten Zapata
ab. Doch die Bauern, Indios und Landarbeiter folgen dem Tross und zwingen die
Soldaten, Zapata frei zu lassen. Als man schließlich erreicht, dass Diaz
abdankt, kann Zapata endlich die Frau heiraten, die er schon immer geliebt hat:
Josefa (Jean Peters) aus gutem Haus.
Doch die Ziele der Landbevölkerung,
ihr Land wieder zurückzubekommen, sind noch lange nicht erreicht. Denn
der zum Präsidenten ernannte Madero ist schwach und zudem von General Huerta
(Frank Silvera) abhängig, der die alten Mächte wieder einsetzen will.
Allerdings gelingt es Zapata, Pancho Villa und Fernando, auch diesen Widerstand
zu überwinden. Zapata traut Madero nicht mehr. Er erschießt sogar
einen seiner besten Freunde, Pablo (Lou Gilbert), weil der, von der ehrlichen
Gesinnung Maderos überzeugt, Kontakt zum Präsidenten gehalten hat.
Insbesondere Fernando drängt Zapata, Pablo als Verräter zu behandeln,
obwohl der nur Gutes wollte, um die Bewegung der Bauern voranzubringen.
Zapata gerät immer mehr unter
den Einfluss Fernandos. Und als er in Mexiko City als Sieger einzieht, behandelt
er eine Abordnung Bauern, die sich über Eufemio beschweren, der ihnen Land
weggenommen habe, wie er Jahre zuvor von Diaz behandelt worden war. Erst jetzt
wird Zapata bewusst, welche Auswirkungen die Ereignisse der vergangenen Jahre
auf ihn gehabt haben ...
•
I N S Z E N I E R U N G •
Kazans Aufbau der Geschichte konzentriert
sich auf die Figur des mexikanischen Revolutionärs Zapata. Marlon Brando
spielt einen ungebildeten, aber nichtsdestotrotz intelligenten und vor allem
von einem tiefen Gerechtigkeitsgefühl beherrschten Mann, der nichts anderes
will, als dass seine Landsleute wieder so leben können wie früher,
ohne dass die Staatsmacht, ausländische Investoren, Großgrundbesitzer
usw. ihr Leben ins Elend führen können. Zapata hat an Politik eigentlich
kein Interesse, und dass er in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen
wird, ist ihm letztlich zuwider. Seine bäuerliche Lebensweise, seine Bescheidenheit
und sein Gerechtigkeitsempfinden kollidieren allerdings mit politischer Taktik,
mit dem Kalkül seiner Verbündeten und dem Machwillen, vor allem Fernandos,
der jede Abweichung in den eigenen Reihen als Verrat brandmarkt, dann sich zum
Schluss aber nicht einmal zu schade ist, mit den alten Mächten zu kollaborieren
und Zapata zu verraten.
Kazan und Steinbeck bauen die
Figur Zapatas auf wie einen Held der klassischen Tragödie. Die Inszenierung
selbst entspringt der Idee dieser klassischen Tragödie. Zapata entwickelt
sich von einem der Gerechtigkeit verpflichteten Mann, der in die Querelen der
Politik hineingezogen wird und sich hineinziehen lässt, zu einem harten
Machtmenschen. Auf dem Höhepunkt dieser Machtstellung erst wird ihm bewusst,
wie weit er von seinen Zielen entfernt ist. Noch tragischer ist, dass es ausgerechnet
sein Bruder und ständiger Weggefährte Eufemio ist, der von einem besseren
Leben träumt, dem Zapata entgegentreten muss. Denn Eufemio ist es, der
seinen eigenen Verbündeten, den Landarbeitern und Bauern, das Land und
die Frauen stiehlt, um sein eigenes Fortkommen zu gewährleisten. Eufemio
stirbt im Kugelhagel derjenigen, die einmal seine Freunde waren.
Dass Zapata, in einen Hinterhalt
gelockt, von Fernando verraten wird, ist nur der konsequente Schlusspunkt der
Geschichte eines Mannes, der letztlich mit denen, für die er gekämpft
hat, eine Welt gewinnen wollte, aber sein Leben verlieren musste.
"Viva Zapata!" kann
man darüber hinaus durchaus verschieden lesen. Ein wichtiger Gesichtspunkt
scheint mir eine kaum versteckte Kritik Kazans an den Strukturen einer jeglichen
Revolution, die man in dem berühmten Satz zusammenfassen könnte: Die
Revolution frisst ihre Kinder. Zapata ist vor allem deshalb ein tragischer Held,
weil er zu seinen "einfachen" Zielen am Schluss zurückkehrt,
während seine Verbündeten - sein Bruder und Fernando - in unterschiedlicher
Weise sich davon entfernt haben. Der eine will private Macht auf Kosten der
Bauern, der andere will politische Macht auf Kosten der Bauern. Kazan schildert
Macht als korrumpierende Größe, Korruption allerdings auch als eine
charakterliche Eigenschaft, die zumindest eine Voraussetzung für Machtausübung
auf Kosten der Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung darstellt. Die zur
Macht gekommenen Revolutionäre entwickeln die gleichen Mechanismen der
politischen Gewalt usw. wie ihre Vorgänger. Sie errichten eine Staatsmacht,
die in ihren wesentlichen Strukturen nicht andersartig ist als die, die vorher
regierten. Dass Kazan hier in diesem Punkt einen wichtigen Aspekt entlang der
Entwicklung der mexikanischen Revolution abhandelt, dürfte durch die Ereignisse
des 20. Jahrhunderts insbesondere in den realsozialistischen Ländern bewiesen
sein.
Darüber hinaus zeigt der
Film - gewollt oder nicht - aber auch, dass die "naiven" Vorstellungen
der bäuerlichen Führer, zu einem Leben "wie früher"
zurückzukehren, angesichts der Machtkonstellation und der aufsteigenden
Interessen des intellektuellen Bürgertums, der US-amerikanischen Wirtschaft
und der mexikanischen Oberklassen wenig Chancen auf Realisierung hatten. Auch
in diesem Punkt erweist sich Zapata als tragische Figur, denn seine Vorstellungen
- so sehr sie manche als wirklich "naiv" bezeichnen mögen - fußten
auf einer gerechten Verteilung des Bodens an die überwiegend (noch) ländliche
Bevölkerung Mexikos. Und doch war eben gerade dies aufgrund der konkreten
Umstände zum Scheitern verurteilt.
Brando ist großartig in
der Rolle des Zapata, spielt ihn als einen ruhigen, überlegten, aber auch als
einen später verhärteten Mann. Während er auf dem Höhepunkt
seiner Macht, die er gar nicht wollte, erkennt, dass er in seine Heimat zurückgehen
muss, hört er nicht auf die Warnungen seiner Frau, man wolle ihn in einen
Hinterhalt locken und ermorden.
Die Legende lebt weiter. Die Obrigkeit
wirft die von Kugeln durchsiebte Leiche Zapatas auf den Marktplatz. Und nun
wird Zapata zu einer Legende. Denn die Bauern sagen: Nein, Zapata ist nicht
tot, Zapata lebt weiter in den Bergen, und wenn man ihn brauche, könne
man ihn rufen. Die Legende, die hier weiterlebt, ist Ausdruck dieses tiefen
Gerechtigkeitsempfindens, die Zapata verkörperte, das Festhalten der Bauern
und Landarbeiter an dem Sinn einer gerechten Verteilung des Bodens. Die Legende
erhält die Funktion, den Gedanken an Gerechtigkeit wach zu halten, in dem
sie sich in einem Mann verkörpert. Auch dass ist Kazans Inszenierung deutlich
anzumerken.
•
D V D •
Sprache:
Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch, Italienisch
Untertitel:
Englisch, Niederländisch, Italienisch, Spanisch, Französisch, Deutsch
Bildformat: 4:3
Dolby, HiFi Sound, PAL
DVD
Erscheinungstermin: 9. Januar 2006
Ein
weiterer Film, der in der Reihe "Große Filmklassiker" der 20th
Century Fox auf DVD erschien und in sehr guter Ton- und Bildqualität präsentiert
wird. Die Box enthält neben der DVD eine Postkarte mit dem Originalfilmplakat
sowie ein vierseitiges Booklet mit weiteren Informationen um den Film herum.
Sie kostet € 12,97 (amazon).
Ulrich Behrens
Dieser Text
ist zuerst erschienen in:
Viva Zapata!
(Viva Zapata!)
USA 1952, 113 Minuten (DVD: 109 Minuten)
Regie: Elia Kazan
Drehbuch: John Steinbeck
Musik: Alex North
Kamera: Joseph MacDonald
Schnitt: Barbara McLean
Darsteller: Marlon Brando (Emiliano Zapata), Jean Peters (Josefa
Zapata), Anthony Quinn (Eufemio Zapata), Joseph Wiseman (Fernando), Arnold Moss
(Don Nacio), Alan Reed (Pancho Villa), Margo (Soldadera), Harold Gordon (Madero),
Lou Gilbert (Pablo), Mildred Dunnock (Señora Espejo), Frank Silvera (General
Huerta), Florenz Ames (Señor Espejo), Fay Roope (Präsident Diaz)
zur startseite
zum archiv