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Von einem der auszog: Wim Wenders frühe Jahre
In Marcel Wehns "Von einem
der auszog" sieht man: Wim Wenders brütet, Wim Wenders erinnert sich,
Wim Wenders führt Super-Acht-Filme vor von Familienspaziergängen mit
seinen Eltern.
Ein Dokumentarfilm wie das Wim-Wenders-Porträt
"Von einem, der auszog" ist im Vergleich mit Koepps Film wirklich die reine Gebrauchsliteratur. Strikt genommen sowieso
ein Unding der ärgerlichen Art: eine hagiografische Annäherung an
die Person Wim Wenders, der Versuch, aus dem Biografischen dessen Filme, das
Frühwerk genauer gesagt, zu erklären. Es ist ein Abschlussfilm und
man muss doch sehr staunen, dass sie einem auf den Filmhochschulen solche ans
Sträfliche grenzenden Kurzschluss-Naivitäten bis heute offenbar nicht
austreiben.
Über Wenders' Filme als Filme
lernt man folglich buchstäblich nichts. Wo sich der Film und sein Gegenstand
auf den erwartbarsten Gemeinplätzen herumtreiben und Plattitüden wie
"Die Grundfrage ist wohl: Wie sollen wir leben?" für letzte Weisheiten
halten, da zerren sie beide kolossal an den Nerven. Und Wim Wenders selbst,
zur Selbstironie denkbar unbegabt und erstaunlich oft an ihr doch sich versuchend,
hat, als Künstler und Mensch, seine einfach nur peinlichen Seiten. Dann
insbesondere, wenn der Künstler oder sein Werk bedeutungsschwer brüten
und am Ende legen sie unter viel
unfreiwillig komischem Geflatter ein möchtegerngroßes
Ei.
Dennoch ist "Von einem, der
auszog" nicht ganz und gar uninteressant. Man lernt ein bisschen was über
die sechziger Jahre, in denen Wenders als Arztsohn in kommunikativ höchst
stickigen Verhältnissen aufwuchs. Es defilieren in konventioneller Dokumentations-Machart
die Gesichter von Wegbegleitern vorüber. Frauen, die wichtig waren in Wenders'
Leben und heute, wenngleich viel zu kurz, einen spannenden Eindruck machen. Helmut
Färber, der an der Münchner Filmhochschule sein Lehrer war. Heinz
Badewitz, Leiter des Hofer Festivals, der Wenders mit einem Haschkeks um ein
Haar um die Ecke gebracht hätte. (Über Marcel Wehns Inszenierungseinfall
an dieser Stelle schweigt des Rezensenten Höflichkeit.) Kameramann Robby
Müller, mit dem Wenders sich bei "Bis ans Ende der Welt" verkracht
hat und der bis heute stinkbeleidigt vor der Kamera sitzt und kein freundliches
Wort über den Regisseur sagen will. Auch ist da Bruno Ganz. Außerdem
sehen wir Peter Handke in seinem Garten, wo er, völlig überzeugend,
den Peter Handke gibt.
Und als Weltkind in der Mitten
natürlich immerzu Wenders selbst. Als zentrale Inszenierungsidee fungiert
ein Raum, in dem Wenders in der Luft hängende Bilder von Wegbegleitern
begutachtet und sich die Geschichten, die ihn mit ihnen verbinden, aus der Nase
ziehen lässt. Außerdem Wenders auf Location-Suche für einen
neuen Film, unterwegs an einen Ort namens Himmelreich, der ihn, ist er einmal
da, bitter enttäuscht. Wenders brütet, Wenders erinnert sich, Wenders
führt Super-Acht-Filme vor von Familienspaziergängen mit seinen Eltern
und von seinem Bruder, der unter dem Weihnachtsbaum geigt. Das ist und bleibt
das Reflexionsniveau dieses Films. Gebrauchsliteratur, wie gesagt. Und insgesamt
eher was für Wenders-Aficionados.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Von einem der auszog: Wim Wenders frühe Jahre
Deutschland 2007 - Regie: Marcel Wehn - Darsteller: (Mitwirkende)
Wim Wenders, Donata Wenders, Bruno Ganz, Peter Handke, Heinz Badewitz, Ulrike
Sachweh, Peter Przygodda, Edda Köchl-König - FSK: ohne Altersbeschränkung
- Länge: 96 min. - Start: 24.1.2008
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