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Wag
the Dog
Potemkin
rührt die Kriegstrommel
Die
US-Präsidentschaftswahlen stehen kurz bevor – da vergreift sich der amtierende
Führer der Freien Welt an einer Pfadfinderin und stellt so den Erfolg der
bereits auf Hochtouren laufenden Kampagne für seine Wiederwahl in Frage.
Das ruft PR-Profi Conrad Brean (Robert de Niro) auf den Plan, in dem die Berater
des Präsidenten einen mit allen Wassern gewaschenen Routinier finden, den
aktuelle Umfrageergebnisse ebenso wenig aus der Ruhe zu bringen vermögen
wie ein heimlich organisierter Rohschnitt eines von der gegnerischen Partei
als Reaktion auf die sexuelle Verfehlung des Präsidenten produzierten TV-Spots,
den man, o Perfidie, mit Maurice Chevaliers „Thank Heaven for Little Girls“
unterlegt hat.
Während
die von der aktuellen Situation offensichtlich überforderten Wahlkampfmanager
noch laut darüber nachdenken, ob sich der Übergriff des Präsidenten
gegebenenfalls schönreden lässt, weiß Brean ganz genau um das
Gebot der Stunde – und das lautet: die Öffentlichkeit muss abgelenkt werden,
und zwar qua eines neuen Themas, das den Sturm der Entrüstung, den die
sexuellen Präferenzen des mächtigsten Mannes der Erde in der Öffentlichkeit
entfesselt haben, ins Wasserglas verbannt. Und womit ließe sich soviel
Wind machen?
Richtig
– mit einer ausgemachten Krise, die noch den handfestesten, deftigsten Skandal
von der Titelseite verdrängt. Nicht nur in der Liebe, sondern auch im Wahlkampf,
so scheint die Überzeugung von Brean zu sein, ist alles erlaubt – und so
ist auch ein Krieg nichts weiter, als ein legitimes Mittel, mit dem sich Politik
machen lässt. Der müsse, so Brean, freilich nicht einmal geführt
werden – sondern es genüge vollauf, ihn in Szene zu setzen.
Klingt
das hanebüchen?
Des
Präsidenten Wahlkämpfer, allen voran Winifred Ames (Anne Heche), wollen
ihren Ohren zwar zunächst nicht trauen – aber da der förmlich aus
dem Nichts aufgetauchte Brean offenbar selbst an höchsten Stellen blindes
Vertrauen genießt, hat der gewiefte Drahtzieher auch procura, seinen abenteuerlich
klingenden Plan in die Tat umzusetzen.
Gemeinsam
mit dem egomanischen Hollywood-Produzenten Stanley Motss (Dustin Hoffman in
einer seiner besten Rollen), dem leicht abständig wirkenden Country-Star
Johnny Dean (Willie Nelson) und dem „Knüllerkönig“ (Denis Leary) webt
Brean ein Netz aus geschickt lancierten Fehlinformationen, Halbwahrheiten und
Lügen um albanische Terroristen, die angeblich in ihrer Heimat nicht nur
ethnische Säuberungen durchführen, sondern darüber hinaus offenbar
sogar über ein eigenes Atomwaffenprogramm verfügen, das es ihnen gestattet,
über die kanadische Grenze hinweg Kofferbomben in die Vereinigten Staaten
zu verbringen ...
„Wag
the Dog“ ist eine brillante, gallige Satire über die Macht der Propaganda
– und trotz seines Alters von sieben Jahren heute so aktuell wie eh und je.
Wenn z.B. in Levinsons Film dank „state of the art special effects“ ('Das haben
wir im letzten Schwarzenegger-Film benutzt', merkt ein sichtlich stolzer Motss
an) eine eigens gecastete Schauspielerin kurzerhand in ein fiktives Kriegsszenario
montiert wird, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Regisseur Levinson
und Drehbuchautor Hilary Henkin die während des ersten Golfkriegs von den
Medien verbreitete Schauermär einer Babies aus Brutkästen reißenden
Soldateska konsequent weitergedacht haben. Objektive Berichterstattung? In „Wag
the Dog“ ist Berichterstattung Mittel zum Zweck; das, was real wirkt, ist nichts
weiter als zynische Realsatire – ausgerichtet nicht an den Bedürfnissen
derer, die sich informieren wollen, sondern derer, die informieren bzw. desinformieren
wollen.
„Cui
bono“ – wem nutzen die Nachrichten, die Medien verbreiten, und wer ist ihr Urheber?
Das sind die Fragen, die „Wag the Dog“ stellt – und dass er das nicht moralisierend,
nicht mit erhobenem Zeigefinger tut, macht den Film nicht nur äußerst
sehenswert, sondern darüber hinaus zum schwarzhumorigen, intelligenten
und unterhaltsamen Werk, das beim wiederholten Sehen sogar noch dazugewinnt.
Zum einen ist das natürlich einem intelligenten Drehbuch und einer pointensicheren
Inszenierung geschuldet – zum anderen aber auch einer mit sicherer Hand ausgewählter
Besetzung: Dustin Hoffman liefert in der Rolle des verbitterten Produzenten
Motss eine seiner fraglos besten Vorstellungen ab, Robert de Niro überzeugt
ebenfalls – und der Rest des Ensembles steht den Hauptdarstellern in nichts
nach (sehenswert: Woody Harrelson als Psychopath, dem irrtümlich die Rolle
des glorreichen Kriegsveteranen zufällt und dessen abweichendes Verhalten
Motss notgedrungen als Symptome eines Schützengrabensyndroms auszugeben
sucht).
Das
Ausgangsszenario von „Wag the Dog“ scheint übrigens die „Lewinsky-Affäre“
vorwegzunehmen: fast könnte man meinen, Bill Clinton müsse sich von
Barry Levinsons („Rain Man“, „Good Morning, Vietnam“) Film aus dem Jahre 1997
zu seinem Techtelmechtel mit einer Praktikantin inspiriert haben lassen, das
sich in der Folge zum „Monicagate“-Skandal auswuchs.
Fazit:
ein brillanter Film – auf einer DVD, die keine Wünsche offen lässt.
Im
Gegensatz zur deutschen Ausgabe, die dem Zuschauer bei Wahl der englischsprachigen
Originaltonspur auch deutsche Untertitel aufdrängt, lassen sich die (englischsprachigen)
Untertitel beim UK-Import nach Belieben zu- oder wegschalten (Achtung: mit deutscher
Tonspur bzw. deutschen Untertiteln wartet diese Ausgabe allerdings nicht auf).
Bild und Ton der DVD sind m.E. makellos; wer zudem Gefallen an Bewegtmenüs
findet und Wert auf eine hochwertige Zusatzausstattung (Featurettes, Trailer
etc.) legt, ist mit dem UK-Import bestens bedient – und sogar noch ein bisschen
besser als mit dem deutschen Pendant: den zuschaltbaren Audiokommentar, den
die DVD bietet, verschweigen zwar selbst die Angaben auf der Rückseite
der Verpackung – enthalten ist er auf dem UK-Silberling, im Gegensatz zur deutschen
Ausgabe, aber nichtsdestotrotz.
„Gemeinwesen“
Dieser Text ist zuerst erschienen bei: www.ciao.de
Wag
the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt
WAG
THE DOG
USA
- 1997 - 97 min.
Komödie
FSK:
ab 12; feiertagsfrei
Prädikat:
besonders wertvoll
Erstaufführung:
26.3.1998/10.11.1998 Video
Produktion:
Barry Levinson, Robert De Niro, Jane Rosenthal
Regie:
Barry Levinson
Buch:
David Mamet, Hilary Henkin
Vorlage:
nach einem Roman von Larry Beinhart
Kamera:
Robert Richardson
Musik:
Mark Knopfler, Willie Nelson
Schnitt:
Stu Linder
Darsteller:
Robert
De Niro (Conrad Brean)
Dustin
Hoffman (Stanley Motss)
Anne
Heche (Winifred Ames)
Woody
Harrelson (Sgt. William Schuman)
Denis
Leary (Fad King)
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