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Walk
Don't Walk
Wie
läuft die Welt?
Auf
der Neubrandenburger "dokumentArt" letzten Herbst ging der Film von
Thomas Struck im Ansturm gewichtigerer Themen unter. Ein Film über Füße
in Manhattan? Im Oktober war das gar nicht angesagt. Andererseits verführt
"Walk Don't Walk". Schon durch seine Farben, Sonnenblitze und Schlagschatten.
Passanten ahnen gar nicht, welche Stimmungsbilder zehn Zentimeter über
dem Boden erblühen. So niedrig hatte Struck an einem Stock eine Digitalkamera
angebracht, um Schuhwerk zu filmen. Dann wurde das Material zu Film aufgeblasen.
So
exzentrisch unsere unteren Extremitäten auch scheinen mögen: Sie bilden
die materielle Grundlage des Lebens. "Mit beiden Beinen auf dem Boden stehen",
heißt es, auch das asiatische Körperwissen ist sich der Bedeutung
der Füße für das gesamtmenschliche Wohlergehen lange bewusst.
Selbst diese Zeitung widmete einige Wochen lang dem Schuhwerk eine Kolumne.
An
einem blauen Morgen öffnen sich vor Manhattans Skyline die Gatter der Fähre.
Heraus stürmt Bürovolk: Pumps und Herrentreter, Turnschuhe und Stiefeletten.
Die Kamera hinterher. Manchen der Schuhträger sind ein paar Statements
abzulauschen: Von Mobilität und Standfestigkeit ist die Rede. Dazwischen
der Bettler, der schon am Gang erkennt, wer gibt und wer nicht.
In
jeder Großstadt kann man Bewohner und Zugereiste schon an der Gehgeschwindigkeit
auseinanderhalten. Die New Yorker laufen schnell. Kein Platz für Flaneure.
Doch neben der Wallstreet liegt Chinatown, das Village. Hier herrschen andere
Tempi. Schlurfschlappen. Plateausohlen. Und die Kids: What makes you move? Music.
Zu
den swingenen Klarinettenklängen des Jazzers Don Byron hat der altgediente
Filmextremist Struck seine New Yorker Eindrücke zu einer locker impressionistischen
Sinfonietta zusammengeschnitten. Manche haben ihm seine Ausflüge in die
Welt des Fußfetischismus übelgenommen. Dreimal wurde Struck während
des Drehs als Spanner festgenommen. Das ist skurril. Andererseits berührt
es peinlich, wenn Struck die Kamera penetrant auf eine Nackte im Fenstersims
hält, die uns im Untertitel als "Sahra K., 21 Jahre" vorgestellt
wird.
Nine-Eleven,
wie die New Yorker sagen, ist heute schon Geschichte. Und auch wenn es sonst
nicht stimmt, in Manhattan ist wirklich nichts mehr so, wie es vorher war. Insofern
ist "Walk Don't Walk" bereits ein historisches Dokument, auch wenn
man längst wieder zur Arbeit rennt und nicht ums Leben.
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im „Tagesspiegel“
Walk
Don't Walk
Deutschland
2000
Produktion:
Peter Stockhaus Filmproduktion/arte/NDR
Produzent:
Peter Stockhaus
Regie
und Buch: Thomas Struck
Kamera:
Thomas Struck, Christoph Köster
Musik:
Don Byron
Schnitt:
Michèle Barbin
Länge:
60 Min.
Verleih:
Real Fiction
"Walk Don't Walk" ist auf DVD erschienen bei: www.absolutmedien.de
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