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Wanda
Ein
Film, der sich von Implosion zu Implosion bewegt. Die Bewegung ist dabei so
wichtig wie das Implodieren. Die Bewegung ist ziellos, aber so, dass der Eindruck
gar nicht erst entsteht, es gebe überhaupt etwas wie Ziele. Wanda, die
Titelheldin, ist, sollte man vielleicht genauer sagen, nicht nur ziel-, sie
ist überhaupt antriebs- und steuerlos. Sie schläft zu Beginn, eigentlich
erwacht sie nie. Die Bewegung ist ein Treiben, ein Geraten, sie ist, mit einem
Wort, ganz und gar infinitivisch. Eine Reihung ohne Ziel, ein Driften ohne Steuer,
beendbar nur als ein Stoppen, kein Abschließen, im freeze frame.
Aus
der Reihung ergibt sich ganz konsequent keine Verdichtung. Wanda bleibt rätselhaft
ohne Rätsel. Durch reinen Zufall gerät sie an Männer, den einen
vor allem, Mr. Dennis, und der Film so, wie gesagt, reiner Zufall, an eine Geschichte,
einen Krimi-Plot sogar. Alle Bezüge aber bleiben lose. Unterwegssein ist
hier kein Lebensgefühl, jedenfalls kein positiv benennbares. Unterwegssein
ist das Gegenstück zum Seinen-Platz-Finden, Einen-Ort-Haben, Angekommen-Sein.
Wanda aber ist zu keiner Ankunft unterwegs, sie haftet nur, für die Momente,
die ihr gegönnt sind, an einem Mann, der sie wie Dreck behandelt. Es flammt
kurz ein Wille auf, ein Widerstand, wenn sie das Kissen aus dem Bauch zieht.
Gleich darauf aber liegt sie in der Wanne, im Hintergrund, im dunklen Vordergrund
der Mann, der die Anweisungen gibt, sie wiederholt sie, gehorsam.
Der
Film behandelt Wanda in ihrem Verhältnis zum Raum. Schon zu Beginn ist
sie draußen, in der Nähe einer Müllkippe, der Kamera kommt sie,
nach Einstellungen, die Personen zeigen, die wir nicht mehr sehen werden, wie
zufällig in den Blick. Dann wird sie zur Figur, weiß auf schwarz,
kommt, zwischen Schnitten, als Fleck ins Bild. Keineswegs gewinnt sie vor Gericht
Individualität. Es wird über sie gesprochen, sie widerspricht nicht.
Im Kino schläft sie ein, unfähig auch zur Identifikation mit den Figuren
auf der Leinwand. Wanda kennt kein Begehren, es ist dekomponiert in eine Verlorenheit
im Raum, der sie nicht hält, in ein Haften an Personen, die sie nicht wählt.
Wandas
Existenzweise ist die eines Verschwindens, das nicht gelingen kann. Sie ist
verloren in einer Welt, in der sie nicht einmal den Tod suchen kann. Der Blick
Wandas geht in aller Regel ins nichts. Sie sieht kaum, was sie sieht, wie willenlos.
Von jeder Erkentnis ist sie weit entfernt: Erkenntnis des anderen, Erkenntnis
ihrer selbst. Ihre Reaktionen scheinen rein kreatürlich: der Hut auf dem
Kopf, das Kleid, das Glück, mit dem sie sich, die Hände seltsam abgespreizt
(fast die einzige Ausdrucksgeste des ganzen Films), im Blick des Mannes sonnt,
dem sie, hier flackert etwas auf, gefallen will.
Der
Film selbst sucht die Korrespondenz zu dieser Ausdruckslosigkeit, kunstvoll
kunstlos. Die Kamera folgt, sucht, reagiert, verharrt. Es ist, als geriete sie
an das Geraten, als treibe sie dem Getriebensein hinterher. Man kann das dokumentarisch
nennen, aber hier wird das Dokumentarische zur Form, die sich weder durchstreicht
noch ausstellt. Es gibt keine Position des Films zum Geraten der Figuren und
Dinge. Genau das ist seine Position. Keine Zustimmung, kein Widerspruch, nicht
einmal Beobachtung. Nur Dabeisein, Infinitivsein, ein Lassen, kein Tun.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt’s im archiv mehrere Kritiken
Wanda
(Wanda)
USA
1971, 102 Minuten
Regie:
Barbara Loden
Drehbuch:
Barbara Loden
Director
of Photography: Nicholas T. Proferes
Schnitt:
Nicholas T. Proferes
Darsteller:
Barbara Loden (Wanda Goranski), Michael Higgins (Mr. Dennis), Dorothy Shupenes
(Wandas Schwester), Peter Shupenes (Schwager), Jerome Thier (Ehemann), Marian
Thier (Miss Godek),Anthony Rotell (Tony), M. L. Kennedy (Richter), Milton Gittleman
(Fabrikbesitzer)
Internet
Movie Database: http://german.imdb.com/title/tt0067961
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