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Was
das Herz begehrt
Was
kein Schwein juckt
Während
nur wenige Türen weiter in ausgesuchten Kinosälen das New Hollywood
retrospektiv gefeiert wird, scheint sich in der us-amerikanischen Filmauswahl
des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs ein penetranter Regress Bahn zu
schlagen. Kein Zufall scheint es, dass die beiden bisherigen US-Filme jener
Reihe mit sich auffällig gleichenden Bildern enden: Die Konflikte sind
befriedet, die Harmonie ist hergestellt, das wiedervereinte Bild der Familie
- eine Keimzelle, man weiß das ja - findet sich am reich gedeckten Tisch
ein und wonneproppiger Nachwuchs, den es in der Narration bislang nicht gegeben
hat, springt auch schon durchs Bild, während Geiger geigen und Kameras
in die Totale wechseln. Kein Zweifel: Hier wird eine neue, innere Harmonie ausgerufen,
die sich, auch und gerade, weil in Something's
Gotta Give
mit Jack Nicholson eine Ikone des New Hollywood befriedet wird, förmlich
mit der Berlinale-Retrospektive anzulegen scheint.
Bis
zu dem beschriebenen Bild ist es ein langer, qualvoller Weg: Zu Beginn herrscht
Rock'n'Roll, bzw. was davon übriggeblieben ist, zumindest aber ist Harry
Sonborn jenseits der 60, Besitzer eines florierenden HipHop-Labels und vor allem
besonders erfolgreich darin, junge Dinger abzuschleppen. In der Wohnung seines
neuesten Aufrisses Marin (Amanda Peet) kommt schließlich, was kommen muss:
Eine Herzattacke während des Vorspiels, von Marvin Gaye musikalisch unterlegt.
Pikant obendrein, dass Marins zugeknöpfte Mutter Erica (Diana Keaton),
eine angesehene Drehbuchautorin, und deren Schwester Zoe (selten so nebensächlich
für einen Film: Frances McDormand) ebenfalls anwesend sind und sich dazu
gezwungen sehen, den alternden Hengst ins Krankenhaus einzuliefern und ihn später
dann auch weiter beherbergen müssen. Kleines Liebesgeplänkel mit dem
Arzt Julian (Keanu Reeves), Annäherung Nicholson/Keaton, Nicholsons nackter
Arsch und ebenso Keatons Titten, Sex zwischen Blutdruckmessgerät und Hornbrille.
Konflikt, Keaton am Boden zerstört, dann eben Reeves, wenn Nicholson nicht
will, Nicholson am Boden zerstört. Ein Drehbuch für ein Theaterstück
als Rache an Nicholson, der ist beleidigt und noch mehr am Boden zerstört,
am Ende dann Paris und Happy End wie oben erwähnt.
Was
für eine unerquickliche Anhäufung von Zoten, Peinlichkeiten und intellektuellen
Fehlleistungen. Es geht, natürlich, um die an sich eh schon unnötige
Domestizierung exaltierter Lebensentwürfe, wenn auch, um den Ruch des allzu
Kleinbürgerlichen zu entgehen, im bildungsbürgerlichen Milieu angesiedelt.
Natürlich darf aber auch die kulturell interessierte, still und heimlich
etwas verhärmte Emanze in ihren späten 50ern noch etwas dazulernen,
ihre Säfte, vor allem aber den Körper nämlich, indem er vom Lover
- wie peinlich - mit der Schere aus dem Kokon der Rollkragenpullis herausgeschnitten
wird. Dem folgt eine kleinkarierte Liebesfantasie vom stillen Glück zu
zweit, im einsamen Strandhaus, bei Gewitter und Kerzenschein, die schmerzlich
lange und sträflich unironisch ihr Spiel treiben darf. Und natürlich
kann ein "old dog" nicht (so schnell) belehrt und in den Schoß
der Familie zurückgeführt werden, deshalb wird sich an ihm auf die
denkbar verknöchertste Art feministisch abgekämpft - soll er wenigstens
im Theater zum Schluss sterben -, bis er dann eben doch einlenkt und in Paris
zum Charmeur heranreift. Ein in die Jahre gekommener, durch seine Epigonen selbst
schon überholter Feminismus macht sich hier breit, der sich letztendlich
doch nur als sturer Konservatismus mit Kulturkolorit zu erkennen gibt - wie
rundum und unsäglich langweilig. Nie war das gute, alte New Hollywood wichtiger.
Der
Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin außer
Konkurrenz im Wettbewerb und ab 12.02. auch im Kino.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist auch erschienen bei:
Was
das Herz begehrt
(Something's
Gotta Give, USA 2003)
Regie/Drehbuch:
Nancy Meyers
Kamera:
Michael Ballhaus
Musik:
Hans Zimmer
Darsteller:
Jack Nicholson, Diana Keaton, Amanda Peet, Keanu Reeves, Frances McDormand,
u.a.
Internet
Moviedatabase: http://imdb.com/title/tt0337741/
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