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Wassup
Rockers
Irgendwo im sozialen Niemandsland zwischen Hollywood-Schriftzug
und South Central Los Angeles spielt Larry Clarks „Wassup Rockers“. Nach den
dezidiert weißen Milieus des Trailer Parks („Bully“) und der Suburbia
(„Ken Park“) hat Clark seinen neuen Film in einem Milieu angesiedelt,
das seinem bisherigen Œuvre eher fernstand, nichtdestotrotz aber – ähnlich
der populären White Trash- bzw. Vorstadt-Erzählung - eine eigene (pop)kulturelle
Topologie hervorgebracht hat. Die Kids in „Wassup Rockers“ haben das unbewusst
verstanden, oder bereits am eigenen Körper erfahren müssen, wenn sie
auf die Frage nach ihrer Herkunft immer wieder mit einem Klischee antworten:
„Wir kommen aus dem Ghetto“. Genauso müssen Jonathan, Kico, Spermball,
Porky, Eddie, Louie und Carlos auch ständig erklären, dass sie keine
Mexikaner sind, sondern Salvadorianer und Gualtemateken; und keine Rocker, sondern
Skatepunks – trotz ihrer Lederjacken und der viel zu eng geschnittenen Hosen.
Bei Clark sind Klamotten, Hautfarbe und sozialen
Geographien aber nicht bloß Running Gags, die der rudimentären Handlung
von „Wassup Rockers“ eine zirkuläre Struktur verleihen. Seine kulturellen
Stereotypen speisen sich aus einem schier unerschöpflichen Fundus mal mehr
(der weiße Streifenpolizist in Beverly Hills), mal weniger (die schwarzen
Nachwuchsgangster mit ihren tiefhängenden Baggypants) offener Rassismen,
wie sie an den sozialen Brennpunkten westlicher Metropolen, an denen ethnische
und Klassen-Gegensätze zur Reibung kommen, alltäglich sind. Bestenfalls
gehen sie noch auf himmelschreiende Ignoranz zurück, wie im Falle der schwulen
Fashion-Hipster, deren Party Jonathan und seine Posse kurzzeitig crashen.
Clark wirkt diesen Vorurteilen mit seiner seltenen
Beobachtungsgabe entgegen. So wie das in „Wassup Rockers“ repräsentierte
South Central mit dem im amerikanischen Mainstream kolportierten Image, dem
noch immer das mediale Schreckgespenst der Achtziger Jahren mit seinen schwarzen
Jugendgangs anhhaftet, nur noch wenig gemein hat – Latinos stellen längst
den größten Bevölkerungsanteil -, hat sich auch der Sound des
„Ghettofilms“ gewandelt: statt Gangsta HipHop begleitet der furiose Latino-Punk
von lokalen Bands wie Defiance oder Moral Decay Clarks Exkursionen durch eine
seltsam unspezifische Stadtlandschaft. Erst als die Jungs auf der Suche nach
einem neuen Skate-Parcours in Beverly Hills ankommen, ist das vertraute Los
Angeles-Bild wieder hergestellt. Aber auch Clark arbeitet in „Wassup Rockers“
mit Klischees und Karikaturen, bis hin zur Farce. Im Mädchenzimmer, in
das die Skatepunks von zwei frühreifen Freundinnen eingeladen werden, dominiert
das Zartrosa eines Barbie-Puppenhauses, und der cholerische Altschauspieler,
der bei ihrer Flucht durch die Gärten auf die Jungen schießt, erinnert
nicht ganz zufällig an Charlton Heston.
Wo die Jungen auf ihrer Odyssee durch Los Angeles
auch landen (am katastrophalen Zustand des öffentlichen Nahverkehrssystems
wird die ökonomisch-soziale Ungleichheit in Amerika auch strukturell erfahrbar),
immer bleiben sie Außenseiter: ob als minderjährige Hosenscheißer,
Latinos oder Skater. Solidarität finden die Teenager wieder nur untereinander
- in der Clique oder im Zimmer der Mädchen. Oder gleich bei Clark. Wie
er die Kids mit der Kamera einfängt, mitten in den Bewegungen oder beim
hilflosen Artikulieren ihrer Gefühle, zeugt von der unendlichen Geduld,
die er für seine Laiendarsteller aufbringt. Der Lohn ist dann ein Dialog
wie der zwischen Kico und einem der Mädchen, halbnackt auf dem Bett, so
wie Clark seine Darsteller am Liebsten filmt. Der Sex ist zum Greifen nah, doch
stattdessen entwickelt sich zögerlich ein fast zehnminütiges, merklich
spontanes Gespräch zwischen den beiden: über das Leben in der Hood,
Freunde und Familie. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Clarks Filme immer
wieder zu solch einer Genauigkeit finden. Man sieht „Wassup Rockers“ an, dass
Clark kein inhaltliches Konzept verfolgt hat, dass es ihm immer nur um vereinzelte
Momente von Wahrhaftigkeit geht. Auch darum muss man ihm seine groben Albernheiten
manchmal nachsehen. Verglichen mit „Kids“ oder „Ken Park“ ist „Wassup Rockers“ ein ungeschliffener
Rohdiamant. Aber nie war Clark näher dran an seinen Figuren.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Wassup
Rockers
USA
2005; 111 Minuten; Regie: Larry Clark; Drehbuch: Larry Clark; Produzent(en):
Larry Clark, Kevin Turen, Henry Winterstern; Mit Jonathan Velasquez, Milton
Velasquez, Francisco Pedrasa, Yunior Usualdo Panameno, Eddie Velasquez, Jeremy
Scott, Janice Dickinson
DVD:
Vertrieb:
e-m-s new media
Sprache(n):
Deutsch, Englisch
Untertitel:
Deutsch
Altersfreigabe:
ab 16 Jahren
Spieldauer:
107 Minuten
Verleih
ab: 2.1.2007
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