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The
Weatherman
David Spritzer ist ein Celebrity mit einem gespaltenen
Verhältnis zum gemeinen Volk. Die, die ihn auf der Straße um eine
spontane Wettervorhersage bitten, gehen ihm auf den Geist. Manchmal kanzelt
er sie auch als “Idioten” ab. Vom Rest erfährt er Erniedrigung durch tieffliegendes
Fast Food. Der Ruf “Hey Weatherman!” ist sein Signal, in Deckung zu gehen. Was
gewöhnlich folgt, ist ein Milchshake, eine Portion McNuggets oder ein Burrito.
“Ich erhalte einen beträchtlichen Lohn für mehr oder weniger Null
Leistung,” erklärt Spritzer mit der tonlosen Stimme Nicholas
Cages aus dem Off. “Ich glaube, die Milchshakes sind eine Reaktion darauf.”
David Spritzer ist der Wetterfrosch einer lokalen Fernsehstation in Chicago.
Ein Wetterexperte ohne meterologische Kenntnisse. Trotzdem bringt er mit zwei
Stunden Arbeit pro Tag ein stolzes Jahreseinkommen nach Hause – plus den Honoraren für “die Auftritte”. Diese Auftritte bestehen u.a. darin, als
Abraham Lincoln verkleidet, Volksfeste zu moderieren. Seine Popularität
ist nur um den Preis öffentlicher Demütigung zu haben.
Die 100 Minuten im Kopf von David Spritzer gehören
zu den frustrierendsten und freudlosesten Kinoerlebnissen der letzten Zeit –
im allerbesten Sinne. Gore Verbinskis “The Weather Man” ist eine bittere Studie
von männlicher Unzulänglichkeit. Niemand meint es gut mit Spritzer,
nicht einmal der Regisseur. Wenn es im Film etwas zu lachen gibt, geht es garantiert
auf Kosten des Wettermannes. Dem Vorwurf seiner ex-Frau, er würde zu viel
fluchen, begegnet er trotzig wie ein kleines Kind, bis seine Verteidigungsrede
selbst in eine obszöne Hasstirade umschlägt; den Freund seiner Ex
nennt er im Affekt einen ‘Dildo’. Mit seiner passiv-aggressiven Schildkrötigkeit
(Cages Anzüge sind eine Spur zu weit und eckig) tappt Spritzer in jedes
noch so kleine Fettnäpfchen. Sein Leben ist ein einziger Spießrutenlauf.
Es bedarf einiger Kaltschnäuzigkeit auf Seiten des Zuschauers, sich auf
dieses menschliche Desaster einzulassen.
Regisseur Verbinski ist, was man in Hollywood gemeinhin
einen hack nennt: ein Auftragsfilmer, ein nützlicher Idiot
ohne eigene Handschrift. Dass “Fluch der Karibik” in der Bruckheimer-Maschinerie vor einigen Jahren zum
Überraschungserfolg avancierte, bewahrte ihn vor einem ähnlichen Schicksal
wie das David Spritzers: den Sturz in die prominente Bedeutungslosigkeit; bekannt,
aber nicht respektiert. “Weather Man” ist der ambitionierte wie bizarre Versuch
Verbinskis, sich als Autorenfilmer einen Namen zu machen. Doch wo David O. Russell
oder Spike Jonze (Spritzer ist ein noch erbärmlicherer Trauerkloß
als Cages Charlie Kaufman aus “Adaption”) ihre tragikomischen Charakterstudien durch eine spielerische
Bildsprache aufzulockern verstehen, macht sich bei Verbinski eine Tarkowski-ähnliche
Trostlosigkeit breit. Dementsprechend grau sieht auch das winterliche Chicago
aus. Auf dem Lake Michigan schieben sich frostig die Eisschollen gegeneinander.
Einzig Michael Caine bringt etwas Stattlichkeit in dieses
moderne Elend. Bob Spritzer ist all das, was Sohnemann David gerne wäre:
erfolgreich, respektiert, ein guter Vater. Caine strahlt eine beneidenswerte
Ruhe aus; nur sein geplagtes „mein Sohn“, das er an jeden zweiten Satz hängt,
lässt vermuten, dass er von den Kapriolen seines Sprosses nicht allzu erbaut
ist. Zum Beispiel, wenn der einmal einem Kontrahenten aus heiterem Himmel seinen
Lederhandschuh ins Gesicht klatscht – links, rechts. Dummerweise mangelt es
David Spritzer entschieden an der nötigem Noblesse, solchen Geste eine
Größe zu verleihen. Bei ihm wirken sie eher jämmerlich. „All
die Menschen, die ich hätte werden können,“ erkennt
er schließlich in einem Anflug von Selbstaufgabe, „wurden weniger und
weniger, bis sie sich schließlich auf einen reduzierten; den, der ich
bin. Der Wettermann.“
Andreas Busche
Dieser
Text ist nur erschienen in der filmzentrale
The Weather Man
USA 2005 - Regie: Gore Verbinski - Darsteller: Nicolas Cage, Michael
Caine, Hope Davis, Gil Bellows, Michael Rispoli, Gemmenne De La Pena, Nicholas
Hoult, Judith McConnell, Chris Marrs - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 6 -
Länge: 102 min. - Start: 2.3.2006
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