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What
the Bleep do we (k)now!?
“What the Bleep do we (k)now!?" stellt die ultimativen Fragen
"Ver....., was wissen wir eigentlich?"
könnte der sinngemäß übersetzte deutsche Titel dieses seltsamen
Films sein, in dem sich 13 Wissenschaftler und ein 35 000 Jahre altes Bewusstsein
vom verschwundenen Kontinent Atlantis eben diese Frage nach dem Leben, dem Universum
und allem stellen. All jene, die den "Hitch-Hiker’s Guide to the Galaxy"
von Douglas Adams kennen, wissen natürlich, dass die Antwort darauf "42"
ist. Aber diesen Grad der Erleuchtung haben die Quantenphysiker, Neurologen,
Theologen, Philosophen und Biochemiker noch nicht erreicht, die hier von den
offensichtlich auch sie selber verwirrenden Schlussfolgerungen aus ihren Forschungen
berichten. Wie können wir sicher sein, dass die Welt, die unser Sinne wahrnimmt,
auch tatsächlich existiert? In welchem Umfang kann das Bewusstsein das
Sein verändern? Was macht unsere Identität aus? Gibt es überhaupt
einen freien Willen oder sind wir nicht mehr als die Sklaven der biochemischen
Prozesse in unseren Körpern?
Die armen Wissenschaftler, die
ja nichts anderes wollen, als in sich logische und rationelle Erklärungen
für Phänomene in ihren Sachgebieten zu entwickeln, wurden durch ihre
Forschungsergebnisse gezwungen, immer mehr zu Mystikern zu werden. Die Quantenphysiker
haben etwa immer noch schwer daran zu schlucken, dass in ihren Experimenten
ein Teilchen gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten auftaucht, und in der
Nuklearphysik stößt man bei der Suche nach den kleinsten Bausteinen
der Materie auf Schimären und das Nichts. All dies erklären die Wissenschaftler
meist sehr gescheit, eloquent und inspirierend. Wenn sie dabei aber ihre Forschungsergebnisse
und Theorien in zwei bis drei möglichst knalligen Sätzen zusammenfassen
müssen, ist der Zuschauer bald heillos überfordert. Da werden pro
Minute gleich mehrere Fundamente unseres Weltbildes erschüttert, und man
hat beim Zusehen keine Ruhe, das Erzählte zu verarbeiten und zu hinterfragen.
So fällt dann etwa solch ein absolut hirnrissiger Satz wie "Die Erde
ist der einzige Planet in der Galaxis, dessen Bevölkerung einer unheimlichen
Unterdrückung durch Religionen unterworfen ist!" kaum auf, und auch
dass unter all den renommierten Wissenschaftlern eine nette, etwas ältere
Blondine Weisheiten von sich gibt, die ihr angeblich von der uralten, durch
ihren Körper sprechenden, Gottheit Ramtha aus Atlantis eingegeben wurden,
kann man bei der Überfülle von Information schnell übersehen.
Die Forscher sind in ihrer Ratlosigkeit
bei der oft eher diffusen Suche nach einer Brücke zwischen den Wissenschaften
und dem Spirituellen allesamt sympathisch, und der Film wäre viel besser
gelungen, wenn sich die Filmemacher nur auf deren Aussagen konzentriert hätten,
auch wenn sie dann fast nur Bilder von sprechenden Köpfen mit Kreidetafeln,
Laborfenstern und Bücherregalen im Hintergrund gezeigt hätten. Errol
Morris hat mit seinem Film über Stephen Hawking bewiesen, dass man dieses
ästhetische Handicap filmisch brillant lösen kann. Doch die drei Filmemacher
Mark Vicente, Betsy Chasse und William Arntz konnten sich nicht auf eine Stilform
einigen, mit der sie ihre Geschichte erzählen wollten, und so inszenierte
jeder von ihnen ein Drittel des Films, ohne sich weiter darum zu kümmern,
ob die drei Erzählebenen irgendwie zusammenpassen. So wird immer wieder
scheinbar völlig unmotiviert von den dozierenden Akademikern auf eine Spielhandlung
geschnitten, in der die Schauspielerin Marlee Matlin sich schrittweise von einer
frustrierten Fotografin in eine erleuchtete Esoterikerin verwandelt. Diese kaum
verständliche Parabel ist so ungeschickt inszeniert und mit kitschiger
New-Age-Musik unterlegt, dass sie einem fast den ganzen Film verderben kann.
Ähnlich unausgegoren sind die Trickfilmsequenzen, in denen Flecken in psychedelischen
Farben die menschlichen Emotionen, Sinne, Verhaltensmuster oder Körperzellen
repräsentieren, so dass zum Beispiel plötzlich eine fette, rote Sexsucht
"I’m addicted to love" von Robert Palmer singt. Und so fragt sich
der Zuschauer leider zu oft in diesem Film "What the Bleep are they doing?"
Wilfried Hippen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz Bremen
What the Bleep do we (k)now!?
USA
2004 - Regie: William Arntz, Betsy Chasse, Mark Vicente - Darsteller: Marlee
Matlin, Elaine Hendrix, John Ross Bowie, Robert Bailey Jr., Barry Newman, Larry
Brandenburg, William Joseph Elk III - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge:
113 min. - Start: 24.11.2005
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