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Wonderboys
Lässt
sich kreatives Schreiben mittels Ritualen oder okkulten Kulten beschwören
oder haben einige Schriftsteller einfach nur eine gepflegte Macke? Manche Autoren
benötigen einen speziellen Raum, um ihre Kreativität zu beflügeln.
Manche müssen sich kreativ saufen oder schreiben nur, wenn sie bekifft
sind. Andere suchen Hilfe in einem verranzten Kleidungsstück, das sie beim
Schreiben tragen oder sie können nur auf bestimmtem Papier und mit einer
bestimmten Schreibmaschine schreiben. Ich selbst z.B. bin der einzige mir bekannte
Drei-Liter-Autor. Um kreativ zu sein benötige ich drei Liter Alkohol. Möglichst
einen energiereichen Rotwein der Sorte Chateau du Racell. Und manchen bleibt
jede sinnvolle Zeile verwehrt - trotz Kiffens, Saufens oder personengebundenem
Musche-Buh-Buh-Zaubers.
Wer
noch
keine Vorstellung hat, wovon ich rede, schaue sich Michael Douglas in "The
Wonderboys" an. Der erfolgreiche Schauspieler, der gern in teuren Anzügen
erfolgreiche Arschlöcher spielt, beseelt in diesem Film einen Schriftsteller,
der in einem alten schäbigen rosa Bademantel und mit Pudelmütze herumschlurft,
an einem nicht enden wollenden Roman arbeitet und dabei wirkt wie ein bekifftes
Mainzelmännchen. Als angegrauter Literatur-Professor Grady Tripp lehrt
er an der University Pittsburg jungen Leuten Kreatives Schreiben. Davon gibt
es in Amerika Kurse zu Hauf. Kreatives Schreiben gilt als Handwerk. Tripp ist
der Lehrmeister, bringt jungen Leuten die Regeln bei und unterstützt sie
in der Schaffensphase. Er ist ein Lehrer, den die Schüler mögen. Einfühlsam,
aufmerksam und schrullig genug um glaubhaft zu sein. Tripps letzter Erfolg liegt
bereits ein paar Jahre zurück. Momentan hängt er tief in einem Kreativitätsloch.
Seine Frau verlässt ihn, sein Lektor erscheint bei ihm, ungeduldig auf
ein neues Manuskript wartend. Sein Lieblingsschüler tischt ihm eine Lügengeschichte
nach der nächsten auf, bekifft sich, findet nicht nach Hause und übernachtet
bei ihm, die begehrenden Blicke des bisexuellen Lektors auf sich ziehend. Die
Frau seines Chefs erwartet ein Kind - von ihm. Kurz - Tripp sitzt vor einer
auslaufenden Tanksäule und raucht.
Der
Regisseur Curtis Hanson geht nicht gerade zimperlich mit seinen Protagonisten
um. Und auch deren Umwelt hat es nicht einfach. Anständig verfahrene Situationen,
die mit den nachfolgenden Handlungen nicht besser und schon gar nicht überschaubarer
werden. Zumindest nicht für den Hauptdarsteller, dessen Hauptproblem es
ist, sich nicht entscheiden zu können. Für den Zuschauer ist das schon
einfacher. Diesen zotteligen, vertrottelt wirkenden Mann in der Midlife-Crisis
zu mögen, fällt nicht schwer. Michael Douglas, völlig gegen den
Strich besetzt, glänzt in dieser Komödie dank seines Mutes zur Hässlichkeit.
Tobey Maguire spielt den jungen Autoren. Ein hervorragender Schauspieler, wenn
er nicht gerade als Spider-Mann zwischen Hochhäusern herumbaumelt. Robert
Downey jr. kann in der Rolle des Lektors erneut beweisen, dass er mehr auf dem
Kasten hat, als sich in den Knast zu koksen.
Dem Regisseur und Oscarpreisträger Curtis Hanson verdankt man bereits Meisterwerke,
wie "Die Hand an der Wiege" und "L.A. Confidential". Mit
"The Wonderboys" liefert er einen weiteren geschickt ausgeleuchteten
Einblick in die verdrehte Gefühlswelt von Menschen, die die Kontrolle über
ihr Tun verlieren. Dies gewürzt mit brillanten Dialogen und pointierter
szenischer Fotografie. Hanson, der schon geschmackvoll die Musik zu "L.A.
Confidential" auswählte, zeigte auch hier musikalische Treffsicherheit.
Ein alternder Autor liebt Alte-Männer-Musik. Van Morrison, Neil Young und
ein wunderbar aufgeräumter Bob Dylan würzen die Irrungen des Professors.
Dylan erhielt völlig zu Recht den Oscar für den besten Titelsong.
Und ich bin kein Dylan-Fan.
Der
Videoclip zum Song gehört dann ebenso zu den vielen Extras auf der DVD,
wie eine englische und eine deutsche Sprachfassung. Sehr schön ist der
Dolby-Klang übrigens während der Szenen im Universitätsgebäude.
Ansonsten finden sich noch Kommentare des Regisseurs zu den ausgewählten
Songs, Biografisches über Darsteller und Regisseur, Reportagen vom Set
und die üblichen Lobhudeleien der Crew über die besten Dreharbeiten
mit den besten Kollegen, die man je hatte. Das übliche Bla-Bla, was als
Werbegeblähe auf jeder DVD notwendig ist wie Verpackungsmüll im Stadtpark.
Schade - gute Filme haben so etwas eigentlich nicht nötig. Der Film selbst
jedoch ist allen zu empfehlen, die geistreiche Dialoge mögen, hervorragendes
Schauspiel sehen wollen und keine Lust auf permanente Explosionsgeräusche
verspüren.
Karsten
Rube
Diese
Kritik ist zuerst erschienen auf: http://www.raileigh.de
Wonder
Boys
- Regie: Curtis Hanson - Buch: Steve Kloves, nach dem gleichnamigen Roman von
Michael Chabon - Kamera: Dante Spinetti - Schnitt: Dede Allen - Musik: Christopher
Young - Darsteller: Michael Douglas, Frances McDomand, Tobey Maguire, Robert
Downey Jr., Katie Holmes, Richard Thomas u.a. - 2000; 110 Minuten
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