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Wu
Ji -
Die Reiter der Winde
Auf einem mit Leichen übersäten Schlachtfeld
wäscht ein Mädchen die Toten. Sie wird von einem älteren Jungen
gefangen genommen, der sie für ein paar Brocken Essen zu seiner Sklavin
machen möchte. Das Mädchen tut so, als ob sie damit einverstanden
ist, rennt jedoch bei der nächsten Gelegenheit weg. Auf ihrer Flucht begegnet
sie einer wunderschönen Zauberin. „Möchtest du eine Prinzessin werden,
der die Männer einmal zu Füßen liegen werden?“, fragt sie. „Doch
der Preis ist hoch, du wirst niemals eine glückliche Liebe erfahren.“ Trotzdem
willigt das Mädchen in den Handel ein.
Jahre vergehen. Auf einem Schlachtfeld bereitet
sich ein General auf die Entscheidungsschlacht vor und zieht seinen prächtigen
Brustpanzer an. Der Gegner ist übermächtig. Erst die Geschicklichkeit
eines jungen Sklaven sichert den verloren geglaubten Sieg. Noch in derselben
Nacht wird der General zurück zu seinem König befohlen, dessen Palast
von Feinden belagert ist. Der treue Sklave ist der einzige, der ihn auf dem
Rückweg beglei-ten soll. Doch schon bald werden die Männer getrennt.
In der Nacht erscheint dem General die schöne Zauberin. Sie warnt ihn davor,
in die Stadt zurückzukehren, und weissagt, dass ein Mann in der Rüstung
des Generals seinen König töten wird. Kurz darauf wird der Feldherr
angefallen und schwer verletzt. Der Sklave findet ihn und verspricht, sich in
der Rüstung seines Herrn in die belagerte Stadt durchzuschlagen. Dort hat
der König gerade dem Anführer der Belagerer die Prinzessin als Preis
für die Freiheit angeboten…
(Quelle: Berlinale)
Es ist mir zu dumm, die ohnehin unnötig wirre
Handlung des Films in eigener Leistung zu paraphrasieren, man verzeihe mir also
die Zitation; wie überhaupt viele Worte über diesen Film zu verlieren
eigentlich schon zuviel der Mühe ist. Chen Kaige, sonst eher in der Filmkunst
zuhause, treibt es, der nächste Zhang Yimou zu werden; nur will der selbst
zur Zeit von bunten Flatterfilmen mit viel Liebestragik vor archaisch-pittoresker
Kulisse nichts wissen und kehrt gerade gerade wieder zu seinen Wurzeln, den
kleinen Programmkinofilmen, zurück. Was sollte auch nach dem den Bogen
oftmals schon überspannt habenden House
of Flying Daggers noch kommen? Chen
Kaige, unberechtigt unerschrocken, präsentiert Wu
Ji als Antwort.
Und der ist vor allem eine bodenlose Lächerlichkeit.
Doch keine jener Sorte, bei der man sich als insgeheim verbündet mit dem
Film ansehen darf. In einer der ersten Sequenzen - die eine ziemlich hirnrissige
Actionszene quer durch ein Canyon-System zeigt - mag man noch auf Qualitäten
einer Persiflage spekulieren können, auf einen wilden Nonsens, bei dem
jeder Umschnitt die Verheißung von vollkommen Unerwartetem, im besten
Sinne Verrücktem mit sich bringt. Doch solche Hoffnung wird zu keinem Zeitpunkt
erfüllt, Wu Ji nimmt sich toternst und landet damit, sehr zum Leidwesen
des Publikums, nach Strich und Faden auf der Schnauze.
Kein Schnickschnack wird ausgelassen, kein Schmarren
ist ihm zu peinlich. Zwischen dümmlicher Hauruck-Burleske und überspanntem
Kitschbild, das sich selbst nie als solches zu begreifen und sich dazu zu verhalten
gedenkt, zerfällt dieser Streifen in seine Einzelteile, ohne dass man als
Zuschauer auch nur irgendwas davon hätte. Hinzu kommt, dass der Film in
CGI badet, die einfach nicht ausgereift sind und deshalb mit den für sich
belassenen Sequenzen in keinem Moment die Illusion eines nahtlosen Filmraums
ergeben, in dessen Koordinaten Schwerkraft und Physik außer Kraft gesetzt
werden könnten. Das Staunen über die Artistik, das man als Effekt
solchen over the top-Filmen aus Fernost ansonsten gern zugute hält, findet
hier beim Übergang von Filmkamera zu Computerpixel seine strikte Grenze.
Jene Physis, für die man das Kampfkunst-Kino aus Asien einst zu schätzten
gelernt hat, findet nicht statt.
Alles in diesem Film ist Kalkül, nichts an den
zuckerbunten Bildern stimmt. Jeder Aufwand, jedes Kunststückchen mit der
Kamera - und von denen gibt es viele, hopplahopp, über den Baum gehüpft
und nun Rolle rückwärts wieder zurück -, alles also, mit dem
man regelrecht zugeschissen wird, geschieht nicht aus Lust am Schönen,
sondern aus dem Bedürfnis heraus, eine zweifelhafte Erwartungspflicht zu
erfüllen. Der Film ist so aufgeregt in dem, was er tut, so übereifrig,
dass er sich förmlich überschlägt und es dabei doch genausogut
sein lassen könnte, so groß ist die vollendete Wurschtigkeit, die
diesen Entwurf vom Kino durchzieht.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen
im:
Wu
Ji - Die Reiter der Winde
Hong
Kong / China / USA 2005 - Originaltitel: Wu ji - The Promise / Mo gik - Regie:
Chen Kaige - Darsteller: Hiroyuki Sanada, Jang Dong-Kun, Cecilia Cheung, Nicholas
Tse, Liu Ye, Chen Hong, Cheng Qian, Quian Bo - FSK: ab 12 - Länge: 103
min. - Start: 27.4.2006
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