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Xaver
und sein außerirdischer Freund
Allein am Freibier, an der Blasmusik
und am Plastik-King-Kong im „Melodram" von Neugablonz bei der Weltpremiere
von Werner Possarts Film XAVER - UND SEIN AUSSERIRDISCHER FREUND kann es nicht
gelegen haben, daß ich diesen Film recht gern mag. Es ist eine echte Provinzklamotte
mit vielen ziemlich derben, aber manchen auch erstaunlich sanft subversiven
Gags. Er lebt anstatt von der Verachtung der Region, die das Genre ansonsten
prägt, von einer herzhaften, sarkastischen Liebe zu ihr. Leute aus den
Stauden, einer schönen Gegend südöstlich von Augsburg, spielen
mit, Laien und Darsteller von Amateurbühnen der Region. Daß trotzdem
das notorische Kunst-Oberbayrisch statt des ortsüblichen Schwäbisch
gesprochen wird (wie Possart zunächst im Sinne hatte), sollte mich eigentlich
erzürnen. Aber das ist wirklich nicht der Augenblick, sich von Produzenten-
und Fernsehauflagen die gute Laune verderben zu lassen.
Also, da ist Xaver, ein Waisenknabe,
der sich ein staunendes Interesse und eine Freude an der Welt nicht austreiben
läßt, auch wenn man ihn in der Dorfgemeinschaft zum Außenseiter
gemacht hat und er nur ausgebeutet wird. Er hat sich in die Landdisko gewagt,
ausgerechnet an jenem Tag, als eine Bande jugendlicher Neonazis das Etablissement
anzünden. Xaver hat die Täter erkannt und flieht in den Wald, wo
er auf einen fluchenden kleinen Extraterresten trifft, der mit seinem kaputten
Raumschiff (es erinnert verdächtig an eine Isetta mit Flügeln) notgelandet
ist. Die Verständigung macht zunächst einmal Schwierigkeiten, aber
Xaver meint zumindest soviel verstanden zu haben, daß sein neuer Freund
Alois heißt. Damit man ihn nicht entdeckt, bis sein Raumschiff repariert
ist - Xaver kennt da einen Mechaniker -, steckt Xaver den Alois in Lederhose,
kariertes Hemd und Filzhut. Mittlerweile hat man Xaver als Brandstifter denunziert,
und nun beginnt die wilde Jagd. Alois hat unterdessen ein paar Brocken irdisch
gelernt: „genau", "sowieso", „Bier - a Maß", „Bieseln"
- ein recht begrenzter Wortschatz, mit dem aber offensichtlich hier auszukommen
ist. Zwar muß Xaver ab und zu seinem Freund beistehen, weil der die Worte
ganz willkürlich gebraucht, ohne deren Sinn zu verstehen, aber im großen
und ganzen kommt Alois ganz gut zurecht, zumal er sich als wahrer Meister im
Biertrinken erweist und schließlich sogar ein Wettsaufen gewinnt. Ausgelassen
wird nun nichts: der Dorfpfarrer, die dralle Bauerstochter, die Bierzeltrauferei,
Autodemolierung, Feuerwehrfest, Wasserspritzerei, ein Jäger, der auf Alois
und Xaver schießt, weil er sie für Hirsche hält, eine Blaskapelle,
die den Frieden des Waldes schmetternd aufstört (eine von mehreren ebenso
überraschenden wie auf besondere Art poetischen Szenen, in denen Klischees
des Heimatfilms revoltieren), jodelnde Dirndl mit Alois in der Mitte usw. Zum
Schluß besteigen auch Xaver und seine Hanni das Raumschiff, das unterdessen
repariert wurde, um auf einen fernen Planeten zu gelangen, wo es hinfort nicht
mehr an Bier mangeln wird.
Die Geschichte ist schön
bescheuert: genau das, was dabei herauskommt, wenn ein etwas aufgedrehtes Bauerntheater
E.T. spielt und ein Regisseur das abfilmt, der das Beste von Russ Meyer (keine
falschen Schlüsse!) und amerikanischen C-Filmen anwendet. Zum Beispiel
eine Kamera, die beweglich genug ist, die Taten und Untaten der Helden aus der
stets wirkungsvollsten, leicht übertriebenen Perspektive zu filmen, und
zugleich ruhig genug, die Landschaft mit ins Geschehen einzubeziehen. Die Regieeinfälle
drängen sich nicht vor das Spiel der Darsteller, das die Stimmung der Films
bestimmt: Kein Realismus und doch die größte Nähe zum eigenen
Leben, die eine Filmmaschine zuläßt.
Den Ton hätte ich mir ein
bißchen differenzierter (vielleicht sogar ein bißchen „dilettantischer")
gewünscht, aber Herr Possart meinte, genauso hätte man sich das vorgestellt.
Brauch' ich auch nicht rumzumeckern. Genau. Sowieso!
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 1/87
Xaver
und sein außerirdischer Freund
Bundesrepublik Deutschland 1986. R und B: Werner Possardt. K: Jakob Eger. Sch: Christel Maye. M: Hans Jürgen Büchner. T: Gerhard Metz, Christian Bollmann, Thomas Eichhorn. Ba: Herrmann Seidl, Udo Leidecker. A: Gerald Damovsky. Ko: Vaja Pangea. Sp: Peter Rotten Stunts: Bari Stunts. Pg: Calipso Film/Franke/Possardt/ZDF. Redaktion: Christoph Holch. U: Kora-Film. St: 30.10.1986. D: Rupert Seidl (Xaver), Carlos Pavlidis (Alois), Gabi Fischer (Anni), Marinus Brand (Hubert), Heinz Josef Braun (Eberhard), Ayse Ercyn (Maria), Josef Thalmeier (Pfarrer), Erich Meister (Bürgermeister), Roland Kern (Greinerbauer), Willi Lex (Doniesel), Franz Gäßler (Georg), Hans Gschlößl (Franz), Günther Schönborn (Ferdl), Alois Mehlhose (Feuerwehrmann), Renate Hummel (Wirtin).
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