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Young
Adam
Mit „Young Adam“ ist David Mckenzie eine Romanverfilmung
des schottischen Beat-Poeten Alexander Trocchi auf unspektakuläre Weise
geglückt.
Alles in diesem Film wirkt feucht und erdig. Das
Deck der – ironischer Weise – „Atlantic Eve“ getauften schottischen Frachtbarke;
die Ziegelmauern der Fabriken und Arbeiterunterkünfte, die die Kanäle
säumen; ja selbst der Kohlenstaub unter den Fingernägeln des introvertierten
Bootsgehilfen Joe alias Ewan McGregor.
Gleich in der ersten Einstellung werden einmal Schwäne
durchs trübe Glasgower Hafenwasser von unten betrachtet. Auch keine wirklich
hübsche Aussicht, die wir uns da – wie eine Unterwasser-Kamerfahrt zeigt
– mit der Leiche einer jungen Frau teilen.
Es war sicher kein Leichtes, „Young Adam“, den sechsten
Roman des u.a. von William Burroughs, später auch von Norman Mailer oder
Timothy Leary beeinflussten schottischen Underground-Autors Alexander Trocchi
aus dem Jahr 1954, zu verfilmen. Zwar ist in Rezensionen schon immer die Rede
von Trocchis „cinematischen“, soll heißen extrem bildhaften Prosastil
gewesen. Doch andererseits besteht das formale Hauptmerkmal von „Young Adam“
gerade in seiner „Ich, Ich, Ich“-hämmernden Erzählperspektive. Die
wiederholten Hinweise Joes auf die eigene Instabilität und Unzuverlässigkeit:
„Was für ein willkürlicher Ausdruck, „ich“; sobald ich „ich“ sage,
beginnen schon die Probleme.“; sie tragen viel zur Oberflächenspannung
des Romans bei.
Und dann ist da natürlich noch das inhaltliche
Zentrum: erotische Szenen von einer taktilen Explizität, die dem Roman
„Young Adam“ damals die Veröffentlichung in der auf schlüpfrige Schriften
spezialisierten Pariser Olympia Press überhaupt erst ermöglichten.
Um es aber kurz zu machen: Dem schottischen Drehbuchautor
und Regisseur David Mackenzie ist es auf relativ unspektakuläre Weise gelungen
Trocchis Roman in Bilder zu übersetzen. So ist er nicht der Versuchung
konventioneller Literatur-Verfilmer erlegen, einen subjektiven Erzählerkommentar
einzubauen. Stattdessen zeigt er uns einen verknautscht genug wirkenden Ewan
McGregor in der Rolle von Joe, dem gescheiterten Schriftsteller, der sich aus
Lebensüberdruss als Bootsgehilfe verdingt; wir sehen die Blicke und die
Berührungen die zwischen ihm und Kapitänsfrau Ella stattfinden, und
verstehen auch ohne viele Worte, welche Gedanken vor und hinter dem Akt des
Ehebruchs liegen.
Peu á peu lässt Mackenzie dort Rückblenden
einfließen, wo sich auch im Roman Joe schlaglichtartig erinnert: Und so
klaren die trüben Wasser langsam auf, lassen sichtbar werden, dass die
Tote, die Joe und Kollege Les (Peter Mullan) zu Beginn aus dem River Clyde gefischt
haben, in der Vergangenheit bedeutender Teil von Joes Leben war.
Gerade im Vergleich mit den hochartifiziellen Bildern
der beiden anderen dieswöchigen Kinostarts (siehe Streifenweise), bietet
die graugrüne Matter-of-Factness von „Young Adam“ einen angenehmen Kontrast.
Die Atmosphäre ist kühl, das Erzähltempo gemächlich, wie
die Fließgeschwindigkeit in den Kanälen; vor allem auch mit der Besetzung
der androgynen Tilda Swinton in der Rolle der im Roman so ganz anders, als drall
und weiblich, geschilderten Ella, ist Mackenzie ein Coup gelungen: Swinton,
deren hagere Abgeklärtheit hier ganz plötzlich in Leidenschaft umschlagen
kann, so wie sich die industriellen Landschaften der Fünfziger gleich einem
Vexierbild in einem Moment karg, im nächsten reich an Schönheit zeigen.
Vielleicht wird einigen der Kinobesuch von „Young
Adam“ Anlass sein, sich die Romane Trocchis zu besorgen, deren Weltbetrachtungen
aus Underdog-Perspektive nicht zuletzt auch mit denen des derzeit wieder aufgelegten
Jörg Fauser vieles gemein haben. Wie der literarische Außenseiter
Fauser starb übrigens auch Trocchi nach jahrelangem Substanzmissbrauch
in den achtziger Jahren mehr oder weniger unbemerkt und unter Einwirkung von
Heroin.
Maya McKechneay
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Falter /06
Young
Adam
Großbritannien
/ Frankreich 2003 - Regie: David Mackenzie - Darsteller: Ewan McGregor, Tilda
Swinton, Peter Mullan, Emily Mortimer, Jack McElhone, Therese Bradley, Ewan
Stewart, Stuart McQuarrie, Pauline Turner - FSK: ab 16 - Länge: 93 min.
- Start: 9.12.2004
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