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Der vorletzte Hollywood-Film des Amerikaners John Berry, bevor er auf die antikommunistische Blacklist kam und nach Europa emigrierte, übersetzt ökonomische Gefälle in Männlichkeitskrisen und soziale Spannungen in Lebensräume. Schmucke Randexistenzen der Filmgeschichte, Folge 735: ein schlankes B-Picture vom „Bei uns ist jeder Film ein A-Picture“-Studio MGM, uneben, verblüffend und aufschlussreich wie ein wirrer Traum.
Warren
Quimby (Richard Basehart, der traurige Clown in La
Strada)
ist Veteran aus dem Zweiten Weltkrieg und amerikanischer Kleinunternehmer: Seinen
Drugstore, eine Art Greißlerei mit Bar-Betrieb, hält er unter massiver
Selbstausbeutung rund um die Uhr offen. Worauf er (wie dank staatlicher Unterstützung
viele seiner realen Kriegskameraden um 1949 herum) hinarbeitet: ein eigenes
Haus im Grünen, außerhalb der Stadt, für sich und seine Frau
Claire (Audrey Totter). Aber die sträubt sich gegen das Schicksal einer
Verwalterin suburbaner Kernfamilien-Harmonie, das die herandräuenden 50er
Jahre für ihr Geschlecht bereithalten: Das Luder will in der Stadt bleiben,
bei den schmierigen, halbreichen Liebhabern und deren Versprechungen von Luxus.
Und hält damit auch den Film in der Stadt fest, wo wie von selbst die dunklen
Seiten des neuen, konsumistischen Freiheitsverständnisses hervorbrechen:
Logik des film
noir.
In
dessen Geschichte ist Tension
nicht mehr als eine Fußnote: ein kleiner, eher grobmaschiger, gegen Ende
zusehends umständlich erzählter Kriminalfilm. Einer dieser Filme,
in denen es schon mal passieren kann, dass während eines längeren
Monologs des Protagonisten der gute Freund, der neben ihm steht und aufmerksames
Zuhören markiert, so ausdruckslos und starr auf seinen nächsten Einsatz
wartet, als würde jede unnötige Geste das Budget überschreiten.
In seiner oft schlauen, nicht selten kruden, aber immer erhellenden Verdichtung
der sozialen Umwälzungen und Brüche eines historischen Moments kann
Tension
dennoch beträchtliche Faszination ausüben.
Die
Spannung, von der im Titel die Rede ist, baut sich gerade durch die Konfrontation
sehr verschiedener prägnant inszenierter Lebensräume auf: Dem verweigerten
Einfamilien-Idyll am Land, das nach seiner Zurückweisung zu Beginn nie
mehr ins Bild rückt, der engen Stadt-Wohnung, die ein Zusammenleben als
Aufeinanderprallen und Sich-An-Einander-Reiben provoziert, und dem Drugstore,
der für Warren ein Arbeitsumfeld, für die Bargäste eine geschäftiger
Nicht-Ort zum Herumhängen und für Claire eine Gelegenheit zum Aufgabeln
von Besuchern ist, gesellen sich noch zwei weitere Lebensräume hinzu, die
Stadt und Handlung konstituieren:
Auf
der einen Seite das mondäne Strandhaus eines zwielichtigen Geschäftsmanns,
in das Claire schließlich einzieht, ein Ort privilegierten, scheinbar
ungegliederten Dahinlebens im Luxus, durchdrungen von der Ahnung zwielichtiger
Geschäfte, die ein derartiges Leben ermöglichen. Auf diesem Grund
offenbar müheloser Kapitalakkumulation, wo man unter Tags gemütlich
Schwimmen geht und sich am Telefon zuerst einmal der Diener meldet, kann der
fleißige, ehrliche Kleinunternehmer bei dem Versuch, seine Frau zurückzuerobern,
nur gedemütigt werden.
Auf
der anderen Seite die austauschbaren Wohnkonserven einer jener motel-artigen
Mietwohnungs-Anlagen mit Zugängen über einen offenen Innenhof, wie
sie unsereins nur aus dem L.A. der Filme, aus David Lynchs Mullholland
Drive
oder Jim McBrides Breathless
kennt: Dort mietet sich Warren für die Wochenenden ein, unter falschem
Namen, getarnt als Versicherungsvertreter, im Anzug und mit Kontaktlinsen statt
Schüchti-Brille. Er plant, sich unter dieser zweiten Identität gar
bitterlich für die erlittenen Schmähungen zu rächen, aber das
ungebundene Single-Dasein und - darauf legt der Film großen Wert - die
Kontaktlinsen verleihen ihm neue Männlichkeit und Lebensfreude, und so
hat er seinerseits im Nu mit der freundlichen Nachbarin Mary (Cyd Charisse)
aus dem Wohnhaus angebandelt (Innenhof scheint Begegnungen zu provozieren) und
sich das mit den Racheplänen noch einmal gründlich überlegt.
Dumm
nur, dass der Liebhaber seiner Frau trotzdem ermordet wird. Nun, etwa in der
Mitte des Films, betritt der Lieutenant (Barry Sullivan) des Mord-Dezernats
die Bühne, und mehr als das: Er übernimmt die Inszenierung. Der Cop,
viril und einzelgängerisch, wie sich das im film
noir
für den überlegenen Kriminalisten gehört, hat außer dem
Kommissariat keinen eigenen Lebensraum: Stattdessen driftet er im Zuge seiner
Ermittlungen durch die etablierten Milieus (und noch einige andere, etwa ein
Journalistenlokal und eine Boxhalle), und findet dabei vor allem über das
verdächtige Doppelleben Warrens heraus. Doch mit dieser Verdoppelung der
Erzählung nicht genug: Im Gegensatz zu den private
eyes,
die als freelancer
ihrem Instinkt vertrauen durften und damit schnell komplizierteste Komplotte
aufschlüsselten, misst der staatsbedienstete Polizist seinen eigenen Erkenntnissen
nicht viel Bedeutung bei. Was zählt, sind Geständnisse, seine Aufgabe
ist es, sie unter Aufwendung größtmöglichen Drucks den Verdächtigen
zu entlocken: So hat er es uns gleich im Prolog des Films erklärt, in einem
hinreißend um Abgebrühtheit bemühten Monolog in die Kamera.
(Selbstredend will die titelgebende Metapher vom In-Spannung-Versetzen der Verdächtigen
zugleich mit einem Gummiband illustriert sein.)
Trotz
John Berrys engen Banden zur Hollywood-Linken (John Garfield hatte in seinem
nächsten Film immerhin den letzten Auftritt vor seinem frühen Tod
in beruflicher Isolation) werden die Methoden des Polizisten weniger als Chiffre
für bedenklichen antikommunistischen Meinungsterror verwendet, als eher
unambivalent hingenommen - und als eine weitere Gelegenheit zum dramatischen
Durcharbeiten der Milieus genützt: Denn seine Zermürbungsarbeit verrichtet
der Lieutenant nicht etwa im genre-typischen Verhörzimmer, sondern mittels
einer möglichst affekt-stimulierenden Ortswahl, welche die Verdächtigen
oder auch nur Beteiligten aus der Fassung und zu Erkenntnissen bringen soll:
So lässt er etwa die zwei Identitäten Warrens kollidieren, indem er
Mary auf einen Drink in den Drugstore mitnimmt, wo dieser gerade (in seiner
echten, bebrillten Identität) arbeitet. Der kriminalistische Ermittler
wird zu einem Vermittler von Schauplätzen an die dramatis
personae,
zu einem Regisseur, der dramatische Szenen am laufenden Band provozieren will.
Am Ende ist es wiederum sein geschickter Umgang mit den Schauplätzen als
Handlungsräumen, der das (wenig überraschende) finale Mordgeständnis
erzwingt. Dass die tension,
die das Geständnis schließlich provoziert, viel mit der Anonymität
normierten Wohnens in den erwähnten Mietwohnungen zu tun hat - mit der
Auswechselbarkeit der gemusterten Sofas, Lampen und Kästen, die Gemütlichkeit
und Privatheit signalisieren sollen - ist nur die letzte von allerhand aufschlussreichen
Reibungen, die der Film mit somnambuler Beiläufigkeit zu Tage fördert.
Dieser
Text ist auch erschienen in:
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Zerreißen gespannt
TENSION
USA
- 1949 - 91 min. – schwarzweiß - Literaturverfilmung, Kriminalfilm - Verleih:
offen - Erstaufführung: 22.12.1991 West 3 - Produktionsfirma: MGM
Produktion:
Robert Sisk
Regie:
John
Berry
Buch:
Allen
Rivkin
Vorlage:
nach einer Erzählung von John Klorer
Kamera:
Harry Stradling
Musik:
André Previn
Schnitt:
Albert Akst
Darsteller:
Richard
Basehart (Warren Quimby)
Audrey
Totter (Claire Quimby)
Cyd
Charisse (Mary Chanler)
Barry
Sullivan (Lt. Collier Bonnabel)
Lloyd
Gough (Barney Deager)
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