zur startseite
zum archiv
Zwei glorreiche Halunken
Abschluss
von Leones Dollar-Trilogie: drei Banditen auf der makaberen Jagd nach einem
Goldschatz.
Zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs
ziehen die zwei Gauner Tuco (Eli Wallach) und "der Blonde" (Clint
Eastwood) mit einem neuen Weg zur Gehaltsaufbesserung durch die Lande: der Blonde
liefert Tuco gegen Kopfgeld beim nächstgelegenen Sheriff ab, doch wenn
sein Partner gehängt werden soll, schießt der Blonde den Strick durch
und Tuco macht sich in der allgemeinen Verwirrung aus dem Staub. Als Tuco reklamiert,
dass sein Job eigentlich der gefährlichere ist, lässt ihn der Blonde
kurzerhand in der Wüste zurück und trollt sich neuen Einnahmequellen
entgegen. Währenddessen macht sich der Killer Sentenza (Lee Van Cleef)
auf die Suche nach einem in den Kriegswirren verloren gegangenen Goldschatz
und stellt dabei seine Prinzipientreue unter Beweis, als er aus seinem nächsten
Opfer nicht nur nützliche Informationen herauspresst, sondern auch noch
gleich dessen Angebot akzeptiert, seinen bisherigen Auftraggeber umzulegen:
von beiden wird kassiert und beide werden beseitigt. Tuco ist inzwischen der
Wüste entgangen und spürt den Blonden auf, um ihn den gleichen Todesqualen
auszusetzen, die er erdulden mußte. Knapp vor des Blonden Ableben stoßen
sie jedoch auf einen Wagen toter Südstaatler - nur einer rührt sich
noch, und das ist zufällig genau der Mann, der weiß, wo die 200.000
Dollar vergraben sind, die auch Sentenza sucht. Auf einem Friedhof nämlich
- doch blöderweise ergibt es sich so, dass nur Tuco den richtigen Friedhof
kennt und nur der Blonde das richtige Grab. Zähneknirschend entschließen
sie sich zu einer erneuten Zusammenarbeit.
Die führt sie alsbald in
die Kriegsgefangenschaft der Nordstaaten, wo Sentenza sich indessen als Lageraufseher
amüsiert: schnell foltert er aus Tuco die Informationen heraus und macht
selbst einen Deal mit dem Blonden. Doch auch Tuco gelingt die Flucht, und quer
durch die kriegsgepeinigte Gegend spielen sich die drei gegeneinander aus, bis
es zum ultimativem Dreiershowdown auf dem Friedhof kommt.
Eine breitwandgroße Wüste
- und schon schiebt sich ein Gesicht vor die Kamera, das ebenso zerfurcht ist
wie die Felsenlandschaft. Schöner als es Leone in der Eröffnungseinstellung
dieses Films tut, könnte man sein Western-Schaffen gar nicht auf den Punkt
bringen. Aus der Totalen und der Nahaufnahme hat er seinen Stil der Extreme
zusammengebaut: hier gibt es nur totale Zerdehnung oder Verdichtung - das Dazwischen
gehört dem klassischen Western.
Niemand rechnete mit dem internationalen
Erfolg, als Leone mit Für eine Handvoll Dollar 1964 die Ära des Italowesterns einläutete - zuallererst
trug dem Leone selbst Rechnung, indem er die neue Geschäftsquelle gehörig
auszumelken suchte. Binnen zweier Jahre vollendete er eine Trilogie (die allerdings
nur durch den Regisseur und die jeweiligen wortkargen Helden Clint Eastwoods
verbunden wurde): schon Für ein paar Dollar mehr
hatte jedoch angekündigt, dass Leone durchaus gewillt war, einen eigenen
Stil zu entwickeln. Aus verwitterten Motiven des Westerns, dem Sarkasmus von
Akira Kurosawa Samuraifilmen Yojimbo und Sanjuro sowie dem Bombast der italienischen Oper setzte er seine Italowestern
zusammen: schäbige Schauplätze und die schwelgerische Musik Ennio
Morricones, unendlich währende Duelle und sarkastische Dialoge trafen sich
zu einer neuen Form - der Western ist tot, lang lebe der Western. Nie wieder
erholte sich das amerikanische Pendant von der Gewalt, Absurdität und dem
neuen "Realismus" (der eher aus der Billigkeit der Fime denn aus Erneuerungswillen
bedingt war), die der Italiener ins Genre brachte - und nirgends tat er es so
ausgelassen wie hier.
Il buono, il brutto, il cattivo: als den Guten, den Bösen
und den Brutalen bezeichnet der Film seine Hauptfiguren (nur für die Perspektive:
jeder bekommt seine eigene Vorstellungsepisode plus Einblendung der Bezeichnung;
charakteristischerweise für Leone genügt es, dass sich Eastwood die
Rolle des Guten verdient, indem er Eli Wallach zum Sterben in der Wüste
zurücklässt) - aber eigentlich sind sie nur verschieden niederträchtige
Abstufungen des Kopfgeldjägers; Geld ist die einzige Triebkraft der Filmhelden
und sie kennen keine moralischen Bedenken, alles was im Weg steht, mit allen
Mitteln auszuräumen. Das war auch schon in den zwei vorigen Dollar-Filmen
so, aber hier wird alles ins Gigantische überdehnt. Drei Stunden dauert
Zwei glorreiche Halunken
in der italienischen Fassung, fast 160 Minuten in der englischen und deutschen
Kinoversion (fürs Fernsehen wurde er nochmal gekürzt, da wird hoffentlich
die jetzt erscheinende DVD Abhilfe schaffen) - Leone lässt sich Zeit. Ob
epische Panoramaschwenks, die die Figuren auf Insektengröße reduzieren
oder minutenlang ausgespielte, zur mitreißenden Musik Morricones kongenial
montierte Close-Ups, alles geht in die Breite (und dadurch wirkt auch die letztendlich
hervorbrechende Gewalt so plötzlich und komisch - der eigentliche Schusswechsel
nach dem ewigen Niederstarren der Gegner ereignet sich in Sekundenbruchteilen).
Il buono, il brutto, il cattivo ist Western als Oper, inszeniert als comedia de´ll arte
- von den Filmen der Dollar-Trilogie
hat er nicht nur die besten Gags und das ausgefeilteste Tanzmuster, nach dem
sich die Charaktere umkreisen, auch die Figur des Tuco ist ein echter Gewinn.
War es bisher so, dass die Hauptdarsteller in unbeweglichem deadpan-Spiel unterkühlt
aufs Treiben um sie reagierten (und ein paar barocke Nebenfiguren für das
durchgeknallte Element sorgten), bietet Eli Wallachs überdrehte Darstellung
den perfekten Kontrapunkt zu den regungslosen Mienen Eastwoods und van Cleefs;
nicht wenige der lustigsten Momente des Films ergeben sich aus diesen unterschiedlichen
Reaktionen.
Obwohl Zwei glorreiche Halunken zweifelsfrei der beste und ausgereifteste Film der Dollar-Trilogie ist (und in dem Morricones Musik
am weitesten ausholt: Kojotengeschrei, Peitschengeknall und Pfiffe formen die
Grundlage seines packenden Scores, die lange Schlussszene am Friedhof etwa wird
nicht zuletzt durch seine Musik erst so mitreißend), gibt es in ihm dennoch
ein paar Momente, die sich nicht recht einfügen wollen. Vor dem Hintergrund
des Bürgerkriegs wirken die Untaten seiner Hauptfiguren des Öfteren
recht verzeihlich (ein bitterer Rückschlag für den Mann, der angeblich
die Wertevorstellungen des Westerns zu Grabe getragen hat) und so mancher Akt
der halbherzigen Nächstenliebe widerspricht der Konzeption der Charaktere.
Hier leistet Leone schon den Vorbau für seine zweite Trilogie: Spiel
mir das Lied vom Tod, Todesmelodie und Es war einmal in Amerika tragen neben Leones charakteristisch opernhaften Stil auch eine
Melancholie in sich, die von gesellschaftlichen Umbrüchen ausgelöst
wurde - dort passen sie (mit Abstrichen beim zweiten Film) perfekt hinein, hier
sorgen sie für eigenwillige Zwischentöne - wie Kaviar in einer ansonsten
üppig zubereiteten Speckpfanne.
Christoph Huber
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei: www.allesfilm.com
Zwei
glorreiche Halunken
IL
BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO
Italien - 1966 - 159 (TV 141; rek. Fassung ca 170; Orig. 180)
min. – Scope - Erstaufführung: 15.12.1967/1.1.1983 ZDF/1.11.1995 Pro Sieben
(rekonstruierte Fassung) - Produktion: Alberto Grimaldi
Regie:
Sergio Leone
Buch:
Furio Scarpelli, Luciano Vincenzoni, Sergio Leone, Age
Kamera:
Tonino Delli Colli
Musik:
Ennio Morricone
Schnitt: Nino Baragli
Darsteller:
Clint Eastwood (Joe, der Gute)
Eli
Wallach (Tuco)
Lee
Van Cleef (Setenza)
Aldo
Ciuffre (Nordstaaten-Offizier)
Luigi
Pistilli (Pater Ramirez)
Mario
Brega (Hauptmann Wallace)
Rada
Rassimov
Enzo
Petito
Claudio
Scarchelli
Livio
Lorenzon
Antonio
Casale
Chelo
Alonso
Aldo
Sambrell
zur startseite
zum archiv