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African
Queen
Mit einer Verspätung von sechs Jahren
können westdeutsche Kinogänger eins der Meisterwerke von John Huston,
dem „Hemingway des Films", sehen. Dem Film ging der Ruf voraus, antideutsch
zu sein - zu unrecht, denn er will nicht Haß schüren, sondern eine
Abenteuergeschichte erzählen, die einen Feind voraussetzt.
Deutsch-Ostafrika im Jahre 1914. Charlie, Kapitän eines winzigen
Flußdampfers (Humphrey Bogart), hat nur vage Vorstellungen von den Parteien
und dem Sinn des Krieges. Er will nichts weiter, als sein abenteuerliches Leben
fortsetzen. Methodistenfräulein Rosie (Katherine Hepburn), vor einer deutschen
Strafexpedition aufs Schiff gerettet, gibt dem Abenteuer ein Ziel: auf unerforschten
Wasserläufen sich durchzuschlagen und das deutsche Kriegsschiff Louisa
zu torpedieren. Sie will das ZieI, „um dem Vaterland in der Stunde der Not beizustehen".
Er will den Weg: „dem Tod die Stirn zeigen - das ist meine Devise". Dazu haben
beide reichlich Gelegenheit: durch Stromschnellen stürzend, von Blutegeln
besaugt, von Moskitos zum Wahnsinn getrieben, in giftigen Sümpfen verirrt,
aber die Züge angesichts jeder neuen Lebensgefahr freudig-grimmig verklärt,
winkt ihnen am Ende eigentlich nur versehentlich Heirat, Erfolg und Rettung.
Das zufällig glückliche Ende ist keine Pointe. Es ist sogar
gleichgültig. Denn auf Erfolg oder Mißerfolg der abenteuerlichen
Reise kam es nicht an. Wichtig war es nur, ein Ziel zu haben, irgendeines, aber
ein außerordentliches; und wichtig war es, für dieses einmal gewählte
Ziel alles einzusetzen und dafür gegen sich und gemeinschaftlich zu kämpfen,
in individualistischer Solidarität. Da Rosie sich für Charlie weder
als sexuelles Idol noch als zerbrechliche Schönheit, sondern als Komplizin
erwies, da beide die erstarrte Welt der Konversation hinter sich ließen
und Gefahren wie Freuden teilten, lohnten sich die unerhörtesten Anstrengungen
und die ungeheuersten Opfer.
Hustons Werken ist das Thema vom abenteuerlichen Handeln einiger freundschaftlich
verbundener Rebellen für ein gleichgültiges Ziel gemein. Höchst
gleichgültig ist es, ob Anstregung, Kampf und Freundespakt („Wir waren
Fremde", „Asphalt-Dschungel", „Die Flagge des Muts", „Schach
dem Teufel", „Der Seemann und die Nonne") von Erfolg gekrönt
werden, ob „Der Malteser Falke", „Der Schatz der Sierra Madre", der
weiße Wal „Moby Dick" gefunden werden oder nicht. Ungenau ist es
daher, Huston den „Rhetoriker des Mißerfolges" zu nennen. Geht es
ihm doch in erster Linie um das abenteuerliche Handeln, um ein Leben wie dasjenige
Charlies. Huston hat sich in einem Interview mit Jacques Doniol-Valcroze vom
„France Observateur" ausdrücklich mit seinem Helden indentifiziert.
Hustons Freundschaft mit Bogart ist die beste Illustration. Sie erschöpfte
sich nicht darin, in Drehpausen mit einer Pampelmuse Fußball zu spielen;
beide beteiligten sich 1950 daran, gegen den „Unamerican Activities"-Ausschuß
das „Komitee für den ersten Zusatz" zu gründen. In der „Flagge
des Muts" aber opferte Huston wiederum den Standards von Hollywood (und
Bogart legte jene zwiespältige Haltung an den Tag, die dann Richard Brooks
in seinem Schlüsselroman „The Producer" dem Schauspieler "Toggart"
zuschrieb). So muß Huston, der ein Ziel nach der Qualität des Weges
beurteilt, alle irritieren, die einen Weg nach seinem Ziel beurteilen. Ihn mit
Truman Capote „einen der letzten Romantiker" zu nennen, hieße, die
Begrenztheit seiner Ausdruckskraft zu verklären, die ihn beispielsweise
daran hinderte, Melvilles „Moby Dick" in seiner ganzen Tiefe zu durchdringen
und die schuld ist an den Greueln von „Moulin Rouge". Dem Thema von „The
African Queen" indessen erwies sich Hustons Talent vollkommen adäquat.
Nicht etwa wird das Abenteuer der Helden idealisiert. Eine glückliche Montage, gedämpfte Farben, die erfreulich weitgehende Verwendung von Originalgeräuschen und das differenzierte Spiel von Humphrey Bogart und Katherine Hepburn - ihr schrulliger Charme, schaffen gerade die Distanz zwischen Zuschauer und Film, die konzentrierte Spannung und kritische Anteinahme erfordern.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in: filmkritik 10/1958
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African Queen
(The African Queen) - Großbritannien 1951- 105 Minuten - Altersfreigabe:
FSK 12 - Regie: John Huston - Drehbuch: James Agee, John Huston, Peter Viertel
- Produktion: Sam Spiegel - Musik: Allan Gray - Kamera: Jack Cardiff - Schnitt:
Ralph Kemplen - Besetzung: Humphrey Bogart, Katharine Hepburn, Robert Morley,
Peter Bull, Theodore Bikel, Walter Gotell
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