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Auf
der Suche nach dem Gedächtnis
Niemals
vergessen
Der Dokumentarfilm „Auf der Suche nach
dem Gedächtnis“ porträtiert den Hirnforscher Eric Kandel und begleitet
ihn auf einer Reise in die eigene Vergangenheit
„Learn to forget“ sang Jim Morrison 1967
in dem Doors-Klassiker „Soul Kitchen“ und formulierte damit das Ideal der Erlangung
eines neuen, reinen Bewusstseins, das nicht durch die Last der Erinnerung getrübt
wird. Unter gänzlich anderen Vorzeichen ist dem Hirnforscher Eric Kandel
eine diametral entgegen gesetzte Parole zum Lebenswerk geworden: „Niemals vergessen!“
Als einer der wichtigsten Neurowissenschaftler beschäftigt sich Kandel
vor allem mit dem Gedächtnis und versucht zu ergründen, wie man es
trainieren bzw. beeinflussen kann. Diese Tätigkeit, der eine intensive
Beschäftigung mit der Psychoanalyse vorausging, setzt Kandel im Film in
direkten Bezug zum „Wendepunkt meines Lebens“: der Vertreibung aus Wien durch
die Nazis und der Erfahrung des Holocaust aus dem sicheren Exil Amerika.
Eric Kandel wurde 1929 in Wien als Sohn
jüdisch-ukrainischer Eltern geboren und floh als Kind von neun Jahren mit
seiner Familie nach Amerika, als die Nazis Österreich annektierten. In
den USA studierte er zunächst in Harvard und begann wenige Jahre später
eine wissenschaftliche Karriere auf dem damals völlig neuen Gebiet der
Neurowissenschaft. Im Jahr 2000 bekam er für seine Entdeckungen im Bereich
der Signalübertragungen im Gehirn den Nobelpreis.
Der Film von Petra Seeger beschäftigt
sich natürlich einerseits mit der Hirnforschung und porträtiert den
Wissenschaftler Eric Kandel. Seine vielleicht wichtigste Erkenntnis ist, dass
das wiederholte Lernen von Informationen die Übertragung vom Kurzzeit-
auf das Langzeitgedächtnis ermöglicht, indem molekulare Veränderungen
statt finden. Wir sehen auch, wie Neurowissenschaftler
hauptsächlich arbeiten: Im Labor nämlich, wo Kandel und seine Mitarbeiter
die Gehirnaktivitäten von Seeschnecken messen oder die Alzheimererkrankung
an Ratten erforschen. Die Ergebnisse sind für den Menschen allerdings bisher
wenig brauchbar: „Wenn Sie also eine Ratte sind“, scherzt Kandel bei einem Vortrag,
„dann können wir eine Menge für Sie tun.“
Andererseits handelt der Film aber vor
allem auch vom Menschen Eric Kandel. Vom family man, vom sympathischen Kauz
mit dem ansteckenden Lachen, aber auch vom jüdischen Intellektuellen, der
sich unentwegt mit seiner Identität auseinandersetzt. „Auf der Suche nach
dem Gedächtnis“ ist ein spannendes und differenziertes Porträt, dem
der Spagat zwischen fachlichem Anspruch und allgemeiner Verständlichkeit
erstaunlich gut gelingt.
Jan-Philipp Kohlmann
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: STUZ
Auf
der Suche nach dem Gedächtnis
Deutschland
2008 - Regie: Petra Seeger – Mitwirkende: Eric Kandel - FSK: ohne Altersbeschränkung
- Fassung: O.m.d.U. - Länge: 94 min. - Start: 25.6.2009
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