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Beau
travail
Die
Fremden
Claire
Denis’ Film „Beau travail“
Eine kleine Kompanie von Legionären
bei der Arbeit „unter der brennenden Sonne Afrikas“: Im steinigen Wüstensand
Dschibutis trainieren die Männer Ausdauer, Kraft und Kampf, aber auch Selbstbehauptung,
Konzentration und innere Ausgeglichenheit. Die harte Abrichtung des Körpers,
seine Beherrschung und Funktionalisierung wird begleitet von der Ausbildung
des Willens zum Überleben. „Disziplin, Liebe zum Chef, Gehorsam“ nennt
Adjutant Galoup (Denis Lavant) diese Routine des soldatischen Alltags: Legionärstugenden,
die einer blinden Mechanik folgen. Die Unterwerfung von Körper und Willen
setzt eine Maschine in Gang, die als ein sich selbst regulierendes System funktioniert;
und zwar nach einer stabilen Ordnung überzeitlicher Regeln, die der Truppenapparat
auch dann befolgt, wenn es gilt, statt Krieg zu führen, eine Straße
auf trockenem, steinigem Vulkanboden anzulegen. Daneben verrichten die Männer
Hausarbeit: Sie machen ihre Betten und schälen Kartoffeln; sie hängen
die Wäsche zum Trocknen auf und bügeln ihre Uniformhemden. „Eleganz
in und unter der Uniform“ bezeichnet Galoup als den Zweck dieser nahezu rituellen
Handlungen eines durchorganisierten Alltags.
Die Warteschleife als Selbstzweck und
Leerlauf absorbiert autoritäre Machtverhältnisse, um sie in der Hörigkeit
soldatischer Praxis aufzulösen. Der zäh trainierte Körper, Zentrum
und Objekt von Claire Denis’ Film „Beau travail“, wird zum „Gefängnis der
Gefühle“, wie die Regisseurin in einem Interview sagt. In seinem sinnentleerten,
redundanten Tun öffnet er sich aber auch zugleich dem Begehren und der
Faszination des Zuschauerblicks. Die emotionale Entfremdung geht einher mit
einer existentiellen Fremdheit der Legionäre, die verstärkt wird in
der Konfrontation mit der gleichgültigen, fast teilnahmslosen afrikanischen
Bevölkerung und einer kargen, ausgedörrten Landschaft, die zum stummen
Freund der soldatischen Verlorenheit wird und so die Absurdität ihres Lebens
verlängert. Denn Claire Denis, die den Film im Auftrag des Fernsehsenders
Arte für eine Reihe mit dem Titel „Terres étrangères“ realisierte,
verarbeitet in „Beau travail“ Erinnerungen an die Zeit, in der sie in Dschibuti
lebte. Die geschlossene Gesellschaft der Legion erschien ihr wie ein „exotischer
Stamm“, deren Mitglieder alles verloren haben außer der „Idee, dass die
Disziplin ein Ideal verkörpert“.
„Beau travail“, der inspiriert ist von
Herman Melvilles Kurzroman „Billy Budd“ und seinem Gedicht „The Nightmarch“,
reflektiert das Thema der Entfremdung aber auch im individuellen Schicksal des
Oberst Galoup. Dieser muss nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Legion
seine Integration in das zivile Leben, für das er sich untauglich wähnt,
neu lernen. Er sagt: „Freiheit beginnt mit Gewissensbissen.“ Und er schreibt
Tagebuch, um sich die Gründe seiner Suspension, einer Geschichte um Rivalität
und Eifersucht, zu vergegenwärtigen. Im Zentrum dieser Erinnerungen stehen
die Spannungen, die mit dem Erscheinen des jungen Legionärs Gilles Sentain
(Grégoire Colin) in der kleinen Truppe auftreten. Dessen Schönheit,
Mut und Unschuld wecken nicht nur die Sympathien seiner Kameraden, sondern auch
diejenigen des in Gleichmut und stoischer Gelassenheit dahinlebenden Kommandanten
Forestier (Michel Subor). Galoup, dessen Theorie lautet, dass wir alle Müll
mit uns herum schleppen, sucht nach der schwachen Stelle seines Rivalen. Und
da er sie nicht finden kann, beginnt er, Mittel einzusetzen, die gegen den Kodex
der Legion verstoßen.
Claire Denis’ Film nähert sich ihrem
Thema der Entfremdung aus verschiedenen Perspektiven. Ihre Erzählung changiert
dabei zwischen filmischer Gegenwart und Vergangenheit; und sie erzeugt durch
ihre nebenordnende Erzählweise eine Flächigkeit, die das mögliche
dramatische Zentrum in die Teile verlagert. So entsteht ein sowohl moderner
als auch eigenständiger elliptischer Stil, der auf geradezu zärtliche
Weise sich dem Detail öffnet und den Figuren mit distanzierter, aber dokumentarisch
genauer Beobachtung ihre Würde lässt. Die Sprache der männlichen
Körper offenbart nicht nur Stolz, sondern auch Verletzlichkeit. Und wenn
der ungemein athletische Denis Lavant sich in einer Mischung aus Lakonie und
wilder Ekstase zu Coronas „Rhythm of the night“ bewegt, verwandelt sich sein
Abschied von der Legion in eine innere Befreiung.
Wolfgang Nierlin (31. Januar 2001)
Zu diesem Film gibts im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Beau
Travail
Frankreich
1999 - Regie: Claire Denis - Darsteller: Denis Lavant, Michel Subor, Grégoire
Colin, Marta Tafesse Kassa, Richard Courcet, Nicolas Duvauchelle, Adiatou Massudi,
Mickael Ravovski, Dan Herzberg, Giuseppe Molino - Länge: 90 min. - Start:
5.4.2001
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