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Bonjour
Sagan
Bonjour
Moral
Die französische Bestsellerautorin
Françoise Sagan führte ihr Leben, als wär es ein Film. Die
Regisseurin Diane Kurys hat nun daraus tatsächlich einen gemacht: "Bonjour
Sagan"
Françoise Sagan war keine 20 Jahre
alt, als ihr Roman "Bonjour Tristesse" erschien und über Nacht
zum Bestseller wurde. Das war 1953, die junge Frau aus der gutsituierten Familie
war mit einem Schlag berühmt, ein It-Girl, das dem comme il faut der Pariser
Gesellschaft mit Ausschweifung, Lebensgier und Abenteuerlust trotzte. Sie vergnügte
sich mit Liebhabern und Liebhaberinnen, heiratete zweimal, bekam einen Sohn,
pflegte zahlreiche Freundschaften, hielt sich Rennpferde, kaufte Sportwagen,
verspielte ihr Geld und gewann es zurück, schrieb 50 Bücher und Theaterstücke,
nahm Kokain und machte keinen Hehl daraus. Sie zahlte ihre Steuern nicht so,
wie es das Finanzamt wünschte, und landete der Drogen und der Steuern wegen
mehrmals um ein Haar im Gefängnis.
Der Aufbruchsstimmung der 60er- und 70er-Jahre
war sie voraus, da sie die Rechte, um die andere noch kämpften, selbstverständlich
für sich in Anspruch nahm. Bedingung dafür war eine gewisse, a priori
gegebene Privilegiertheit, etwas, woran die emanzipatorischen Bewegungen nicht
ohne Grund rüttelten. Françoise Sagan starb, zurückgezogen
in der nordfranzösischen Ortschaft Honfleur, im September 2004 an einer
Lungenembolie.
Ein Leben wie ein Film also - Aufstieg
und Fall in raschem Wechsel, höchster Genuss und widrige Umstände,
Hedonismus und Depression. Dumm nur, dass ein solches leinwandreifes Leben selten
einen guten Stoff für einen Film abgibt. Aus dem Genre des Biopics etwas
herauszuholen, was über das Abklappern markanter Lebensstationen hinausgeht,
verlangt eine Radikalität, zu der die meisten Arthouse-Regisseure nicht
bereit sind. Gus Van Sant machte mit "Last
Days" (2005) eine
Ausnahme, indem er die letzten Lebenstage eines Musikers, der Kurt Cobain ähnelte,
in einem radikal reduzierten Film verstaute; Van Sants jüngstes Biopic
"Milk" - es geht darin um Harvey Milk, den ersten schwulen Stadtrat
in San Francisco - gibt sich im Vergleich erstaunlich konventionell.
Todd Haynes hat sich in "I'm
not there" (2007)
für die Wucherung statt für die Reduktion entschieden; aus dem Leben
Bob Dylans hat er einen ausufernden Film gewonnen, mit einem Protagonisten-Ich,
das buchstäblich viele und deshalb unfassbar ist. Die meisten Künstlerbiografien
dagegen setzen auf den milden Nachvollzug dessen, was man ohnehin schon kennt,
verschränken ohne zu zögern Motive aus dem Werk mit der Biografie
und leiden als Film daran, dass aus den einprägsamen Eckdaten eines Lebens
keine einprägsame Dramaturgie wird.
Das gilt, leider, auch für "Bonjour
Sagan", das Biopic von Diane Kurys. Zwar hat es sympathische Momente, etwa
wenn die angetrunkene Sagan (Sylvie Testud) in einer Hotellobby der angetrunkenen
Modeschöpferin Peggy Roche (Jeanne Balibar) begegnet, die beiden kurzentschlossen
ein Zimmer mieten und gemeinsam durch die Lobby wanken, während die Kamera
an ihrem Schwanken und Stolpern große Freude hat. Das Leben der Boheme
hat Strahlkraft, man schaut es sich gerne an, zumal Sylvie Testud und Jeanne
Balibar ihre Sache hinreißend machen. Doch auf den Exzess und den Rausch
lässt "Bonjour Sagan" die Strafe folgen; die Einsamkeit, der
Faltenreichtum und der körperliche Verfall der Hauptfigur werden nach Kräften
ausgestellt. Kein Genuss ohne Reue - so viel Moral will sich "Bonjour Sagan"
gönnen.
Cristina Nord
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Bonjour
Sagan
Frankreich 2008 - Originaltitel: Sagan - Regie: Diane Kurys - Darsteller: Sylvie Testud, Pierre Palmade, Lionel Abelanski, Jeanne Balibar, Arielle Dombasle, Denis Podalydès, Guillaume Gallienne, Samuel Labarthe - FSK: ab 12 - Länge: 117 min. - Start: 1.1.2009
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