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Bowling
for Columbine
Um herauszufinden, wo Amerikas Problem
liegt, begibt sich Michael Moore sogar auf die Bowlingbahn von Littleton. Hier
haben Eric Harris und Dylan Klebold am Morgen des 20. April 1999 noch ein paar
Kugeln geschoben, bevor sie an der Columbine High School ein Massaker anrichteten.
“Sind wir eine Nation von Waffenverrückten, oder sind wir einfach nur alle
verrückt?” ist die tautologische Grundüberlegung seines neuen Films,
und Moore hat seinem Amerika ordentlich auf den Zahn gefühlt: dem Hausmeister
der ‘Littleton Lanes’, Charlton Heston, Marilyn Manson, “South Park”-Autor Trey
Parker, der Michigan Militia, “American Bandstand”-Begründer Dick Clarke
etc. pp. Man kann nicht behaupten, daß er sich keine Mühe gegeben
hätte, Antworten zu finden, die er längst weiß. Moores Filme
sind keine Dokumentationen im herkömmlichen Sinne, sondern verkappte Sozialreportagen.
Seine Methoden sind dabei so induktiv wie bei jedem anderen Populisten. Daraus
macht er keinen Hehl.
Moore ist natürlich nicht mehr, wie
noch zu Zeiten von “Roger and Me”, der kleine Mann von der Straße, wenn
er mit Fünftagebart, Baseballcap und Windjacke seinen ‘Corporate Celebrities’
vor ihren Prachtvillen und Bürotürmen auflauert. Er ist inzwischen
selbst der Posterboy der amerikanischen Sozialkritik, das schlechte Gewissen
des ‘Corporate America’. In Cannes hat “Bowling for Columbine” in diesem Jahr
sogar als erster Dokumentarfilm überhaupt einen Spezialpreis gewonnen.
Moore weiß um die Macht der Networks, in deren Auftrag er heute unterwegs
ist, und manchmal würde man sich auch etwas mehr von dem alten Kamikaze-Geist
wünschen, vor allem dort, wo “Bowling for Columbine” auf das Niveau übelsten
Betroffenheitsfernsehens zurückfällt. Der Film hätte aber auch
leicht eine launige NRA-Nummernrevue werden können; nur ist dann dummerweise
9/11 dazwischengekommen.
Wenn Moore am Ende wieder in Littleton
angekommen ist (bzw. am Swimmingpool von Charlton Heston), nach einem Abstecher
in die Vorgärten der ‘Gated Communities’, nach South Central Los Angeles
und in die Produktionsstudios der Fernsehshow “Cops”, hat er eine beispiellose
Angstkultur ausgemacht, die ganze Wirtschaftszweige finanziert. Die Milchmädchen-Rechnung
sieht folgendermaßen aus: Die von der Angst profitieren, produzieren sie,
um sich von ihrem Gewinn Waffen kaufen zu können, mit denen sie dann andere
Länder bombardieren, damit in der eigenen Bevölkerung noch mehr Angst
geschürt wird. Die Toten von Littleton bleiben unterm Strich stehen als
die Zinsen dieser ertragreichen Angstproduktion.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 11/2002
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Bowling for Columbine
USA/CAN/D 2002. R,B: Michael Moore. K: Brian Danitz,
Michael McDonough. S: Kurt Engfehr. M: Jeff Gibbs. P: Dog Eat Dog Films/Salter Street
Films. D: Michael Moore, Charlton Heston u.a. 122 Min. Prokino
ab 21.11.02
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