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Bright
Star. Meine Liebe. Ewig
Gefühle
laufen heiß
Jane
Campions Film "Bright Star. Meine
Liebe. Ewig" erzählt von der Liebe zwischen dem Dichter John Keats
und der Schneiderin Fanny Brawne
Ruhig
und gleichmäßig fädelt sich die Nadel durch die feinen Stoffe.
Die Bewegungen sind geschickt und zeugen von Routine. In der Kunstfertigkeit
der Handgriffe wird die Liebe zum Material sichtbar; die verspielten Details
- Verzierungen, Schleifen, Rüschen, Säume - verleihen den Formen individuellen
Charakter. Die Arbeit am Material besitzt eine Anmut, von der die beiden Männer
am Tisch hinter Fanny nur träumen können. Während die junge Frau
in ihre Stickerei vertieft ist, brüten der junge John Keats und sein Mentor
Charles Brown in einer anderen Ecke des Raumes gemeinsam über einem Gedicht.
Von der Leichtigkeit des poetischen Schaffensprozesses ist wenig zu spüren.
In der hermetischen Männerwelt schwerer Gedanken wirkt Fanny wie ein Fremdkörper.
Dieses Bild aus Jane Campions neuem Film "Bright Star" beruht noch
auf ganz traditionellen Vorstellungen von Arbeitsteilung: Frauen sind für
die häuslichen Arbeiten zuständig, während die Männer die
Kopfarbeit verrichten. Es liegt an Fanny, die materiellen Verhältnisse
klarzustellen. Auf einen abfälligen Kommentar Browns entgegnet sie schnippisch,
dass ihre Näherei wenigstens keine brotlose Kunst sei.
Fanny
Brawne (von Abbie Cornish wunderbar feinfühlig gespielt) ist für Jane
Campion eine eher untypische Figur. Die Frauenfiguren der neuseeländischen
Regisseurin befinden sich im ständigen Widerspruch mit ihren gesellschaftlichen
Rollen; aber noch keine von ihnen hat sich mit einer solch ungezügelten
Leidenschaft über die Verhältnisse erhoben. "Bright Star"
erzählt von Fannys dreijähriger Liebesbeziehung mit dem englischen
Romantiker John Keats (Ben Whishaw) bis zu dessen Tod im Frühjahr 1821.
Eine Affäre, die dank intensiver Briefwechsel für die Nachwelt dokumentiert
ist.
Ihre
Liebe war gesellschaftlich doppelt sanktioniert. Weil dem zu Lebzeiten verkannten
Keats die finanziellen Mittel fehlten, durfte er nicht um Fannys Hand anhalten.
Zudem steckte die britische Klassengesellschaft weiter im Zeitalter der Vernunft
fest; die Männer hatten immer noch Probleme damit, ihre Gefühle zu
zeigen, Frauen stand dies erst gar nicht zu. Emotionale Ersatzhandlungen findet
Campion in der Kunst. Keats' Gedichte beschreiben eine Gefühlswelt, die
auszuleben er nicht imstande ist. Fanny ist da bereits weiter. Ihre extravaganten
Kreationen, jede für sich kleines Kunstwerk in modernistisch-schlichtem
Design, deuten an, dass sie ihren eigenen Kopf hat, der nicht so recht ins Bild
der Zeit passen will. Diese Unbedingtheit macht sie im Vergleich mit Keats zur
weit interessanteren Figur des Films. Fanny ist nicht bereit, die strikte Trennung
zwischen ihrer Umwelt und ihrer Gefühlswelt hinzunehmen.
Jane
Campion wagt sich mit "Bright Star" weit auf das Terrain von Jane
Austen vor, nicht zuletzt, weil sie sich eines Bilderrepertoires bedient, das
man etwas vorschnell als abgeschmackt bezeichnen könnte. Visuell laviert
"Bright Star" am Rande des Klischees: sommerliche Lichtschleier über
einer lavendelfarbenen Blumenwiese, das Flattern von Schmetterlingsflügeln,
die Berührung der Liebenden durch geschlossene Wände, während
sich die verschlungene Sprache Keats um die somnambulen Bilder von Campions
Kameramann Greig Fraser rankt. Alles unheimlich geschmackvoll, delikat und manchmal
auch eine Spur zu manieriert.
Die
atemlose Erregung ihrer Figuren rührt jedoch nicht von der geistigen Enge
eines Milieus oder von den korsettverstärkten, hochgeschlossenen Kleidern
der Damenwelt her. Soziale Konventionen spielen in "Bright Star" eine
untergeordnete Rolle. Campions Film schwelgt vielmehr in der Leidenschaft der
jungen Liebenden, insbesondere der Fannys, die sich ihren Gefühlen mit
stolzer Unerschrockenheit ausliefert. Einmal verwandelt sie ihr Zimmer in ein
Schmetterlingshaus, während sie einen Brief ihres Geliebten erwartet. Wie
absolut diese Gefühle sind, zeigt sich, als der Brief nicht die ersehnte
Antwort bringt. Von der Fantasiewelt der jungen Frau bleibt nur ein Haufen zusammengekehrter
Falter übrig. Liebe und Tod – in “Bright Star” bilden sie eine unauflösbare
Klammer.
Auch
Keats ist bereits vom Tod gezeichnet; seine schwere Krankheit ist die letzte,
schwierigste Prüfung ihrer Liebe. Doch "Bright Star" verweigert
sich dem Pathos des Kostümdramas durch eine bewunderungswürdig kontrollierte
Inszenierung und durch Whishaws und Cornishs zurückhaltendes Spiel. Oft
genügen eine einfache Geste oder ein langer Blick in die Gesichter der
Darsteller. Auf Cornish lastet dabei die größere Verantwortung. Hochgradig
emotionale Frauenfiguren sind seit je ein Klischee des Hollywood-Melodrams.
Campion gesteht diesen Emotionen dagegen emanzipatorische Qualitäten zu,
weil Gefühle, wie Fanny sie auslebt, in einer repressiven Gesellschaft
zu einem Akt der Befreiung werden. Diese Erkenntnis verleiht den heißlaufenden
Gefühlszuständen in "Bright Star" eine seltene Aufrichtigkeit.
Andreas
Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Bright
Star - Meine Liebe. Ewig
Großbritannien
/ Australien / Frankreich / USA 2009 - Originaltitel: Bright Star - Regie: Jane
Campion - Darsteller: Ben Whishaw, Abbie Cornish, Paul Schneider, Kerry Fox,
Thomas Sangster, Samuel Barnett, Sebastian Armesto, Samuel Roukin - FSK: ab
6 - Länge: 119 min. - Start: 24.12.2009
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