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Bros Before Hos
Angestachelt vom Vater, der soeben die Mutter aus der gemeinsamen
Wohnung geworfen hat, schwören sich die beiden Adoptivbrüder Max und
Jules, dass sie selbst künftig auf den ganzen Beziehungsmist verzichten
wollen. Zwei Jahrzehnte später arbeitet der 30-jährige Max in einer
immer kurz vor der Schließung stehenden Videothek, während es Jules
zu einem Supermarkt-Job gebracht hat. Immer noch gilt der alte Wahlspruch: „Bros
before Hos“ („Freunde vor Schlampen“). Was nicht nur eine umfassende Verachtung
von Frauen meint, sondern einen regressiven Lifestyle aus Party, Drogen, One
Night Stands und einer seltsamen Spielart von Retro-HipHop. Pubertät als
Dauerschleife. So könnte es ewig weitergehen, beträte nicht eines
Tages die Psychiatrie-Pflegerin Anna die Videothek, in der einer ihrer Schützlinge
regelmäßig auffällig wird. Max verliebt sich augenblicklich
in Anna, muss aber erfahren, dass die vor der Videothek noch kurz im Supermarkt
war und jetzt mit Jules zusammen ist. Auch der ist von Anna so angetan, dass
der brüderliche Pakt in Gefahr gerät.
Die Filmemacher Steffen Haars und Flip van der Kuil haben mit ihren
populären „Gross out“-Komödien „New Kids Turbo“ (fd 44 449) und „New
Kids Nitro“ (fd 40 863) gezeigt, dass man sich auch in den Niederlanden auf
die Kunst der etwas derberen Art von Geschmacklosigkeit versteht. „Bros Before
Hos“ bezieht seine Dynamik aus dem etwas aberwitzigen, aber nicht uninteressanten
Versuch, die „Gross out“-Komödie mit einem romantischen Liebesfilm kurzzuschließen,
ohne diesen Brückenschlag durch eine entsprechende Figurenentwicklung abzufedern.
Das führt zu kruden Resultaten. So wird beispielsweise ein gemeinsamer
Bummel von Max und Anna über einen Rummelplatz konventionell als Annäherung
zweier Menschen erzählt, die im Begriff sind, sich ineinander zu verlieben.
Der Abend selbst aber wird immer wieder davon unterbrochen, dass der betrunkene
Max sich übergeben muss, ohne dass das Paar sich dadurch aber die gute
Laune verderben ließe. Und wer glaubt, dass Max sich durch seine romantischen
Eskapaden eigentlich charakterlich verändern müsste, erlebt mit, wie
er in der Videothek minutenlang überfällige Filme mit einschlägigen
Titeln wie „Schindler’s Fist“ anmahnt, während vor ihm am Tresen eine Großmutter
mit ihrer Enkelin eine Film ausleihen will.
Haars und van der Kuil machen keinen Hehl daraus, bei welchen Vorbildern
sie sich bedienen: auf das zuverlässige Fundament der Misogynie werden
Gags geschichtet, die sich (auch selbstreflexiv) mal beim Videotheken-Setting
bedienen („Rambo“) oder das Psychiatrie-Setting nicht nur für politisch
unkorrekte Pointen, sondern auch für Referenzen an „Einer flog über das Kuckucksnest“ nutzen. Je länger der Film versucht, seine rücksichtslose
Zweigleisigkeit wider alle Handlungslogik aufrechtzuerhalten, desto schwieriger
wird es, zum Ende hin die Konventionen der romantischen Komödie wenigstens
ansatzweise wieder herzustellen. Es funktioniert auch nur, weil auf der Zielgeraden
die Konfliktpotentiale etwas ungelenk, aber sorgsam auf einzelne Figuren verteilt
werden, um zumindest die Ahnung von Lernprozessen und damit eine sehr rudimentäre
Form von Happy End zu produzieren.
„Bros before Hos“ ist eine romantische Komödie, die den Wunsch tilgt, in die Zukunft der Figuren zu blicken. Das passiert, wenn man die Baupläne der Komödien der Brüder Farrelly oder der Wayans kopiert, aber deren Herz und Seele nicht habhaft wird. Da hilft dann auch kein holländischer Hip Hop mehr, so lustig er sich auch anhört.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in: filmdienst 1/2015
Bros Before Hos
Niederlande 2013 - Produktionsfirma: Eyeworks Film & TV Drama/Living Stone/Inspire
Pic. - Regie: Steffen Haars, Flip van der Kuil - Produktion: Maarten Swart,
Sander Emmering, Reinout Oerlemans, Steffen Haars, Flip van der Kuil, Sim van
Veen - Buch: Steffen Haars, Flip van der Kuil - Kamera: Joris Kerbosch - Musik:
Manna Horsting, Michiel Marsman - Schnitt: Flip van der Kuil - Darsteller: Tim
Haars (Max), Daniël Arends (Jules), Sylvia Hoeks (Anna), Henry van Loon
(René), Theo Maassen (Bart), Huub Smit (Jordy), Birgit Schuurman (Mercedes),
Juliette van Ardenne (Eefje) - Start(D): 15.1.2015 - Länge: 88 Min.
- FSK: ab 16; f - Verleih: Wild Bunch
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