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Deus‘
Hochzeit
Es lebe
das Leben!
João César Monteiros Film
„Deus‘ Hochzeit“
Während ein Sattelitenbild der Milchstraße
die Leinwand füllt, werden die Vorspanntitel eingeblendet und von einem
Off-Sprecher vorgelesen. Dann folgt aus der Totale eine minutenlange Einstellung
auf ein paradiesisch anmutendes Naturidyll, in dessen Mitte ein schon älterer
hagerer Mann auf einer Bank sitzt und verschwenderisch sein karges Mahl einnimmt.
Vor dem Kamera-Auge durch ein großes Palmblatt geschützt, folgt der
leicht versponnen wirkende Mann mit clowneskem Einschlag daraufhin einem natürlichen
Bedürfnis, bevor er sich bei einer Zigarette entspannt. Plötzlich
betritt ein Gesandter Gottes in Marineuniform die Szene, um dem armen Glücklichen
einen Koffer voller Geld zu überbringen. Der Beschenkte schulde dem Höchsten
weder Dank noch Glaubenstreue. Und noch ehe unser Held mit leichter Hand und
gleichmütigem Interesse die Dollarscheine gezählt hat, rettet er eine
junge, lebensmüde Frau vor dem Ertrinken.
In „Deus‘ Hochzeit“ (As Bodas de Deus),
dem mittlerweile 17. Film des hierzulande noch unbekannten Einzelgängers
João César Monteiro, dessen Filme bislang vor allem auf den Festivals
von Venedig und Cannes Beachtung fanden, gibt es die Belohnung vor der guten
Tat. Der anarchische Geist des 62-jährigen portugiesischen Regisseurs,
der stets selbst die Hauptrolle in seinen Filmen übernimmt, schafft eine
sehr eigenwillige filmkünstlerische Handschrift: Mit viel Witz und inszenatorischer
Raffinesse, mit unbekümmerter Offenheit und höchst gebildeten Dialogen
entwickelt Monteiro diese leicht märchenhafte Handlungslogik. Dafür
benutzt der Film immer wieder Mittel ironischer Distanzierung, die überzeichnend
oder verfremdend das Spiel mit der Fiktion durchscheinen lassen und so Monteiros
Welttheater für die Selbstinszenierung des von ihm verkörperten Alter
ego João de Deus öffnen. In statischen, ruhigen Tableaus entfaltet
sich demgemäß eine philosophische Menschheitskomödie, die ihre
archetypischen Schauplätze zu Begegnungsstätten mit dem Weltgeist
erhebt, der in den zahlreichen Verweisen auf die Literatur- und Kunstgeschichte
ebenso lebendig ist wie im Spott auf die politischen und gesellschaftlichen
Verhältnisse. Auch wenn Monteiro dabei stets die Verbindung von Hohem und
Niederem, göttlich Allgemeinem und individuellem Schicksal akzentuiert,
wählt er für seinen Film doch ein Refugium der Schönheit, dessen
Erlesenheit alles verklärt und das Leben mit einer eigentümlichen
Freiheit feiert. Da das nicht ohne Liebe und Erotik geht, wird João de
Deus‘ Aufstieg in ein neues Leben und zum Baron zu einer sinnlich-sinnenfrohen
Odyssee durch die Labyrinthe des Eros, in dessen Zentrum das weibliche Geschlecht
alle Obsessionen auf sich zieht.
„Vita vixit“ schlägt der Baron de
Deus als Schriftverzierung für den Kuchen des Ölmilliardärs Omar
Rashid (José Airosa) vor, der zusammen mit seiner sagenhaft schönen
Frau, der Prinzessin Elena Gombrowicz (Joana Azevedo), zu Gast in der vom Baron
neu erworbenen „Villa Paradies“ ist. Nach einer Nacht des Pokerspiels und einem
entscheidenden Würfelwurf, der, so de Deus in einem anspielungsreichen
Zitat, „nie den Zufall aufheben“ wird, hat der Gast seine Frau an den Gastgeber
verloren. In der provozierend tabulosen Liebesnacht paaren sich auf irritierende
Weise jugendliche Schönheit und die Gebrechlichkeit des Alters in einem
Bild, das das sinnenfrohe Leben und seine Vergänglichkeit miteinander vereint.
Davor sieht man die beiden Frischvermählten beim Opernbesuch: ein Auftritt,
der die unverhohlen sexuelle Lüsternheit des freidenkerischen Barons mit
der staatstragenden Religiosität des bürgerlichen Standes konfrontiert
und schließlich in der Selbstenthebung des Zwergenkönigs samt seins
Puppenhofstaates kulminiert. Der Sexus ist für Monteiro der Stachel im
Fleisch einer religiös geprägten Gesellschaft. Das Tabu verlangt als
Korrektiv die Übertretung. Deshalb sind seine obszönen Reden von unbekümmerter
Blasphemie durchsetzt und seine derb-poetischen Aphorismen Mittel der Ketzerei.
Es kommt wie es kommen muss: Der göttliche
Wille erfüllt sich, denn was Gott gibt, das kann er auch wieder nehmen.
Die schöne Prinzessin verlässt über Nacht den Baron de Deus,
dieser landet zunächst im Irrenhaus und schließlich im Gefängnis.
Aber dann begegnet er wieder der schönen Lebensmüden (Rita Durão)
des Anfangs: „Joana, welch seltsame Wege musste ich gehen, um zu dir zu finden?“
Einmal sehen wir João de Deus beim
Essen mit der Klostervorsteherin. Während die Oberin isst, beschäftigt
er sich ausschließlich mit der Aufschichtung des Essens auf seinem Teller
und bringt sich damit um den Genuss. Monteiros Hedonismus ist ein Appell an
die Freiheit des Geistes. In „Deus‘ Hochzeit“ heißt es dazu an anderer
Stelle: „Das Leben der Liebe widmen, das ist das Geheimnis.“
Wolfgang Nierlin
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 28.2.2001 und im Mannheimer Morgen vom 26.7.2001
Deus'
Hochzeit
(As
bodas de Deus)
Portugal,
Frankreich 1998
Regie:
João César Monteiro, Buch: João César Monteiro,
Kamera: Mário Barroso, Produzent: Paulo Branco.
Mit:
João César Monteiro, Joana Azevedo, Rita Durão, José
Airosa, Manuela de Freitas, Luís Miguel Cintra, Ana Velazquez, José
Mora Ramos, Fernando Mora Ramos, Fernando Heitor, João Liszt, Jean Douchet.
Kinostart
Deutschland: 26.10.2000 - ca. 150 min.
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