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Drive Angry 3D
Film Stupid
Nicolas Cage braucht Geld. Viel Geld. Anders lässt
es sich kaum erklären, dass der mittlerweile 47-jährige Schauspieler
in den letzten Jahren nicht nur omnipräsent im Kino ist, sondern, abgesehen
von Ausnahmen wie „Bad Lieutenant – Port of Call New Orleans“ (2009; Werner
Herzog) und dem poppig-verspielten „Kick-Ass“ (2010; Matthew Vaughn), fast durchgehend
in Filmen auftritt, die stupend blöde sind. Filme wie „Season of the Witch“
(„Der letzte Tempelritter“; Dominic Sena, 2011), „The Sorcerer's Apprentice“
(„Duell der Magier“; 2010; Jon Turteltaub) und das überflüssige „The
Wicker Man“-Remake von Neil LaBute (2006) sind bestenfalls überflüssig,
in der Regel aber eine Beleidigung des Publikums. Dabei hatte alles so gut angefangen:
mit Filmen wie „Rumble Fish“ (1983) und „Cotton
Club“ (1984) von seinem Onkel Francis Ford Coppola, „Birdy“ (1984) von Alan
Parker, „Raising
Arizona“ („Arizona Junior“; 1987) von
den Coen-Brüdern und „Wild at Heart“ (1990) von David
Lynch. Irgendwann kamen dann die beiden Über-Hollywood-Produzenten Don
Simpson and Jerry Bruckheimer und Filme wie „The Rock“ (1996;
Michael Bay) und „Con Air“ (1997; Simon West). Und Cage wurde vom Actor zum
Overactor zur Comicfigur. Dabei war sein zappeliges Überagieren zumindest
in den Filmen von John Woo („Face/Off“ / „Im Körper des Feindes“; 1997)
und Brian De Palma („Snake Eyes“ / „Spiel auf Zeit“;
1998), die gewissermaßen die „barocke“ Phase von Cages Karriere markieren,
durchaus unterhaltsam. In „Drive Angry“ von Patrick Lussier ist nicht einmal
mehr das überkandidelte Spiel geblieben. Mit stumpfen Augen, schleppendem
Gang und exakt einem Gesichtsausdruck scheint Cage völlig erstarrt zu sein.
Desinteressiert stapft er durch den lustlos hingeklatschten Film.
Dabei verspricht der irrwitzige Plot zunächst einmal ganz großes
Kino: Cage spielt Milton, einen Autonarren, der aus der Hölle geflohen
und auf Rache aus ist, denn die Sekte des durchgeknallten Satanisten Jonah King
(Billy Burke) hat seine Tochter ermordet (der Verweis auf Miltons Paradise Lost
ist der einzige gelungene Witz des Films). Aber nicht nur das: Nun hat King
auch noch Miltons Enkelin entführt, um diese beim nächsten Vollmond
zu opfern, um den Satan höchstpersönlich auf die Erde zu holen. Bei
dem Versuch, das Kleinkind aus den Klauen der Sekte zu retten, stehen unserem
verbitterten Helden eine umtriebige Kellnerin (Amber Heard) zur Seite, die sich
die Drehbuchautoren ausgedacht haben, um ein wenig nackte Haut in den Film zu
bringen, und ein getunter 71er Challenger. Damit fährt Milton seine Gegner
über den Haufen, wenn nicht gerade eine Schusswaffe zur Hand ist. Einen
gewissen „Buchhalter“ (William Fichtner) gibt es auch noch, der sich parallel
zu Milton durch den Film metzelt. Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, dass
der Plot reichlich konfus ist, hat völlig Recht.
Für einen solchen Stoff bräuchte es einen Robert Rodriguez, der Trash
nicht nur verehrt und willens ist, sein Publikum rücksichtslos damit zu
traktieren, sondern sich mit aufrichtiger Liebe die alten Versatzstücke
aneignet, aus deren Material etwas Neues formt und sichtlich Spaß dabei
hat. Patrick Lussier dagegen ist nur ein schlechter Handwerker, der sein Publikum
verachtet. Nichts stimmt an „Drive Angry“: nicht das 3D, das kein Gefühl
von Raumtiefe erzeugt, zum Schielen zwingt und Gegenlicht in irritierende Bildschlieren
verwandelt, nicht die billigen Effekte aus dem Rechner, die einen sprichwörtlichen
Blick in die Hölle zum schlechten Witz werden lassen, nicht die viele Gewalt,
die weder weh tut noch schockiert noch unterhält, auch nicht die bemühten
Verweise auf Klassiker wie „The Road Warrior“ („Mad Max 2 – Der Vollstrecker“;
1981) und „Terminator“ (1984), und ganz gewiss nicht das Drehbuch, das so
sprunghaft ist, dass man sich wiederholt fragt, ob man nicht trotz all dem Geschepper
für einen kurzen Moment eingenickt ist. Von den lustlosen Dialogen, dem
Schauspiel, dem Musikeinsatz, dem stumpf-aggressiven Sexismus und der deutschen
Synchronisation, die an den berühmt-berüchtigten Rainer Brandt erinnert,
sollten wir sowieso schweigen. Das Schlimmste aber ist, dass das Ganze so schlecht
ist, das es nicht einmal wieder gut ist. Wenn Cages Milton etwa eine schlampige
Kellnerin mit Silikonbrüsten vögelt und dabei nebenher (!) ein Dutzend
Gegner in Fetzen schießt, dann ist das für den Regisseur einfach
nur die unmittelbarste Möglichkeit, Sex und Gewalt in einer Szene, möglichst
in einer Einstellung zusammenzubringen. Und wenn Milton beim Vögeln und
Töten von seinen Gegnern schließlich mit einem Elektro-Schocker traktiert
wird, sodass die Frau, die unter ihm liegt, nur so zuckt, dann gelingt es Lussier
nicht einmal, die Szene mit dem naheliegenden Herrenwitz zu beenden, dass die
Frau zum Orgasmus kommt. Womit die Sequenz freilich kein bisschen besser, aber
zumindest konsequent zu Ende geführt worden wäre. Aber was will man
schon von einem Film erwarten, der in seinen letzten Bildern den Protagonisten
buchstäblich auf dem „Highway to Hell“ abfahren lässt und dazu nicht
einmal den entsprechenden AC/DC-Song einsetzt?
Harald Steinwender
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: www.filmgazette.de
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Drive
Angry 3D
OT: Drive Angry 3D
USA 2011 - 104 min.
Regie: Patrick Lussier - Drehbuch: Todd Farmer, Patrick Lussier - Produktion:
René Besson, Michael De Luca - Kamera: Brian Pearson - Schnitt: Devin
C. Lussier, Patrick Lussier - Musik: Michael Wandmacher - Verleih: Warner Bros.
- FSK: keine Jugendfreigabe - Besetzung: Nicolas Cage, Amber Heard, William
Fichtner, Billy Burke, David Morse, Katy Mixon, Christa Campbell, Charlotte
Ross
Kinostart (D): 24.02.2011
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