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Easy Virtue – Eine unmoralische Ehefrau
Der australische Regisseur Stephan Elliott konnte
nach seinem Überraschungshit "Priscilla – Königin der Wüste"
1994 kaum mehr von sich reden machen. Nun versucht er es mit einer Noel-Coward-Verfilmung
Interessanterweise lässt das Schreckenswort Weltwirtschaftskrise
immer noch die meisten an den »schwarzen Dienstag« im Jahre 1929
denken. Mit dem 29. Oktober endete damals ein Jahrzehnt, das mal als »golden«
und mal als »wild« bezeichnet wird. Stephan Elliotts Verfilmung
eines beliebten Theaterstücks aus der Zeit bietet den schönen Anlass,
den Blick einmal nicht vom Börsencrash aus in die vermaledeiten 30er zu
werfen, sondern zurück: auf eine Epoche des Aufbruchs, in der soziale Unterschiede
jäh aufbrachen und in Frage gestellt wurden, eine Zeit, geprägt von
einem Innovationsschub in Technik, Kultur und Alltag, der bis dato Unerhörtes
möglich machte. Das Fahren von Automobilen etwa. Oder Frauen, die Hosen
tragen. Oder Theaterstücke, in denen eine autofahrende, Hosen tragende
Frau im Mittelpunkt steht.
Easy Virtue stammt aus der Feder
des britischen Autors Noel Coward, der seinerseits die »wilden Zwanziger«
personifiziert wie kaum ein anderer. Ein Popstar, lange vor der Erfindung des
Pop, ein Botschafter von »Cool Britannia« in einer Zeit, als die
Kombination von »britisch« und »cool« noch eine Beschreibung
für höfliche Zurückhaltung oder schlechtes Wetter darstellte.
Einige von Cowards Stücken aus den zwanziger Jahren sind verfilmt worden,
wie zum Beispiel Design For Living von Ernst Lubitsch. Easy Virtue erhielt
bereits 1928 eine Leinwandversion, durch niemand Geringeren als Alfred Hitchcock,
der in seiner Stummfilmfassung allerdings Cowards geschliffene Dialoge weitgehend
weglassen musste.
Stephan Elliotts Film dagegen verneigt
sich förmlich vor dem Theatergenie Noel Coward und seiner scharfzüngigen,
pointenreichen Sprache. Da baut sich am Anfang die Familie vor dem
Anwesen auf, um den ältesten Sohn und die Frau, die er im Ausland überraschend
geheiratet hat, willkommen zu heißen. Obwohl man sich noch nicht kennt,
sind die Fronten bereits klar: die vermeintlich vulgäre Amerikanerin –
die der deutsche Verleihtitel recht unglücklich als »unmoralische Ehefrau«
bezeichnet – muss hinausgeekelt werden. »Lächeln«, wird als
Parole ausgegeben, als das Auto sich nähert. »Mir ist aber nicht
danach!«, trotzt eine der Töchter. »Du bist Engländerin
– tu so, als ob!«, empfiehlt der Vater. Colin Firth spielt
ihn als depressiven Exzentriker, dessen Lebensgeister einzig beim Austausch
von Bösartigkeiten mit seiner Frau aufblitzen. Firth ist die
fast sinnliche Freude anzumerken, so clever Geschriebenes mit vollendetem Understatement
darzubieten. Kristin Scott Thomas als bittere Matriarchin,
die ihm nicht verzeiht, was auch immer er getan hat, ist ihm ein ebenbürtiges
Gegenüber. Wer feinste Nuancen von sarkastisch über ironisch bis zu
offen verächtlich studieren möchte, wird sich an ihrem grandiosen
Auftritt hier kaum satt sehen können.
Gegenüber solchen Schauspielschwergewichten haben
es die »Newcomer« eher schwer. Wenn Jessica Biel als amerikanische
Überraschungsbraut aus dem Auto steigt und den Entenhut abnimmt,
um ihren blond gefärbten Bubikopf auszuschütteln, löst sie Erwartungen
aus, die sie dann doch nie erfüllt: Ihre Larita bleibt
bloßes Abziehbild amerikanischer Tugenden wie Toughness,
Leichtigkeit und Pragmatismus. Aber auch Ben Barnes (der sich als Prinz Kaspian in der Narnia-Verfilmung in die Herzen der Mädchen spielte) als
ihr frisch gebackener Ehemann, der nichts lieber hätte, als dass Mama und
Braut sich einfach vertragen, kann seiner Figur nicht die richtige Erdung verleihen.
Respektvoll konserviert Elliott die Stückstruktur,
in der Dialoge wie actionreiche Duelle funktionieren. Doch leider geht Respekt
stets mit einer gewissen Distanz einher, die hier zwar die Ironie gut aussehen
lässt, aber nicht den dazugehörigen Ernst. Dass hinter der Lethargie
des Hausherrn ein Kriegstrauma steht und die Biestigkeit
der Mutter ihren Grund in realen ökonomischen Sorgen hat, das verkommt
in Elliotts stylisher Inszenierung ebenfalls zur Pointe. Dabei liegt im unterliegenden
Ernst das eigentlich Interessante an Cowards Komödien, nämlich der
feine Sinn dafür, dass die zwanziger Jahre eine Art Tanz auf dem Vulkan
waren. Elliott aber bleibt beim Ton augenzwinkernder Nostalgie, wie ihn die
Filmmusik von Marius De Vries vorgibt, der die Zwanziger als »Jazz Age«
feiert. Seine Duke-Ellington-Fassung von »Sex Bomb« hat es allerdings
in sich.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Easy Virtue
Großbriannien/USA 2008. R: Stephan Elliott. B: Stephan Elliott, Sheridan
Jobbins (nach dem Stück von Noel Coward). P: Barnaby Thompson, Joe Abrams, James D Stern. K: Martin
Kenzie. Sch: Sue Blainey. M: Marius De Vries. A: John Beard. Pg:
Fragile/Ealing Studio/BBC. V: Sony. L: 97 Min. FSK: 6, ff. Da: Jessica Biel, Ben Barnes, Colin Firth, Kristin Scott Thomas. Start: 24.06.2010 (D)
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