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Effi
Briest
Eine
Bardot der Bismarckzeit
Redliches Bemühen in gut genähten
Kostümen: Hermine Huntgeburth macht mit Fontanes "Effi Briest"
(Berlinale Special) das, was sie wohl für Modernisierung hält.
Gutes Timing sieht anders aus. Nach den
"Buddenbrooks" kommt nun mit "Effi Briest"
innerhalb von zwei Monaten gleich die zweite Verfilmung eines großen deutschen
Gesellschaftsromans in die Kinos. Und so unterschiedlich die Vorlagen sind -
obwohl beide mehr oder weniger von derselben Epoche handeln -, so verdächtig
ähnlich sind die Filme. Deutsche Großschauspieler mühen sich
in gut genähten Kostümen vor sorgfältig ausgewählten Kulissen
redlich, während der Zuschauer sich in fataler Weise zurück in den
Deutschunterricht versetzt fühlt …
Wobei der Vergleich mit Hermine Huntgeburths
"Effi Briest" Heinrich Breloers "Buddenbrooks" wahrscheinlich
Unrecht tut. Breloers Verfilmung war wenigstens noch der Enthusiasmus des Regisseurs
für die Vorlage anzumerken. Huntgeburth aber macht unmissverständlich
deutlich, dass sie den ollen Fontane für überholt hält, indem
sie die Geschichte auf eine Weise überarbeitet, die in ihren Augen wahrscheinlich
eine Modernisierung darstellen soll.
Das Grundgerüst ist erhalten: Effi,
eine Tochter aus gutem herrschaftlichem Hause wird mit 17 Jahren an einen 20
Jahre älteren Baron verheiratet, zieht mit ihm ins baltische Kessin, ist
da im ersten Ehejahr ziemlich unglücklich und hat eine Affäre mit
einem anderen Mann, die allerdings endet, als sie mit Gatte und Kind in die
Hauptstadt Berlin zieht, wo die Dinge ins Lot kommen. Leider entdeckt der Baron
nach sechs Jahren die Briefe des Liebhabers, fordert ihn zum Duell, erschießt
ihn und verstößt seine Effi. Die wird ihrerseits von den eigenen
Eltern verstoßen. Im Buch meinen alle Beteiligten so handeln zu müssen,
weil es Konventionen gibt. Unkonventionell sein, das war damals einfach noch
nicht modern.
Ist es aber heutzutage, was Regisseurin
Huntgeburth wohl dazu gebracht hat, aus Effi nun eine vollendete Heldin gegen
die Konvention zu machen. Julia Jentsch spielt sie als eine Art Brigitte Bardot
der Bismarckzeit: ein bisschen Kleinmädchencharme, ein bisschen Grande
Dame, ungeschickt in der Artikulation, aber hoch emotional. Dass sie aus dem
Rahmen fällt, sieht man schon an den Haarsträhnen, die sich stets
dekorativ aus der Steckfrisur lösen. Sie verfällt dem Major, weil
der, wie der Film in seinen Sexszenen deutlich macht, der bessere Liebhaber
ist. Er kann sogar Oralsex!
Doch damit nicht genug, in Huntgeburths
Version ist Effis Gatte Instetten (verkörpert von Sebastian Koch, den man
noch nie so hilf- und ausdruckslos gesehen hat) nicht nur ein Kopfmensch, der
über die Regeln nicht hinwegkommt, die er selbst schon kritisiert, sondern
er ist ganz schlicht ein ziemlich widerwärtiger Gatte, der die schöne,
junge Frau an seiner Seite als "Trophäe" einsetzt, während
er seine sexuelle Befriedigung bei der Hausdame findet. Folgerichtig nutzt Effi
die Scheidung für ihre Emanzipation, fängt das Rauchen an und sucht
sich einen Job. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein neuer potenzieller Partner
in die Nachbarwohnung einzieht. Das ist keine Modernisierung, das überbietet
an Abgeschmacktheit den viel gescholtenen "frauenaffinen" Fernsehfilm.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Effi
Briest
Deutschland 2007 - Regie: Hermine Huntgeburth - Darsteller: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Barbara Auer, Mišel Maticevic, Margarita Broich, Rüdiger Vogler, Juliane Köhler, Thomas Thieme - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 118 min. - Start: 12.2.2009
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