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Ein
Mann wie Eva
Als Imitatorin von Rainer Werner Fassbinder
ist Eva Mattes einfach fantastisch. Schon deshalb spielt es keine Rolle, ob
im Titel nun EVA oder E.V.A. steht, doch Radu Gabrea und Laurens Straub sollen
darüber gestritten haben; ihr Streit war mehr als überflüssig,
auch dann, wenn er um die größeren Anteile an der Urheberschaft ging.
Die Handschrift Gabreas, sein Umgang mit Licht, Farbe und Atmosphären,
kann jeder wiedererkennen, der »Fürchte dich nicht, Jakob!« gesehen hat. Gleichzeitig aber demonstriert der
Film eine intime Kenntnis der Person Fassbinders, seiner Schwächen und
Schwierigkeiten, seines Sprachduktus und seiner Körperhaltungen - und seiner
Mitarbeiter, sogar seiner Wohnung in der Reichenbachstraße. Über
diese Kenntnisse dürfte der Regisseur wohl schwerlich verfügt haben
können. Überhaupt ist von den Beteiligten viel Seltsames über
diese Arbeit gesagt und geschrieben worden. Vergleiche mit »Der
letzte Tango von Paris«, »Mephisto«
und »Abend der Gaukler« wurden riskiert. Bei den sexuellen und erotischen
Szenen hat Eva Mattes (laut Presseheft) einen künstlichen Penis an, „damit
sie irgendwie das Gefühl behält, wie es sich anfühlt, ein Mann
zu sein" (Laurens Straub). Als ob sich einer mit Schuppen im Haar wie ein
Fisch vorkommen könnte. Und Eva Mattes erklärte: „Ich hab mit niemand
geschlafen in der Zeit, weil ich nicht Frau sein wollte, oder wenn, dann fand
das allerdings so statt, daß ich wirklich mehr Mann war als sonst."
(Drehzeit: 13.6.-9.7.83).
Am meisten aber verblüfft mich eine
Erklärung Radu Gabreas: „Einen Film über RWF wollte ich eigentlich
nicht machen." Dabei dürfte es wohl unmöglich sein, in diesem
Film auch nur ein einziges Motiv zu finden, das nicht zumindest eine Anspielung
auf Fassbinder bedeuten würde. Ein Filmteam lebt und arbeitet da in einer
alten Villa, wie zu Fassbinders Anfangszeiten, oder wie in Stöckach, bei
den Dreharbeiten zu »Chinesisches
Roulette« (1976),
und noch das Zimmer des Regisseurs Eva gleicht der Wohnhöhle Fassbinders
in München. Eva trägt eine Lederjacke, Lederstiefel, einen Hut, und
ihr Bart ist die akribische Meisterleistung maskenbildnerischer Mimikry. Eva
schaut sich gern im Fernsehen Fußballspiele an. Im Team gibt es einen
Farbigen; er heißt Ali und bringt sich um. Im Team gibt es einen jungen
Schauspieler; er heißt Walter und bringt sich auch um. Im Team gibt es
eine Schauspielerin; sie heißt Gudrun, stürzt mit blutenden Händen
ins Bild und bringt sich nicht um. Wer nur ein klein wenig Ahnung über
die Vorgänge unter Fassbinders Mitarbeitern hat, wird diese Figuren allesamt
wiedererkennen.
Wiedererkennen lassen sich auch die Spuren
aus Fassbinders Filmen. Eine Einstellung zeigt das Team um den Tisch gruppiert
wie die Ganoven aus RWFs frühen Gangsterdramen. Eva schikaniert Gudrun
wie der Dichter Kranz seine Geliebte in »Satansbraten«. Man sieht Anklänge an »Warnung
vor einer heiligen Nutte«
und »In einem Jahr mit 13 Monden«, man sieht Spiegel und Spiegelbilder,
man sieht Blicke durch Türen. Und man sieht, wie jede Liebe und Zuneigung
im Team den Regisseur Eva schmerzlich trifft, wenn sie nicht ihm, sondern einer
anderen Person gilt. Seine Eifersucht, seine Ansprüche, seine Einsamkeit
- und da gibt es Momente, die mich plötzlich doch berühren, gegen
meinen Willen, gegen meine Überzeugung, wie mich auch einige Augenblicke
durch die Perfektion des Imitierens berühren, weil ich plötzlich den
Rainer wiederzusehen glaube. Vielleicht ist gerade dies das Ärgerliche
an diesem Film: daß er sich, ganz im Gegensatz zu Gabreas Statements,
eben nicht von Fassbinder löst, sondern von seiner Tragik profitiert. Oder
gelegentlich vergeblich zu profitieren versucht, wenn die pointillistische Nachahmung
in die Karikatur umkippt; oder wenn die melodramatischen Töne - auch da
beruft sich der Film auf Fassbinder - mitunter aus der Kontrolle geraten, wie
etwa in der Schlußsequenz. Natürlich gibt es auch Szenen, von denen
ich nicht weiß, ob sie erlebt, recherchiert oder erfunden sind, die Taufe
eines Hundes zum Beispiel, oder die beiden Frauen im Team, die der Regisseur
aus Geldnot auf den Strich schickt. Aber diese Szenen passen haargenau hinein,
in den Film wie in die Statements.
Fassbinder war im Umgang mit seinen Mitarbeitern
nicht zimperlich. Er hat darüber selbst reflektiert, auch öffentlich,
etwa in seiner Episode von »Deutschland
im Herbst«, oder
in »In
einem Jahr mit 13 Monden«.
Dort erfahren wir mehr über ihn, auch über seine Formen des Versagens.
Gabrea und Straub bleiben, trotz spektakulärer und spekulierender Elemente,
weit dahinter zurück. Dabei wäre es möglich oder unerläßlich
gewesen, auch etwas von Fassbinders Leistungen zu vermitteln, von seinem Handwerk,
von dem, was ihn als Regisseur ausgemacht hat. Hierzu erfahren wir nur ein paar
arge Sätze („Meine Kunst ist eine Kunst der Macht"), mehr eigentlich
nicht. Hätte Radu Gabrea doch das getan, was er behauptet getan zu haben.
Hätte er doch keinen Film über Rainer Werner Fassbinder gemacht!
Hans Günther Pflaum
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 2/1984
Ein
Mann wie Eva
Bundesrepublik
Deutschland 1984. Regie: Radu Gabrea. Drehbuch: Radu Gabrea nach einer Idee
von Laurens Straub. Kamera:
Horst Schier. Schnitt: Dragos-Emanuel Wittkowski. Musik: Giuseppe
Verdi „La Traviata". Ton:
Matthias Willems. Ausstattung: Jörg Neumann. Kostüme: Tina Stöckl.
Produktion: Horst SchierLaurens Straub mit atlas Trio Film/Impuls Film/Maran
Film. Verleih: Filmwelt. Länge: 2470 m (90 Min). FSK ab 18, nffr. Kinostart:
17.2.1984. Darsteller.- Eva Mattes (Eva), Lisa Kreuzer (Gudrun), Werner Stocker
(Walter), Charles Regnier (Yvonne), Charly Muhamed Huber (Ali), Carola Regnier
(E1se), Albert Kitzl (Max), Towje Kleiner (Produzent).
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