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Ende
August, Anfang September
„Ende
August, Anfang September“ ist ein Film um die plötzliche Präsenz des
Todes in einer Gruppe von Leuten, die eben noch jung waren. Einer von ihnen,
gerade 40 geworden, halbwegs erfolgreicher Schriftsteller, wird krank, stirbt
dann. Für keinen seiner Freunde und Bekannten ist das ein einschneidendes
Ereignis, auch der Film macht es nicht dazu. Eher ist es so, dass alle von Anfang
an so handeln, als könne es sie treffen. Ehe man sich's versehen hat, ist
die Jugend vorüber, man hat sich halbwegs etabliert, wurstelt eigentlich
aber weiter wie zuvor und nichts geht mehr voran.
Die
Perspektive des Films ist männlich. Gabriel, der es sich in seiner Ruhelosigkeit
halbwegs eingerichtet hat, Adrien, sein Freund, als Schriftsteller etabliert,
aber nicht mehr aufregend, stehen im Fokus der Geschichte. Die Frauen, deren
Porträts der Film auch zeichnet, zirkulieren darum herum. Das Dilemma,
in dem sich alle befinden, besteht darin, dass sie unglücklich sind, wenig
glücklich wenigstens, und doch nicht die Kraft haben, noch einmal neu anzufangen.
Gabriel steht zwischen den Frauen, seinem Ehrgeiz, der Notwendigkeit, Geld zu
verdienen und doch ein paar Prinzipen treu zu bleiben und wendet sich mal hier,
mal dort hin. Jenny hängt nach wie vor an ihm, will ihn zurück und
weiß zugleich, dass es unmöglich ist. Sie ist zu lebendig, um zynisch
zu werden und doch zu resigniert, um etwas Neues zu probieren. Anna wird von
Gabriel nicht für voll genommen, ist Objekt mehr von Lust als Liebe und
sucht selbst Erfüllung in einem sexuellen Verhältnis mit einem anderen
Mann, ohne sie zu finden. Am Ende, immerhin, scheint der Film eine Perspektive
für die beiden zu bieten. Am ausgeglichensten ist noch die Familie von
Gabriels Bruder mit ihrem Haus auf dem Land, aber sie scheinen so etabliert
wie langweilig und zunehmend ignorant. Und da ist noch Adrien, der in seiner
Krankheit zu sich selbst zu finden scheint. Aber dann stirbt er ja.
Assayas
entwirft sein Generationenporträt in einem Stil, der zwischen den Polen
von Sautets kunsthandwerklicher Figurenmalerei und Carax' Halbstarkentum liegt.
Die Geduld und Kommentarlosigkeit, ja die Beiläufigkeit seiner Erzählung
von Liebe und Tod sind in einem strengen Sinne melancholisch. Episode auf Episode
wird ins Schwarze abgeblendet, die erzählerische wie schnitttechnische
Ellipse haben Methode. In diesem Ausschneiden liegt eine schleichende Beunruhigung:
was passiert sein wird, ahnt man und erfährt es Stück für Stück,
in einer Nachträglichkeit, die immer bestätigt, nie überrascht.
Die Handkamera, das grobkörnige Filmmaterial tragen zu dieser Unruhe bei.
Der Effekt, den die Bilder machen, ist in erster Linie der einer dem Erzählten
adäquaten Rauheit, des Verzichts auf Beschönigung der menschlichen
Beziehungen. Man kommt den Figuren nahe, ohne dass einem wirklich warm wird.
Ende August, Anfang September, der Sommer ist fast vorbei und das erste Frösteln,
das der Beginn des Herbstes bringt, ist diesem Film in die Glieder gekrochen.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: jump cut
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Ende
August, Anfang September
TV-Titel:
Das Ende der Unschuld
Originaltitel :
Fin août, début septembre
Frankreich
1998, Regie: Olivier Assayas, Buch: Olivier Assayas, Kamera: Denis Lenoir, Musik:
Ali Farka Touré, Produzent: Georges Benayoun, Philippe Carcassonne. Mit:
François Cluzet, Mathieu Amalric, Virginie Ledoyen, Jeanne Balibar, Alex
Descas, Arsinée Kanjian, Mia Hansen-Løve, Eric Elmosino, Mia Hansen-Love,
Nathalie Richard, Arsinée Khanjian.
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