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Er
steht einfach nicht auf Dich
Die Herkunft der geläufigen Redewendung
„Jemandem einen Korb geben" ist nicht ganz geklärt. Vermutlich spielt
sie auf die prekäre Situation beim mittelalterlichen Dorftanz an, in der
eine Frau sich für einen von zwei Tanzpartnern entscheiden musste. Der
Abgewiesene „durfte" im wahrsten Wortsinn auf ihren Korb aufpassen - vergleichbar
mit jenem schmachvollen Moment in der Disco, in dem eine begehrenswerte Frau
demjenigen, der sie heimlich anhimmelt, vertrauensvoll ihre Handtasche übergibt,
um mit einem anderen im Trockeneisnebel abzutauchen. Nicht exakt diese, aber
ähnliche Situationen werden in dieser Geschlechterkomödie durchgespielt.
Der Titel „Er steht einfach nicht auf Dich" gibt zwar korrekt die weibliche
Perspektive wieder, die hier vorrangig eingenommen wird, aber auch die beteiligten
Männer müssen in diesem mit einer Menge Stars garnierten Ensemblefilm
einige Körbe entgegennehmen.
Gespielt wird ein Spiel, das so alt ist
wie die Menschheit. Nach jeder Runde sind gewohntermaßen die Verlierer
an der Überzahl. Die Regeln sind allerdings noch komplizierter geworden.
Die glücklose Dating-Expertin Mary, gespielt von Drew Barrymore, bringt
es auf den Punkt: Früher sei sie nach einem Tête-à-tête
kurz und schmerzlos abgewiesen worden, erklärt sie ihren schwulen Bürokollegen,
heute stünden 33 verschiedene Technologien bereit, die ganze Datensätze
niederschmetternder Nachrichten übermittelten. Mary wirkt immerhin abgeklärter
als Gigi (herzlich: Ginnifer Goodwin), die selbst im Yoga-Kurs ihr Mobiltelefon
keine Sekunde aus dem Blick verliert - um in Echtzeit den Moment auszukosten,
in dem eine SMS ihrer neuesten Zufallsbekanntschaft aufpoppt. Passiert aber
nicht. Zu verbissen, das merkt der Zuschauer schnell, ist Gigi auf der Suche
nach Mr. Right oder wenigstens Mr. Alright, eine Odysse gesäumt von weisen
Sprüchen des kumpelhaften Barkeepers Alex (Justin Long). Parallel dazu
hat sich Gigis Kollegin Janine (Jennifer Conelly) eine Spur zu vertrauensselig
in ihrer Ehe mit Ben (Bradley Cooper) eingerichtet. Janines Kinderwunsch scheint
kurz vor der Erfüllung zu stehen. Doch Vorsicht: unterm unfertigen Dach
wuseln noch die Handwerker, und Ben lernt an der Supermarktkasse die unwiderstehliche
Anna (Scarlett Johansson) kennen, die sich wider besseres Wissen Hoffnungen
macht, ausgerechnet von Ben aus ihrem Single-Dasein erlöst zu werden. Über
Durststrecken pflegt sich Anna mit dem Makler Connor hinwegzutrösten, dessen
ernsthafte Absichten sie aber nicht erwidern kann. Connor wiederum lässt
die schon genannte Gigi abblitzen - ja, für Momente erinnert dieses ruhelose
Wer-mit-Wem an Arthur Schnitzlers „Reigen" -, alldieweil sich Beth (flach:
Jennifer Aniston) trotz glücklicher Langzeitbeziehung mit Neil (noch flacher:
Ben Affleck) mit der Frage quält, warum ihr Geliebter nicht endlich den
Bund der Ehe mit ihr schließt. Wie aus einer Laune heraus trennt sie sich
von Neil und tritt zu einer brautjüngferlichen Variante des Spießrutenlaufens
während der Hochzeit ihrer Schwester an, wo durchweg unattraktive Cousins
sie zum Tanz auffordern. Erst im Lauf der erkenntnisreichen Party dämmert
Beth, dass eine Hochzeitsurkunde keinen Garantieschein für eine glückliche
Beziehung darstellt. Der glimpflich verlaufende Herzanfall des Vaters während
der Feierlichkeiten ist nicht mehr als ein ungeschickt platzierter Plot Point,
der glaubhaft machen soll, dass Beth auch am nächsten Tag noch im Kreis
ihrer Sippe verharrt; merkwürdig an dieser Konstruktion wirkt, dass der
Vater-Darsteller Kris Kristofferson nach dem Zusammenbruch seiner Figur gar
nicht mehr im Film auftaucht.
Mit ihrer episodischen Struktur und gewissen
Parallelen in der Charakterzeichnung gibt sich der in Baltimore siedelnde Film
als Ableger beliebter Fernsehserien wie „Sex in the City" oder „Desperate
Housewives" zu erkennen. Daran ist an sich nichts Verwerfliches. Allerdings
lässt es die Inszenierung von Ken Kwapis an Drive und Tiefgang vermissen,
dazu klatscht das Drehbuchpasticchio aus der Küche von Greg Behrendt und
Liz Tuccillo ein triefendes Komödienklischee ans andere. So ist nach wenigen
Filmminuten klar wie Hochzeitssuppe, dass Gigi und ihr neunmalkluger Flirtberater
Alex füreinander bestimmt sind; Geübte im Publikum ahnen wohl auch,
welches Paar nach Turbulenzen wieder zusammenfinden und welcher Bund ohne größere
Tränenflut auseinanderbrechen wird. Das Team Behrendt/Tuccillo erspart
uns nicht einmal einen peinlichen Interruptus in Bens Büro, woraufhin der
fremdgehende Ehemann die Geliebte in den Wandschrank (!) schiebt, um seine Gattin
hereinzulassen, die sich wiederum zwecks Rettung der Ehe mit Reizwäsche
gerüstet hat. Erstaunlich nur, dass kein noch so schwachbrüstiger
Plot die märchen- und monroehafte Körperlichkeit einer Scarlett Johansson
abschwächen kann. Und immerhin weiß auch Jennifer Connelly ihrem
eigentlich uninteressanten Part der betrogenen, sexuell unterversorgten Ehefrau
einige tragische Eintrübungen abzugewinnen, etwa wenn sie in der halbfertigen
Einbauküche einem Handwerker eine Szene macht, die insgeheim auf ihren
untreuen Mann zielt. Überhaupt sind die meisten Rollen nicht nur prominent,
sondern auch ansprechend besetzt. Aber - Hand aufs Herz - wer in einigen Monaten
am DVD-Regal des Videoverleihs vor die Wahl gestellt sein wird, nimmt doch lieber
einen echten Woody Allen mit nach Hause.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Er
steht einfach nicht auf dich!
USA 2008 - Originaltitel: He's just not that into you - Regie: Ken Kwapis - Darsteller: Ben Affleck, Jennifer Aniston, Drew Barrymore, Jennifer Connelly, Kevin Connolly, Bradley Cooper, Justin Long, Scarlett Johansson - Länge: 129 min. - Start: 12.2.2009
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