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Freitag
der 13. (2009)
Nispels
Nippel und: warum Jason die Jugend schützt
Jason, du altes Raubein. Ein Konservativer
ist er, verfolgt seine Mission konsequenter noch als Michael und Freddy. Neuerdings
ist zwar Jigsaw mit etwas fundierterer Leidenschaft bei der Sache, aber dieser
will sich nie selbst die Hände schmutzig machen. Der ist so schlau, der
hätte Kasparow geschlagen, sich nebenbei ein Brötchen geschmiert und
mit MacGyver’schem Physikverständnis eine Falle aufgestellt für einen
armen Ehemann, dessen Leben verwirkt ist, weil er neulich im Stehen gepinkelt
hat. Jason aber nimmt es da nicht ganz so genau.
Geboren im Schoße des malerischen
Crystal Lake, machte sich Jason Voorhees erstmals 1979 mit einem Kartoffelsack überm Kopf
verdient. Er erarbeitete sich nach einigen Jahren der Feriencamphüterei
bis nach Manhattan eine Reputation, flog schon mit Raumschiffen und hatte zuletzt
ein beschwerliches Rendezvous mit Freddy. Der neueste Aufguss ist ein Reboot
und angesichts so mancher bekannt vorkommenden Szene (Rückblick zur Mutter,
Aufsetzen der Hockeymaske in der Scheune, Seeidylle, leicht abgewandelte Morde),
vermuteterweise, auch gleich eine Hommage an die vornehmlich älteren „Freitag
der 13.“-Teile.
Jason hat nun an Intelligenz zugelegt,
er kann jetzt auch rennen. Doch nicht nur das: Der Macheten-Rowdy macht Gefangene,
benutzt Köder, hat sein Revier mit Geräuschmarkierungen abgesteckt,
haust unter Dielen, wirkt damit wieder erdiger und kaputtbarer. Grimmig und
schmuddelig. Das ist auch ganz des Marcus Nispels Ding, der ihn hier jetzt mal
in Szene setzt. Ein paar recycelte Geräuschflicken der Tonspur seines „Texas
Chainsaw Massacre“-Remakes drüber gelegt, denselben Director of Photography
angeheuert, weibliche Hintern in enge Jeans gesteckt. Das ist der Nispel-Style
für Horrorfilme. Nispel klingt fast wie Nippel. Werden hier auch gepriesen,
kein Scherz.
Accessoires, Lifestyle und Sprache machen
unmissverständlich klar, dass man sich nicht mehr in der Steinzeit der
Eighties befindet. In der Gegenwart sitzt das Silikon beim Wakeboarding wie
eine Eins und ganze studentische Existenzen zipfeln sich an gesalbte Hanfplantagen.
Der erste Gedanke, der bei Ankunft am Feriendomizil in den Kopf schießt:
„Hast du Netz?“ Beim Sex schaukelt die Handkamera gefälligst mit. „Aber
wehe, du stellst das ins Internet!“ Paris Hilton weiß ein Lied davon zu
singen. Dem „Ficker“ wünscht man auf Heutsprech viel Erfolg: „Möge
die Macht mit deinem Schwanz sein!“. Allerdings könnte der gemeine Duktus
in der deutschen Fassung etwas verfälscht wiedergegeben worden sein, denn
die pornophile Synchronisation hat sich einen „Blödscheiß“ zurechtübersetzt.
Im
Original wird es sicher viel authentischer zugehen. „Yeah, Luke, may the fucking force be with your fucking glow
stick, fucker!” Schon stehen auch die
Kunsttitten stramm.
„Freitag der 13.”-Filme haben sich seit
jeher an die Mode ihrer Zeit angepasst und sind zugleich ihre Spiegelbilder.
Von Karohemden zu Hot Pants. Der Krempel im verlassenen Camp Crystal Lake sehe
hier aus, als stamme er aus einem anderen Jahrhundert. Exakt, das trifft es.
Als reise man noch einmal kurz zurück in das verstaubte Interieur des Originals
mit seinen versteinerten Alltagsgegenständen. Fast schon visionär,
wo man doch kürzlich auf eine 20 Jahre alte DDR-Wohnung in unberührtem
Zustand stieß. Nur dass in ihr kein lebendes Fossil mehr lebt.
Dieses kultisch verehrte Slasherrelikt
aus dem letzten Jahrhundert hat sich als stumpfer Holzfäller die Jahre
bewährt; Jason fällt die Bäume auch heute noch mit Muskelkraft.
Nicht übermäßig stolz wird hier nun der Nagel in den Hals getrieben,
verlässt die Axt wuchtig die Hände für eine anmutige Flugkurve,
wird aus einem gegrillten Schlafsack ein Marshmallow, schnellt olympiareif der
Bogenpfeil in sein Ziel. Ein gerüttelt Maß an alter Schule ohne neumodische
Geißelungsapparate und Maschinenbau-Diplom, grundsolider Kahlschlag, bodenständig,
ohne Sadismus, wenig Potenzial also für Torture-Porn-Erregungen. Doch so
oft wie hier spitzes Werkzeug des Killers von Welt Hohlköpfe passiert,
muss man sich zumindest Gedanken machen ob einer eventuell daran sarkastisch
angedockten Metaebene und kommt zwangsläufig zur an den Film gerichteten
Gretchenfrage: Bist du eigentlich so dumm oder tust du nur so?
Der Afroamerikaner, der Vorurteile hinterfragt
und sie dann frech im nächsten Moment bestätigt. Die Kreissäge,
die plakativ ins Bild gerückt wird, um sie dann doch nicht zu benutzen.
Und vor allem die lange Ouvertüre, auf die strukturell fast derselbe Hauptteil
dann folgen soll, geradezu wie in „Death Proof“. Das ist doch Methode? Oder
perlen alle Ironieverdächtigungen an der Intelligenzbeschränkung des
unbedachten Stalk ’n Slashs einfach ab? Es bleibt eine quälende, rätselhafte
Ungewissheit, ähnlich wie bei der nur vermutet werden könnenden Genialität
des legendären „blauen Licht“-Dialogs aus „Rambo 3“. Zur Erinnerung: „Wozu
ist das?” – „Das ist blaues Licht” – „Und was macht es?” – „Es leuchtet blau.”
Es ist wirklich etwas verzwickt: Im repräsentativen
Slasher entspricht das Alter der Gemeuchelten dem des Zielpublikums. Es schaut
quasi zu, wie es einen der ihren erwischt, freilich mit vernachlässigbaren
Empathieanflügen. Klar, so dämlich wie die ist man dann doch nicht.
Aber die auf der Leinwand machen, wenn natürlich auch sehr eindimensional
und geballt, was Jugendliche und Studenten eben so machen: „Fucken“ (in all
seiner Mehrdeutigkeit), im Hustler rumblättern oder sich mit Alkohol und
Gras die Birne zudröhnen. Da solle noch einer sagen, Jason hätte keine
Motive. Dieser ehrbare Hüter von Anstand und Moral ist zutiefst unanpassungsfähig
und rettungslos konservativ, was diese weltlichen Dinge anbelangt. Ein heimlicher
Abgesandter der Sittenwächter, sag’ ich euch.
Daniel Szczotkowski
Freitag
der 13. (2009)
USA 2009 - Originaltitel: Friday the 13th - Regie: Marcus Nispel - Darsteller: Jared Padalecki, Danielle Panabaker, Aaron Yoo, Amanda Righetti, Travis Van Winkle, Derek Mears, Arlen Escarpeta, Julianna Guill, Willa Ford, Ryan Hansen, Jonathan Sadowski - Start: 13.2.2009
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