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Das
Geheimnis der Zauberpilze
Der Aufstand der Gartenzwerge
Ob der
Film bei mir an der richtigen Adresse sei, schreibt Crippler Criss in einer
e-Mail und meint damit, ob ich ein qualifizierter Mensch sei und willens, eine
Rezension zum (O-Ton) „Machwerk“, zum ersten selbst gemachten „Spielfilm“ der
„Psycho Productions“, zu veröffentlichen? Nach Prüfung des Produkts
(DVD) muss ich ehrlich sagen: teils teils.
Zur Zielgruppe
des Films (falls das gemeint war) wünschte ich zu gehören, fand aber
schnell heraus, dass ich mit 51 Jahren vielleicht doch langsam herausgewachsen
bin aus dem dröhnseligen (ansehen sollte man den Film wirklich nicht nüchtern)
Splatter-/-Trash/-Trashkomödien-Fan-Alter, (ist Trashkomödie eigentlich
so ähnlich scheiße wie Punkrock?) obwohl doch Filme wie das texanische
Kettensägenmassaker
immer noch zu meinen und nachweisbar der Film-Autoren all
time standards
gehören müssten.
Am Anfang
freute ich mich dann auf eine Art Beavis-und-Butthead-Buddie-Movie,
denn ein Metal-Typ namens Crippler Criss und ein „Exploited“-Iro-Punk namens
Master W gehn mit Kiste Bier in Wald, um sich zu bedröhnen und gleichzeitig
sind sie ihre eigenen Zuschauer, die ihren eigenen Film hinter einer Galerie
von Spirituosen schön debil verreißen/krass finden: „Alter, wie cool
ist das denn?“
Freuen
wollte ich mich auf die bessere Version von „Dorfpunks“ (die
der Film auf eine Art - aber dazu später – tatsächlich geworden ist)
und „Blair
Witch Project“,
welcher ja auch nicht schwer zu schlagen ist, unterm Strich aber überwog
der soziologische Erkenntnisgewinn gegenüber dem Unterhaltungsgewinn (eines
ältlichen Familienvaters). Und dann lobte ich die Anwesenheit der Schnell-Vorwärtstaste,
denn der selbstlose Verzicht auf deren Betätigung beim ersten (sic!) Anseh-Versuch
eskalierte abwechselnd in Masochismus oder Tiefschlaf, ohne sie aber hätte
ich den zweiten Versuch nicht ohne pathologische Zeitigungen überlebt.
Ums Überleben
geht es denn auch im Film und um das, wovon arbeitslose junge Männer wohl
den ganzen Tag träumen: (die Träume in etwa in der Reihenfolge ihres
Erscheinens) Weißbrot mit Schokostreuseln in sich hineinstopfen, Saufen,
Raufen, in den Wald gehen, Weitersaufen, sich gegenseitig als Schlappschwanz
oder Schwanzlutscher bezichtigen, in die Fresse hauen, Tot umfallen, von kichernden
Gnomen, die das Geheimnis revitalisierender Zauberpilze besitzen, und sie träumen
von Hippies, die vier Meter weit pinkeln können und denen man (aus Foltergründen)
das Bein absägt, von paranoiden Soldaten, die wie eine Mischung aus Reich-Ranicki
und Hitler reden, von Einsiedlern, die natürlich Finger, Nasen und Gehirne
in Blutsoße zubereiten, von einem bleichen Untoten, der immer hinter einem
her rennt, von Gedärmen, die aus dem Bauch gerissen und zerkaut werden
und so weiter ...
Gelacht
habe ich anderthalb mal, ich war aber durchweg wohlgesonnen und angeekelt war
ich nur ab und zu, wenn die viel zu langen, übrigens akustisch schwer zu
verstehenden und genuschelten, Dialoge (es treten normal immer nur zwei Protagonisten
zugleich auf, weil es nur zwei Darsteller gab) mal wieder von des Filmes (semiprofessionell
mit Requisiten der morbiden Art ausgestattet) ziemlich einseitiger Art der gore
action
abgelöst wurde.
Nicht
das (offenbar von Criss und Co als von der Kritik befürchtete Kritik) Fehlen
der hollywoodesken Finanz- und Spezialeffekte bewirkte bei mir den Überdruss,
eher die Bemühung, den special
FX
doch nahe zu kommen, obwohl man doch Trash apostrophiert und auf der anderen
Seite auch hat versucht raushängen zu lassen. Aber angenommen, es wäre
nicht Trash, solle es eigentlich doch nicht sein, was diese Gartenzwerge auf
PILZ (und was anderes als Gartenzwerge waren diese Typen im „Herrn
der Ringe“
doch auch nicht) hier erleben, dann seien doch hervorgehoben einige schön
verrückte Szenen, wo alles gleichzeitig und nirgends im Bild und dabei
professionell gemacht
ist.
Besonders
interessant für mich alten Stiesel aber waren zum Einen die Ununterscheidbarkeit
von psychedelisierendem (Pilz-)Traum und Wirklichkeit, und die Gleichzeitigkeit
von Film-Handlung und deren Kommentar(toren), denn alles ist in diesem „Machwerk“
gedoppelt: Die Konsumenten sind ihre eigenen Unterhalter, sie zeigen sich zugleich
(aber zu oft für meinen Geschmack) in ihrer angestammten passiven Rolle
als trash
nerds
vor dem TV
- und in ihrem
eigenen TV krabbeln, saufen, sabbern und bluten sie den Film-Wald voll als Verkörperungen
Ihrer natürlich avisierten self
fulfilling
kranken Phantasie.
Aber:
bei so viel Gleichzeitigkeit und Verweis auf immer nur sich selbst (denn die
2 Hauptdarsteller sind auch sonst für beinahe alles an diesem Film verantwortlich)
kann den Betrachter schon der Überdruss erwischen, denn, bei aller Liebe,
so interessant ist weder der Film, dass man ihn ständig hinterfragen, kritisieren
oder gar spannend finden müsste, noch deren Figuren und pseudo-saufenden
Sofazuschauer-Figuren, deren wiederum verstellte und überdrehte Stimmen
umso mehr in den Ohren klingeln, je weniger man sie versteht.
Es bleibt
schließlich das Selbstportrait/Psychogramm einer Video- und DVD-geprägten,
sich ohne das wohl zu Tode langweilenden, Spezies zombiephiler junger Männer
vom, und auch das spielt wohl eine tragende Rolle, deutschen Flachland, dessen
Reihenhäuser, die wohl eher unabsichtlich manchmal ins Bild rutschen, übrigens
das Trashigste am Film sind.
So meint jedenfalls der aus der Zielgruppe fallende Familienvater. Sicherlich denkt die Zielgruppe anders. Soll sie doch einen Pilz-Selbstversuch wagen ...
PS: Aber
einen pathetischen väterlichen Rat mag ich meinen jungen Gartenzwergen
doch noch auf den Weg mitgeben: Sucht bitte nicht nach Zielgruppen, sondern
sucht nach dem inneren Schweinehund, denn der ist, was zählt, und was auf
die Leinwand/den Monitor gehört. Macht Filme für euch. Macht euren Film,
nicht den, der heute Deutschland und morgen Hollywood erobern könnte. Und
habt Spaß dabei! Spaß habt ihr beim Dreh der „Zauberpilze“ schon
gehabt, unverkennbar, aber da geht bestimmt noch mehr.
Deutschland
2009
Länge:
90 min
Regie,
Produktion, Darsteller: Christian Markhoff, Werner Timm
Buch:
Werner Timm
Kamera:
Holger Jahnke
Schnitt:
Christian Markhoff
Musik:
Carsten Grote, Holger Jahnke
Filmseite: P.S.Y.C.H.O. Productions
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