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Da ist sie endlich mal wieder auf großer
deutscher Leinwand: Inga Busch, mit ihrer eigenwilligen Nase wie einst Kleopatra
und ihrem rauhen, faszinierenden Gesicht. Doch kaum freut man sich über
ihre Ankunft, schaudert man angesichts ihrer Aufmachung: ein seidener Hosenanzug?
Wirklich? Busch kann die bodenständigen und lauten, selbstbewussten Frauencharaktere
spielen wie sonst niemand im Land, aber ihr ebenso herber wie herzlicher Charme
will in dieser Rolle als verschlossene und leicht prätentiöse Künstlerin
nicht so recht zur Geltung kommen.
Buschs Casting steht exemplarisch für
einen gut gemeinten Film voller interessanter Ansätze, von dem letztlich
nicht viel Sehenswertes bleibt. Meist wirkt das neue Projekt der deutschen Independentfilmveteranin
Monika Treut wie eine digitale Postkartensammlung, die zwischen Hamburg und
Taipeh pendelt: Die Cityscape gelingt durchaus, das Gefühl des Ortes wird
mit Hilfe flüchtiger Eindrücke von Paraden, Märkten, lokalen
Brauchtümern und Delikatessen eingefangen, alles interessant. Aber die
Figuren hätten spannender sein können, wenn man ihnen mehr als den
Plot und die Dialoge eines zwanzigminütigen Kurzfilms gegeben hätte,
der dann durch Inserts und Stimmungsbilder gerade so auf neunzig aufgeblasen
wird. So aber verliert man sich als Zuschauer viel zu häufig in assoziativen
Stadtmontagen, und die Geschichte gewinnt bis zuletzt überhaupt keinen
Zug. Ein Film als Sightseeingtour.
Dazu gehört Positives wie Negatives.
Zum einen harmoniert das halb deutsche, halb vietnamesische Cast erstaunlich
gut, und die Unterschiede zwischen beiden Kulturen, beiden Sentimentalitäten
und Temperamenten, bleiben keineswegs »lost in translation«. Andererseits
warten hier auch einige Postkartenfilmklischees: Vor allem die Essensassoziationen
wirken im wahrsten Wortsinne ein wenig altbacken: Dass die Mutter der jungen
Taiwanesin Ai-ling in praktisch allen ihren Szenen mit riesigen Töpfen
hantiert, dass Ai-lings Onkel in Deutschland eine Reihe von China-Restaurants
führt, das klingt alles nach längst bekannten Stereotypen.
Fatal aber ist vor allem die dysfunktionale
Stilebene des Films. Als internationaler Krimi mit Mystery-Einschlag um zwei
geheimnisvolle Tode und zugleich als lesbisches Trennungsdrama könnte die
Geschichte durchaus überzeugen. Doch die Form trägt nicht einmal das
Gewicht dieser eigentlich recht knappen Story: Die digitale Handkamera soll
wohl die Technik der Protagonistin, einer Videokünstlerin, spiegeln – heraus
kommt dabei leider nur der verwaschene, beiläufige Look eines Tagebuchfilms,
dem jegliche Eleganz abgeht. Auch die Musik, die die etwas zu lose Inszenierung
zusammenhalten könnte, wirkt willkürlich und einförmig. Und in
den vielen Sequenzen, in denen dann ganz auf Musik verzichtet wurde, wird schmerzhaft
offensichtlich, dass die Szenen alleine die Stimmung des Films leider nicht
tragen können. Überhaupt will sich die elegische Grunddisposition
nicht so recht einstellen – zu gezwungen wirken viele Szenen, zu gestellt, aneinandergereiht
und unelegant wirken die Bilder. Einige erotische Momente gelingen dank der
Natürlichkeit Buschs und Huan-Ru Kes, aber selbst hier versiegen viele
Emotionen ungenutzt: Die Flashbacks im glitzernden Gegenlicht sind mehr das
Klischee von Flashbacks, wie man sie aus Filmen kennt, als tatsächliche
Erinnerungsfetzen. So ergeht es denn auch dem zwischendurch immer wieder heraufbeschworenen
Mystery-Aspekt: Man spürt keine Gefahr, keine Präsenz des Übernatürlichen,
keine Aufregung. So bleibt der Film manchmal schön anzusehen, aber eben
auch sehr beiläufig. Wie eine Postkartensammlung eben.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
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D/RC
2009. R,B: Monika Treut. B: Astrid Ströher. K: Bernd Meiners. S: Renate
Ober. M: Uwe Haas. P: Hyena Films. D: Inga Busch, Hu Ting-ting, Ko Huan-ju,
Michael Varnhorn, Tze-Ping Su, Jacques-Yves Giga, Cheng-Yi Yang, Kevin Shih
Hung Chen u.a.
92 Min. Salzgeber ab 30.4.09
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