zur startseite
zum archiv
Gran
Torino
Die
Abdankung des weißen Helden
So weit ging der bald 80-jährige
Clint Eastwood noch nie mit Ironie und Pathos. In "Gran Torino" spielt
der Regisseur einen Mann voller Zorn auf die Vergangenheit.
Walt Kowalski ist einer jener Menschen,
die ein Schmuckstück lieber verstecken, als es allen zu zeigen. In der
Garage hat er einen außergewöhnlichen Schlitten stehen, einen Gran
Torino aus dem Jahr 1972. Aber er fährt einen klapprigen Lieferwagen, wenn
er sein Haus einmal verlässt, um ein paar Dutzend Dosen Bier zu besorgen,
die er dann trinkt, während er auf der Veranda sitzt und aus schmalen Augen
misstrauisch den Veränderungen in seinem Viertel zusieht.
Dreißig Jahre hat Walt Kowalski
für Ford in Detroit gearbeitet. Nach dem Tod seiner Frau lebt er nun allein
in einem jener Viertel, in denen sich ein Eigenheim an das nächste reiht,
getrennt nur durch kleine Gärten und ab und zu einem Maschendrahtzaun.
Der Gran Torino ist das einzige Zeichen, das zeigt, dass Walt Kowalski noch
eine andere Seite hat als die griesgrämige, die er der Welt zukehrt. Er
hält diese Seite aber gründlich verborgen, so wie das Auto unter der
Schutzhaube bleibt, wenn er es nicht gerade poliert.
Es geht also darum, die Augen zu öffnen
und die andere Seite zu sehen, wenn Clint Eastwood in seinem neuen Film "Gran
Torino" diesen Walt Kowalski spielt. Es geht darum, die Augen einer misstrauischen
(schwindenden) weißen Mehrheit in den USA zu öffnen, deren Blick
auf die anderen Bevölkerungsgruppen durch Klassen- und Rassenstereotype
geprägt ist. Es geht schließlich aber auch darum, dass der große
amerikanische Epiker, der Eastwood mittlerweile ist, an sich selbst, an seinem
Starimage, noch einmal eine andere Seite entdeckt. Er tut dies so fulminant,
dass "Gran Torino" trotz mancher Konzessionen an vor allem die religiösen
Bedürfnisse der amerikanischen politischen Mitte ein großes Werk
geworden ist, nicht weniger als eine Summe von Eastwoods Schaffen und ein fast
rituell anmutender Abschied von seinem alten Image als "Fremder ohne Namen"
oder als "Dirty
Harry".
Der Film beginnt in einer Kirche, mit
der Predigt eines jungen Geistlichen anlässlich der Beerdigung von Walt
Kowalskis Frau. Bei der anschließenden Trauerfeier herrscht schnell die
Betriebsamkeit der Überlebenden, die alles in praktische Fragen auflösen.
Nur Walt selbst widersetzt sich nicht zuletzt dem geistlichen Beistand von Father
Janovich (Christopher Carley), der ihn unbedingt zur Beichte überreden
will. Walt hat ein starkes Gegenargument: Was er im Koreakrieg erlebt und getan
hat, entzieht sich jeder Vergebung. Damit bekommt auch die Lebensverachtung
ein Motiv, die er heute an den Tag legt. Schon bald darauf bekommt Kowalski
neue Nachbarn - eine Großfamilie aus China zieht nebenan ein. Es gibt
eine Party, bald noch eine, irgendwann ein großes Essen, und irgendwann
kann er sich den Einladungen nicht mehr entziehen, zumal es zwischendurch einen
Eklat wegen seines Gran Torinos gegeben hat, den der Sohn der Nachbarn ein wenig
täppisch zu stehlen versucht hat.
Kowalski lernt die fremde Kultur, wie
es nahe liegt, über das Essen kennen. Als Witwer ist er kulinarisch unterversorgt,
wer würde den vielen, auch exotischen, Angeboten widerstehen wollen? Nebenbei
erfährt er von der gescheiten Sue, der Nachbarstochter, auch noch, dass
ihre Familie der Minderheit der Hmong angehört, die im Grenzgebiet zwischen
China, Vietnam und Laos leben und regional schlecht angesehen sind, weil sie
im Vietnamkrieg auf der Seite der USA standen.
Von dieser deutlichen Art sind die Ironien
in "Gran Torino". Man muss dabei die Einstellung gesehen haben, in
der Eastwood sich selbst filmt, wie er sich ächzend von dem Reparaturversuch
an einer Waschmaschine erhebt, die Gesichtszüge durch die Optik der Kamera
grotesk verzerrt, um ermessen zu können, wie weit der bald achtzigjährige
Star hier geht. Er schafft es dabei sogar, dass Ironie mit Pathos zusammengeht.
Das eine schließt gewöhnlich das andere eher aus, hier aber verbinden
sich die beiden erzählerischen Mittel zu einer ganz ungewöhnlichen
Positionierung des weißen Helden in einer neuen demokratischen (demografischen)
Situation.
Der weiße Held bereitet seine Abdankung
vor, er tut dies aber nicht einfach mit großer (oder kleiner) Geste, sondern
er vollzieht in seinem Abgang eine ganze Figur der abendländischen Problemlösung
nach und überwindet sie zugleich: Das Konzept des Opfers, in dem ein einzelner
Tod die Gesellschaft ins Lot bringt, war immer schon der Fluchtpunkt des amerikanischen
Ethos der Do-it-yourself-Gerechtigkeit. Clint Eastwood blickt mit "Gran
Torino" zurück auf seine Anfänge, auf den Showdown aus "Für
eine Handvoll Dollar",
und vor ihm (und vor uns) öffnet sich eine Perspektive auf diese Karriere,
die tatsächlich menschheitlich ist. Das mag jetzt pathetisch klingen, ist
durch die Ironien von "Gran Torino" jedoch ausreichend entschärft.
Bert Rebhandl
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Gran Torino
USA 2008 - Regie: Clint
Eastwood - Darsteller: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Christopher Carley,
Brian Haley, Geraldine Hughes, Dreama Walker, Brian Howe, John Carroll Lynch
- Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 116 min. - Start:
5.3.2009
zur startseite
zum archiv