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Green
Zone
Matt
Damon muss es wieder richten
Gewürzt
mit Aufklärung serviert der Regisseur Paul Greengrass die Action in seinem
Irakkriegsfilm "Green Zone". Dass Michael Moore den Film auf Twitter
frenetisch feiert, überrascht kaum.
Die
Grüne Zone markiert im östlichen Stadtzentrum Bagdads ein mit enormem
Aufwand befestigtes Areal: nach außen abgeschottet und im Inneren ein
sicheres Parkett für Politik und Wirtschaft. Hier spitzen sich die Gegensätze
von Peripherie und Zentrum rigoros zu und zwangsläufig brechen Konflikte
an der harsch gezogenen Grenze aus. An solchen Grenzen bewegt sich der Soldat
Miller (Matt Damon) in mehrfacher Hinsicht: zum einen ganz konkret, da er im
April 2003 an den Scharmützeln zur Befestigung der Grünen Zone beteiligt
ist. Zum anderen, weil er als Soldat von nicht ganz niedrigem Rang über
Befehlsgewalt zwar verfügt, Befehle aber meist erhält, statt sie zu
geben: ein Pendler zwischen den Sphären mit bedingten Zugangsrechten, ein
hervorstechender Fremdkörper, wenn er in voller Montur am Swimming Pool
eines Hotels entlanggeht, an dem die Entourage der Mächtigen sich sonnt.
Nicht weit weg rattern Maschinengewehre.
An
dieser Zwischenposition artikuliert Soldat Miller Kritik: an der schlechten
Informationsgrundlage der zahlreichen Einzeleinsätze etwa, die entgegen
geheimdienstlicher Vorabversicherungen alles Mögliche, nur nicht die händeringend
gesuchten Massenvernichtungswaffen zu Tage fördern. Nachdem es ihm mit
Hilfe des Irakers "Freddy" (Khalid Abdalla) gelingt, abseits der Befehlsroutine
ein klandestines Treffen der Baathpartei zu sprengen, stößt Miller
auf ein Netz geheimdienstlicher Verstrickungen, in denen geflissentlich ungeprüfte
Informationen ganze Kriege zur Folge haben. Wohl nicht von ungefähr erinnert
dieses auf Skandalisierung gebürstete Szenario an das US-amerikanische
Paranoia-Kino der 70er-Jahre. Vor allem Alan Pakula protokollierte in Filmen
wie "Zeuge einer Verschwörung" und "Die Unbestechlichen"
mit kühlem Blick die innere Zerrissenheit seines Landes. Er schickte aufrechte
Journalisten in die korrupten Schaltzentralen der Macht.
Als
ausgesprochen linksliberaler Regisseur ist Paul Greengrass bislang nun eher
nicht in Erscheinung getreten. Für eine Weile, gestand er jüngst dem
britischen Guardian, habe er den Irakfeldzug sogar zähneknirschend befürwortet.
Von seiner Wut darüber, dass die als Kriegslegitimation vorgeschobenen
Massenvernichtungswaffen nie gefunden werden konnten, legt "Green Zone"
beredt Zeugnis ab: Mit dem Temperament eines Gekränkten geht Greengrass
daran, seinem Actionvehikel die richtige Botschaft überzustülpen.
In besseren Momenten wirkt das gut gemeint, in schlechteren wie am Schreibtisch
ausgezirkelt - zwischen Greengrass und seinen Film passt kein Blatt Papier,
geschweige denn das nötige, gesunde Maß an Distanz zum eigenen Treiben.
Dass Michael Moore, an den einer von zwei miteinander konkurrierenden CIA-Leuten
(der gute natürlich, der Miller zu Hilfe kommt) ohnehin fortwährend
erinnert, den Film auf Twitter frenetisch feiert, überrascht kaum.
Was
Pakulas Filme aber auszeichnet - eine fast kongruente Deckung von ästhetischer
Reflexion mit dem transportierten Inhalt zum einen, die originäre Verhaftung
am politischen Klima zum anderen -, geht Greengrass Film ab. In den direkt aus
Greengrass vorherigen "Bourne"-Filmen
entlehnten, atemlos drängenden Wackelkamera-Actionpassagen gelangt er zu
packender, stilistischer Höchstform, die aber kein Verhältnis zur
Thematik aufbaut. Wenn es zwischen solchen Set Pieces darum geht, die gute Botschaft
unter den Teig zu heben, gerinnt er mitunter zum Aufsagekino, dem als Abrechnung
mit Bush und Co. zudem der Ruch des Nachgereichten anhaftet.
Schlussendlich
wirkt "Green Zone" vor allem kalkuliert. Als kostenintensiver Blockbuster
ist er auch eine immense Investition, zu deren Amortisation der Binnenmarkt
schon länger kaum mehr in der Lage ist. Die unbekümmerte "Gung-ho"-Mentalität
einstiger US-Actionboliden lässt sich auf dem internationalen Markt indessen
nur noch schwierig - oder, wie im ungebrochenen Achselschweißkino eines
Michael Bay, über den Transfer in die vermeintlich unpolitische Oberfläche
- absetzen. Wo Pakula mittels einer steten Reflexion der filmischen Mittel Strukturen
aufdeckte, übt sich Greengrass in Gefälligkeit.
Thomas
Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Green
Zone
USA
/ Großbritannien 2010 - Regie: Paul Greengrass - Darsteller: Matt Damon,
Greg Kinnear, Brendan Gleeson, Amy Ryan, Jason Isaacs, Khalid Abdalla, Michael
O'Neill, Antoni Corone, Yigal Naor - Prädikat: besonders wertvoll - Länge:
115 min. - Start: 18.3.2010
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