zur startseite
zum archiv
zu den essays
Hai-Alarm am Müggelsee
Griechische Ananas
Ein Katastrophenfilm? Nein, „Hai-Alarm am Müggelsee“ von Leander Haußmann und Sven Regener ist eher eine unrunde Aneinanderreihung von Gags.von Barbara Schweizerhof
Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Leander Haußmann und Sven Regener drehen in ihrem „Hai-Alarm am Müggelsee“ diese Faustregel mal um. Zu Anfang sieht man Michael Gwisdek im Müggelsee stehen, das Wasser reicht ihm bis zur Hüfte. Was dann passiert, sei aus Angst davor, Spoiler zu verraten, nicht weiter ausgeführt. Nur so viel: Wer nicht gleich lacht, wenn Gwisdek sein sehr berlinerisches „Wat isn ditte?“ ausstößt, ist für diesen Film verloren. Aber vielleicht beginnt diese Probe auf den Humor ja noch früher, nämlich gleich beim Titel: „Hai-Alarm am Müggelsee“. Eigentlich müssten sich daran schon die Geister scheiden. In die einen, die verständnislos – „wat solln ditte?“ – den Kopf schütteln, und in die anderen, die die bloße Nähe der Wörter „Hai“ und „Müggelsee“ bereits kichern lässt.
Man kann Haußmann und Regener (zur Erinnerung: die beiden fanden über der Verfilmung von Regeners Bestsellerroman „Herr Lehmann“ zusammen) zugutehalten, dass sie auf ihre Weise für beide Publikumssegmente arbeiten. Die Kopfschüttler füllen sozusagen die Leinwand; die Kicherer sitzen davor. „Hai-Alarm am Müggelsee“ spielt, wie der Titel schon sagt, am Müggelsee. Sieht man von einer Passage ab, die die notwendig umständliche Vorgeschichte des Hai-Alarms erzählt und unter anderem eine Art vorzeitigen Showdown auf Hawaii zeigt. Dem kundigen Auge erschließt sich, dass Hawaii hier ebenfalls vom Müggelseeufer dargestellt wird, verkleidet durch eine vordergründig platzierte Ananas und ein paar Palmen in Töpfen. Nie wurde deutsches Filmfördergeld besser gespart!
Keine Spezialeffekte
Wie überhaupt Sparsamkeit sich als Qualitätsmerkmal durch das Projekt
zieht: Im Gegensatz zu anderen Filmen, die Haie im Titel führen, wurde
auf den Einsatz von Spezialeffekten verzichtet. Die Handlung konzentriert sich
auf wenige Orte und eine Handvoll Figuren und legt dabei trotz „Alarm“ einen
stets gemütlichen Gang ein. Dafür steht schon der Running Gag des
Films, der die eine griechische Kneipe am Müggelseedamm in Friedrichshagen
zeigt, in der Frank Castorf und Jürgen Flimm am Tisch mit einem unbekannten
Schnauzbartträger sitzen und Dinge zum Besten geben, wie dass Friedrichshagen
sich zu Köpenick wie Santa Monica zu Hollywood verhält – nein: wie
der Vatikan zu Rom!
Im hektischeren Teil der Handlung weiht Henry Hübchen als Bürgermeister von Friedrichshagen („Ich bin ja eigentlich in Köpenick geboren, aber sagen Sie das nicht weiter!“) gerade die neue Surfpaddelschule ein, als ihm die oben nicht näher beschriebene Entdeckung durch Michael Gwisdeks Bademeister zugetragen wird. In der daraufhin einberufenen Beratungssitzung tut sich besonders die Städtemarketing-Expertin Vera Baum (Anna-Maria Hirsch) hervor, die als fleißiges Mädchen eine Liste mit drei Lösungsvorschlägen präsentiert. Nummer eins ist der Hai-Alarm, den erst mal alle ausschließen. Nummer zwei die Devise „w.w.b.“ – kurz für „weiter wie bisher“, die spontan bevorzugte Herangehensweise, die leider als unpraktikabel abgelehnt wird. Man stimmt schließlich für Lösung drei: „Wir gehen alle nicht mehr ins Wasser, aber positiv.“ Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Die Musik kommt von Sven Regener
„Hai-Alarm am Müggelsee“ erweist sich weniger als Katastrophenfilmparodie
denn als betont entspannte Folge Gags verschiedener Zielrichtungen. Die betonte
Entspanntheit, untermalt von Sven Regeners Songs, rückt dabei das hochkarätige
Figurenensemble ins Zentrum mit dem immer köstlichen Hübchen an der
Spitze. Tom Schilling als Fischexperte der Humboldt-Universität hat einen
vergleichsweise undankbaren Part. Benno Fürmann als „reicher Mann von Friedrichshagen“
aber trifft den Pseudo-Brechtianerton schon besser. Vor allem wenn ein einfacher
Mann ihm mal zeigt, wo der Hammer hängt: „Ich bin Horst Jablonsky und sag
hier mal meine Meinung.“ Katharina Thalbach erscheint als „irre Alte“, die so
tiefsinnige Dinge schreit wie: „Da hilft euch auch euer Günther Jauch nichts
mehr!“ Wie man aus wenig das Optimum herausholen kann, zeigt Detlev Buck. Er
spielt einen bräsigen Polizisten, der sich ausbittet, komplexe Gedanken
auch zu Ende führen zu dürfen.
Hübsche Ideen stecken in diesem Projekt, von Sprachkritik („Hopp, hopp, hopp, Hai-Alarm, stopp!“) über Systemsatire (es wird eine Mauer gebaut) bis zur Anspielung auf Wutbürger im Westen (Der Wannsee! Sollen die doch Karpfen-Alarm machen!). So ganz rund wird die Sache nie.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Hai-Alarm am Müggelsee
Deutschland 2013 - 103 Minuten - Kinostart:14.03.2013 - FSK: ab 12 Jahren - Regie: Leander Haußmann, Sven Regener - Produktion: Stefan Arndt - Kamera: Jana Marsik - Schnitt: Christoph Brunner - Darsteller: Benno Fürmann, Tom Schilling, Detlev Buck, Katharina Thalbach, Leander Haußmann, Michael Gwisdek, Annika Kuhl, Henry Hübchen, Michael Ostrowski, Torsten Michaelis, Sven Regener, Kai Ivo Baulitz, Horst Kotterba, Uwe Dag Berlin, Horst Pinnow
zur startseite
zum archiv
zu den essays